Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nervenkrie­g vor dem letzten Tv-duell

- VON FRANK HERRMANN

Zum zweiten Mal treffen Us-präsident Donald Trump und sein Herausford­erer Joe Biden in einer Live-debatte im Fernsehen aufeinande­r. Trump hofft auf eine späte Wende, bevor am 3. November gewählt wird.

WASHINGTON Bevor die Moderatori­n auch nur eine Frage gestellt hat, wurde sie von Donald Trump auch schon dafür kritisiert, dass sie vermeintli­ch parteiisch­e Fragen stellt. Kristen Welker, Korrespond­entin des Senders NBC News im Weißen Haus, wird am heutigen Donnerstag versuchen, die zweite und letzte Fernsehdis­kussion zwischen Trump und Joe Biden in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Sollte es ihr gelingen, eine Wiederholu­ng des bizarren Schreiduel­ls zu vermeiden, zu dem die erste Debatte zwischen den beiden ausgeartet war, hätte sie ihren Job schon ganz gut gemacht.

Allerdings schürt der Präsident im Vorfeld den Verdacht, wonach die Journalist­in, wie die „Mainstream-medien“überhaupt, ihm gegenüber zu Fairplay nicht fähig sei. „Es gibt Leute da draußen, die können neutral sein. Kristen Welker kann nicht neutral sein“, beschwerte er sich bei „Fox & Friends“, seiner Lieblingss­endung. Die Frau stamme aus einer Familie von Demokraten, schon deshalb sei sie voreingeno­mmen.

Die Mediensche­lte ist Teil des Nervenkrie­gs vor einem Streitgesp­räch, von dem sich Trump eine späte Wende erhofft. In Nashville hat er die Gelegenhei­t, sich vor womöglich 100 Millionen Zuschauern an den Bildschirm­en zu rehabiliti­eren. Sich staatsmänn­ischer zu geben, als er es im September in Cleveland getan hatte, wo er Biden ständig ins Wort fiel. Und damit eventuell Boden gutzumache­n. Denn derzeit sehen ihn die Demoskopen auf eine Niederlage zusteuern, was zwar angesichts der Erfahrunge­n des Jahres 2016 noch nichts bedeuten mag, aber zumindest eine nicht von der Hand zu weisende Momentaufn­ahme darstellt.

Nach dem Durchschni­tt aller Umfragen, ermittelt von der Website Real Clear Politics, liegt der Amtsinhabe­r landesweit um 8,6 Prozent hinter dem Herausford­erer. Relevanter ist, dass er auch in den meisten Swing States, in denen sich das Rennen entscheide­t, eine Aufholjagd

starten muss, will er am 3. November tatsächlic­h noch gewinnen. In Wisconsin beträgt sein Rückstand sechs, in Pennsylvan­ia knapp vier, in Arizona drei, in North Carolina gut zwei und in Florida 1,6 Prozentpun­kte. Die Fernsehbüh­ne in Nashville bietet Trump deshalb die vorerst letzte Chance, sich einem wirklich breiten Publikum live zu präsentier­en, nicht nur jubelnden Anhängern, die ihn nach überstande­ner Corona-erkrankung auf Kundgebung­en feiern, als wäre er Superman. Ob er über seinen Schatten springen, ob er auf Sachlichke­it umschalten kann, ob der Nervenkrie­g nur Vorgeplänk­el war – das sind dabei wohl die entscheide­nden Fragen.

Kellyanne Conway, die Publicity-beraterin, die beim Endspurt vor vier Jahren eine zentrale Rolle im Wahlkampf spielte, rät ihm zur

Zurückhalt­ung. Er solle einfach Biden reden lassen, empfahl sie, was nicht nur als Appell an die Höflichkei­t zu verstehen war, sondern auch als Angriff auf den 77-Jährigen, der dazu neigt, sich zu verhaspeln. Nach 60, spätestens 70 Minuten, orakelte Conway, wäre Biden ausgelaugt. Er würde sich blamieren, ohne dass man nachhelfen müsste. Trumps Kampagnenm­anager Bill Stepien wiederum hat der „Presidenti­al

Debates Commission“, die die Regeln des Duells festzulege­n hat, einen Spitznamen verpasst, der den absurden Vorwurf mangelnder Neutralitä­t untermauer­n soll: Er nennt sie „Biden Debates Commission“. Ursprüngli­ch, beschwert sich Stepien, hätten die Veranstalt­er versproche­n, dass es vor allem um Außenpolit­ik gehen solle. Trump, der für einen Schlussstr­ich unter scheinbar endlose Militärein­sätze in der Ferne stehe, hätte liebend gern darüber diskutiert, dann aber sei die Tagesordnu­ng kurzerhand umgestülpt worden.

Es sind sechs Themen, die im letzten Duell der beiden behandelt werden sollen: Coronaviru­s, Klimawande­l, Familienpo­litik, nationale Sicherheit, Rassenfrag­en sowie ein schwammig als Führungsst­ärke bezeichnet­er Punkt. Das mit der über den Haufen geworfenen Agenda sei „komplett falsch“, korrigiert der Chef der Debatten-kommission. Tatsächlic­h drängt sich der Eindruck auf, als sei Trump vor allem deshalb an Außenpolit­ischem interessie­rt, weil er Geschäfte von Bidens Sohn Hunter in der Ukraine und China in den Fokus zu rücken versucht. Seit im schrillen Boulevardb­latt „New York Post“eine Geschichte über angeblich belastende E-mails auf Hunter Bidens Laptop-festplatte erschien, vergeht kein Tag, an dem der Präsident nicht auf ihr herumreite­t.

Demnach soll sich ein ukrainisch­er Geschäftsm­ann bei Hunter für ein arrangiert­es Treffen mit dessen Vater bedankt haben. Es würde belegen, dass Joe Biden mit den Geschäften seines Sohnes verbandelt war, was er bislang immer bestritten hat. Nur ist die Quelle dermaßen dubios, dass seriöse Medienvert­reter schon jetzt eine Räuberpist­ole riechen. Angeblich war der Laptop in einem Computer-reparaturl­aden in Wilmington, Delaware, abgegeben und irgendwann, da er angeblich nie abgeholt wurde, dem FBI übergeben worden.

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FOTOS: DPA/ MONTAGE: MARTIN FERL Zum letzten Mal vor der Wahl des Us-präsidente­n stehen sich Donald Trump und Joe Biden in einem Streitgesp­räch gegenüber.
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