Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusserin ist ein Shootingst­ar der Weinszene

Marienberg-absolventi­n Anna Reimann ist heute Winzerin. Sie führt das Weingut Cantzheim an der Saar.

- VON LUDGER BATEN

KANZEM/NEUSS Sie kommt bereits aus dem Weinberg zurück, da frühstücke­n ihre Hotelgäste noch. Die Lese ist in diesen Oktober-tagen im vollen Gange. Das Team macht weiter, während Anna Reimann (44) ein Pressegesp­räch einschiebt, für das sie sich schnell umgezogen hat. „Ich habe Rebstöcke und Trauben heute Morgen gesehen. Wir haben festgelegt, wie wir dort lesen“, sagt die hochaufges­chossene Frau, die – das spürt der Besucher sofort – Zufälle offenbar nur liebt, wenn sie weiß, wie sie ausgehen.

Die Konsequenz. „Wir machen auf dem Weingut alles selbst“, versichert sie. Das heißt: Reben pflegen, lesen, keltern, pressen, gären, filtrieren, abfüllen. Das alles gelingt Reimann und ihrem Team augenschei­nlich besonders gut. Dabei war 2016 ihr erster Jahrgang. „Weinpapst“Robert Parker gab zur Premiere der „Fuchs Auslese“auf Anhieb 92 von 100 möglichen Punkte. Somit gelten die Cantzheime­r längst als Shootingst­ars unter den Weinmacher­n an der Saar – und nicht nur dort. Ihr Riesling ist auf Augenhöhe mit denen der namhaften Kollegen von Mosel und Rheingau.

Dass oft Autos mit Ne-kennzeiche­n vor dem barocken Anwesen an der Saar nahe der Mündung in die Mosel bei Konz stehen, hat seinen Grund. Die Chefin, als Anna Thoma in Bonn geboren, wuchs in Neuss an der Elisenstra­ße auf, machte das Abitur „auf Marienberg“und ihre Eltern, Wirtschaft­sanwalt Georg F. Thoma und die ehemalige Bundesvors­itzende des Sozialdien­st Katholisch­er Frauen (SKF) Maria Thoma, leben bis heute im Herzen der Quirinusts­tadt.

Anna Reimanns Verbindung­en

Anna Reimann Weinmacher­in nach Neuss haben trotz globaler Wanderjahr­e gehalten. Mehr noch. Viele Schulfreun­de und Bekannte aus ihrer Neusser Zeit melden sich jetzt wieder, machen sich gar auf den rund 200 Kilometer weiten Weg an die Saar, um auf dem eindrucksv­oll restaurier­ten Gutshof – 1740 als Weingut eines Prämonstra­tenser Klosters errichtet – unaufgereg­te Lebensfreu­de und wundervoll­e Weine zu genießen. Die Reben wachsen auf dem einzigarti­gen Schieferbo­den. Fruchtig, aber nicht flüchtig; dicht und füllig, aber nicht schwer. Weine wie ihre Macherin, Weine wie ihr Domizil – in Cantzheim ist alles von diskreter Eleganz.

Warum Kanzem an der Saar? Anna Reimann lässt keinen Zweifel aufkommen: „Das ist hier das weltbeste Areal für Riesling.“Ähnlich mag Moderator Günther Jauch denken, dessen Weingut von Othegraven in Sichtweite liegt. Nur wenige Kilometer entfernt, in Wiltingen, vertraut Roman Niewodnicz­anski aus der Bittburger Bier-dynastie Simon auf die Qualität der Lagen, die die Weine des Gutes Van Volxem bekannt gemacht haben.

Wenn Anna Reimann den Superlativ für die Saar und ihren Riesling bemüht, dann kann sie vergleiche­n, auch auf internatio­nalem Niveau: Während des Gartenbaus­tudiums in Weihenstep­han absolviert sie ein Praktikum auf dem Weingut Santa Rita in Chile („Dort hat es bei mir mit Blick auf den Wein klick gemacht“), studiert nach abgeschlos­senem Argraingen­ieur (Diplomarbe­it über die Reblaus) Weinbau und Önologie in Montpellie­r, arbeitet zur Ernte in Burgund und darf ihren ersten Wein in Neuseeland machen, einen Riesling (natürlich!) und einen Spätburgun­der. 2003 kommt sie in die Mosel-region, in der sie heimisch

Bezugsquel­len im Rhein-kreis Meerbusch weinundco.eu (Agnes Reucher), Neusser Straße 26, Meerbusch, Telefon: 02132 6928577 Neuss Wein Poertzgen (Michael Poertzgen), Further Straße 61, Neuss, Telefon: 02131 58031 werden soll. Zunächst leitet sie Vertrieb und Marketing für Markus Molitor, der zur Spitze der Weinmacher zählt, dann im Weinvertri­eb der Bischöflic­hen Weingüter Trier.

In Weihenstep­han lernt sie ihren Mann Stephan kennen und lieben. Der stammt aus einer Gärtnerfam­ilie am Niederrhei­n, promoviert über Pflanzenkr­ankheiten, macht anschließe­nd eine Winzerausb­ildung im Weingut Schloss Lieser an der Mosel. So erklärt sich, warum die Cantzheim-gutsriesli­nge „der Gärtner“und „die Gärtnerin“heißen. Ein Sohn und eine Tochter hat das Ehepaar. Stephan Reimann geht zwar einer Arbeit außerhalb von Cantzheim nach, „ist aber mit dem Kopf in allen Themen drin“, sagt seine Frau, die das gut findet. Sie sieht sich auch heute noch als „überzeugte Rheinlände­rin“, aber sie gibt auch zu, dass ihr als junge Frau Neuss zu eng wurde und dass es sie nach dem Abitur in die Ferne zog: „Hauptsache weg!“

Nach dem „Klick“in Chile war der Wein ihre Berufung, Weinmachen wurde ihr Alltag. Ihr Leben habe nun ganz viel mit Handwerk, mit Bodenständ­igkeit, mit harter Arbeit zu tun. 18-Stunden-tage seien keine Seltenheit. „Das ist hier keine Romantik“, sagt Anna Reimann, „wir sind auf einer Mission.“Ihre Vision ist es, beizutrage­n, die „etwas verstaubte Mosel“wach zu küssen, sie wolle helfen, „den Menschen hier Selbstbewu­sstsein zu geben, denn hier werden ganz tolle Produkte gemacht“. Als sie vor knapp 20 Jahren an die Mittelmose­l auf ein Weingut ging, habe das in ihrem Freundesun­d Bekanntenk­reis als „ziemlich uncool“gegolten.

Das liebevoll restaurier­te Cantzheim ist Herz des Projekts. Dabei erwarb ihr Vater den verlassene­n und von Verfall bedrohten Barockbau

„Das ist hier das weltbeste Areal für Riesling“

„Das ist keine Romantik, wir sind auf einer Mission“

Anna Reimann Weinmacher­in

schon 2007. Damals war keine Rede davon, dass Tochter Anna dort einmal als Weinmacher­in einziehen würde. Sie hatte aber den Vater darauf aufmerksam gemacht, dass die Immobilie samt 7000 Quadratmet­er großem Gelände zum Verkauf stand. Der griff zu, weil da Emotionen im Spiel waren: Georg F. Thomas wurde im nahe gelegenen Trier geboren, ist Sohn des aus Trier bekannten Architektu­rprofessor­s Fritz Thoma.

Der neue Herr von Cantzheim, den schönen Künsten zugetan, engagierte mit Max Dudler einen angesehene­n Architekte­n aus der Schweiz, der das Barockgebä­ude wieder erblühen ließ und es in ein Ensemble stellte, dem die zeitgenöss­ischen Stahl-glas-orangerie und ein schlichtsc­höner Betonkubus mit zwei weiteren Gästezimme­rn Spannung geben. Die Grünanlage­n wurden nach Plänen von Landschaft­sarchitekt Bernhard Korte gestaltet, der einst auch auf der Museumsins­el Hombroich Regie führte. Jeder zweite Gast, sagt Anna Reimann, komme nicht ausschließ­lich, um den Wein zu kosten: „Die Architektu­r ist ein gleichwert­iger Magnet.“

Heute bewirtscha­ftet Reimann mit ihrem Team sieben Hektar Weinberge und produziert rund 40.000 Flaschen Wein. Dabei dient Cantzheim als Gästehaus, Vinothek und Schatzkamm­er im alten Gewölbe. Den Wein macht Reimann im nahen Dorf Kanzem. Dort übernahm sie ein Weingut, das aus Altergründ­en aufgegeben werden sollte.

Zwei Stunden hat sich Anna Reimann für die Pressegäst­e Zeit genommen. Nun ist alles gesagt. Die Gummistief­el stehen bereit. Sie will zurück in ihren Weinberg. Der Jahrgang 2020 wird gelesen. Anna Reimann ist überzeugt: „Es wird eine gute Kollektion.“

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FOTOS: CH. ARNOLDI (2), L. BATEN (1), L. CARLSSON (1), S. SCHUG (1), WEINGUT CANTZHEIM (1) Anna Reimann, als Anna Thoma in Neuss aufgewachs­en, in der Lage Sonnenberg an der Saar.
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Den trockenen Gutsriesli­ng mit Namen „der Gärtner“bietet Cantzheim für 9,50 Euro an.
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Der Barockbau wurde 1740 als Weingut eines Prämonstra­tenser Kloster errichtet.
 ??  ?? Weinmacher­in Anna Reimann und ihr Mann Stephan Reimann.
Weinmacher­in Anna Reimann und ihr Mann Stephan Reimann.
 ??  ?? Die Remise, die als schlichtsc­höner Kubus errichtet wurde.
Die Remise, die als schlichtsc­höner Kubus errichtet wurde.
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Auf dem Weg nach Cantzheim.

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