Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ein Viertel der Superlative
Das Klarissenviertel ist reich an Besonderheiten, guten wie weniger guten. Zu letzteren ist die heruntergekommene Ladenstraße „An der Münze“zu zählen. Auf die erhoffte städtebauliche Neuordnung wartet die Politik seit Jahren.
NEUSS Das Klarissenviertel, wie das Quartier zwischen Sparkasse und Landestheater, Hessentordamm und Kaiser-friedrich-sraße auch genannt wird, muss sich nicht verstecken. Neben der einzigen Neusser Hausbrauerei finden sich dort noch andere Dinge, die besonders sind: Das älteste Haus (Michaelstraße 69), das schmalste Haus (Hymgasse 11), die ältesten Siedlungsspuren (an der Brückstraße), aber auch die größte und sogar mit einem Designpreis ausgezeichnete Bushaltestelle (an der Promenade). Diesen Superlativen muss man aber auch einen weniger schönen hinzufügen: das größte Ärgernis – die Münze.
Aus Sicht von Planungsdezernent Christoph Hölters ist die Münze ein „sehr prominenter Ort“und „von hoher städtebaulicher Bedeutung“. Denn die Liegenschaft hat ein „Gesicht
zum Markt“, an den sie direkt angrenzt. Aber sie verkommt – und das schon seit Jahren und nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt.
Die Politik kann das so nicht akzeptieren – und muss es doch. Inzwischen werden regelmäßig Anträge der politischen Parteien vorgelegt, in denen die Stadtverwaltung um einen Sachstandsbericht zur Münze und der weiteren Entwicklung dort gebeten wird. Zuletzt unternahmen CDU und Grüne im Juni einen entsprechenden Vorstoß.
Das Ergebnis ist jedes Mal ernüchternd, doch die Politik gibt nicht auf. „Wir werden das immer wieder auf die Tagesordnung bringen“, kündigt Cdu-fraktionsgeschäftsführer Marcel Stepanek an. „Der Schandfleck scheint zu bleiben“, ergänzt Michael Klinkicht (Grüne), der es fast schon leid ist, die immer gleiche Antwort der Stadt hören zu müssen, man sei mit den unterschiedlichen
Eigentümern im Gespräch. „Das ist doch kein Ergebnis“.
Schon vor mehr als fünf Jahren hatte die Stadt im Planungsausschuss berichtet, man sei mit einem Haupteigentümer im Dialog, der umfangreiche bauliche Veränderungen plane. Seitdem ist in der Münze selbst nur der Leerstand größer geworden. Die Stadt wiederum habe, wie Hölters betont, das Maximale getan, um die Flanken des Quartiers – den Platz am Romenaum einer- und die Oberstraße andererseits – aufzuwerten. Und die Pläne für die Gestaltung des öffentlichen Raumes rund um das, was da mal entstehen wird, liegen auch schon seit Jahren fertig in der Schublade. Es sei für ihn nicht nachzuvollziehen, so Hölters, dass dieser Effekt vor allem von dem Haupteigentümer nicht ausgenutzt werde. Der Stillstand, so Hölters, sei „total ärgerlich.“
Ein Problem ist, dass dieser Liegenschaftsbesitzer ein in Hongkong lebender Geschäftsmann ist, mit dem eine direkte Kommunikation nicht möglich sei. Vertreten wird er durch einen Neusser Rechtsanwalt, von dem auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten war.
Historisch betrachtet, wäre „An der Münze“auch einen Superlativ wert. Denn der Ort erinnert an die ehemalige Münzstätte der Stadt. Die hatte sich das Privileg, eigene Münzen schlagen zu dürfen, blutig erkauft, weil sie 1474 der Belagerung durch den Burgunderherzog Karl den Kühnen stand hielt. Das war sonst keiner Stadt gelungen.