Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Müssen mit Optimismus planen“

Der Kaarster Kulturmana­ger spricht über das bis zum Jahresende abgesagte Kabarett-programm.

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Herr Güsgen, gerade erst hat das Kabarett in Kaarst sein Comeback gefeiert. Nun muss es mindestens bis Ende des Jahres pausieren. Wie ist Ihre Stimmungsl­age? DIETER GÜSGEN Die Stimmung bei allen Beteiligte­n ist natürlich aktuell auf dem Tiefpunkt. Aef-sanierung und Corona-einschränk­ungen haben lange Kabarett-pausen erzwungen, endlich konnten wir unter Auflagen wieder mit den Shows starten und nun erneut das Ende, das ist sehr deprimiere­nd.

Welche Gründe waren ausschlagg­ebend für die Absage? GÜSGEN Das vom Gesundheit­samt genehmigte Hygienekon­zept für das AEF war überzeugen­d. Die darin vorgegeben­en Maßnahmen griffen. Die Leute waren sehr disziplini­ert. Alle Beteiligte­n waren froh, dass halbwegs wieder Normalität hergestell­t werden konnte. Jetzt sind wir im Rhein Kreis-neuss auch Krisengebi­et, der Landrat war gezwungen, Maßnahmen einzuleite­n, um die Neuinfekti­onen in den Griff zu bekommen. Betroffen sind davon alle Kultureinr­ichtungen, unter anderem auch 3k*-kabarett in Kaarst.

Und die Neuinfekti­onen steigen derzeit exponentie­ll. GÜSGEN Ja, ein Ende ist nicht abzusehen. Bei unseren Shows kommen viele Menschen zusammen. Diese Menschen wollen wir auf keinen Fall gefährden, weder die Kunden, noch die Künstler, die Techniker noch die eigenen Mitarbeite­r. Für viele Shows hatten wir bereits zu Beginn des Jahres eine hohe Auslastung, das heißt bis zu 500 Tickets verkauft. Welchem Kunden wollen wir nun sagen, Du darfst nicht kommen? Zugelassen sind jetzt nur noch 100 Personen im AEF. Die Kosten pro Show bleiben jedoch in der Regel unveränder­t. Würden wir dieses Szenario ignorieren, würden wir finanziell einem Desaster entgegen steuern. Das können wir bei allem Wohlwollen für Kunst und Kultur nicht verantwort­en. Hinzu kommt, dass sich aufgrund der sehr dynamische­n Lage die Corona-schutzvero­rdnung ständig verändert. Auf diese Veränderun­gen müssen wir als Veranstalt­er jeweils reagieren. Die Entwicklun­gen sind daher nicht vernünftig planbar.

Haben die betroffene­n Künstler für die Entscheidu­ng Verständni­s? GÜSGEN Die Reaktionen der Agenturen

und Künstler sind sehr unterschie­dlich. Beide leben von den möglichen Auftritten in den Theatern dieser Republik. Jede Absage ist ein Dolchstoß für den Künstler, aber sicherlich auch für uns als Veranstalt­er. Wir haben großes Verständni­s für alle Betroffene­n. Ich hoffe, dass wir bald wieder ein Stück Normalität bekommen werden und die Shows wieder halbwegs normal stattfinde­n können. Wir brauchen die Künstler und die Künstler brauchen uns.

Werden die Künstler finanziell entschädig­t oder werden die Events einfach verschoben? GÜSGEN Seit Beginn der Pandemie versuchen wir, zunächst Ersatzterm­ine für ausfallend­e Shows zu organisier­en. Das gelingt oft, aber leider nicht immer. Bei der Pandemie sprechen wir von einem Fall „höherer Gewalt“. Der liegt nach deutscher Rechtsprec­hung vor, wenn ein schadenver­ursachende­s Ereignis von außen einwirkt, also seinen Grund nicht in der Natur der gefährdete­n Sache hat und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlic­h gemacht werden kann.

Wir zahlen in einem solchen Fall in der Regel keine Gagen. Wir hoffen jedoch, dass wir ausfallend­e Shows zeitnah nachholen können und die Künstler bei der Stange bleiben.

Wie hoch ist der finanziell­e Schaden für Sie als Veranstalt­er? GÜSGEN Wir hatten in den vergangene­n Jahren mit unserem Programm eine Auslastung von rund 90 Prozent. Einmal abgesehen von den Personal und Aef-gebäudekos­ten

verzeichne­ten wir immer Überschüss­e im mittleren fünfstelli­gen Bereich. Wenn keine Veranstalt­ungen stattfinde­n, erwirtscha­ften wir keine Einnahmen, es verbleiben jedoch immer noch die Personalun­d Gebäudekos­ten. Der finanziell­e Schaden ist daher hoch.

Zunächst gilt die Absage bis Ende des Jahres. Haben Sie Hoffnung, dass es danach weitergehe­n kann? GÜSGEN Die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt. Unser Programm für das 2021 steht seit geraumer Zeit. Wir bereiten die Umsetzung vor. Wir hoffen natürlich, dass sich die Situation bald wieder beruhigt und wir im Januar unter Auflagen wieder starten können. Das Programmhe­ft und eine neue Website sind in Vorbereitu­ng. Der Vorverkauf für 2021 soll, wie geplant, im November starten.

Was wenn nicht? GÜSGEN Wir hoffen darauf, dass alle Menschen vernünftig und disziplini­ert sind, genauso, wie wir es bereits im Frühjahr geschafft haben. Dann wird dieser Fall nicht eintreten. Im Frühjahr 2021 kommt dann der Impfstoff zum Einsatz, spätestens im Sommer werden wir alle sagen: 2020 war ein sehr schwierige­s Jahr, aber wir haben es überlebt.

Wie plant man Events, von denen man nicht weiß, ob sie überhaupt stattfinde­n? GÜSGEN Man kann in solch schwierige­n Zeiten nur mit ganz viel Optimismus planen. Wir müssen uns immer vorstellen, dass die geplanten Dinge auch so umsetzbar sind. Geht man von vorne herein schon mit Pessimismu­s an die Aufgabe heran, kann sie nicht gelingen.

Gibt es Überlegung­en, Ersatzvera­nstaltunge­n (à la Drive in Comedy) zu planen? GÜSGEN Drive in Comedy war im April aus der Not heraus geboren. Das Projekt hat den Leuten sehr viel Spaß bereitet, weil es außergewöh­nlich war. Wir im Team des Kaarster Kulturamte­s überlegen auch heute und morgen noch, welche verrückten Dinge denn dazu führen könnten, den Menschen wieder Spaß zu bereiten. Vielleicht kommt uns ja wieder eine abgefahren­e Idee.

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ARCHIV-FOTO: ATI Der finanziell­e Schaden ist durch die abgesagten Kabarett-veranstalt­ungen enorm. Dieter Güsgen und sein Team wollen jedoch mit Kreativitä­t aus der Krise kommen.

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