Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das Kokain-problem wird größer
2019 stieg die Zahl der Delikte im Zusammenhang mit der Droge von 3865 auf 4276. NRW ist sowohl Absatzmarkt als auch Transitland. Der Kokainhandel steht im Fokus des LKA. In Düsseldorf stehen 14 Mafia-mitglieder vor Gericht.
DÜSSELDORF Kokainschmuggel ist ein weltweites, milliardenschweres Geschäft. Für 14 Männer, fünf von ihnen der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta zugehörig und allesamt im Rheinland ansässig, könnte es jedoch teuer werden: Sie müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten, weil sie unter anderem mit rund 680 Kilogramm Kokain gehandelt haben. Als logistische Stützpunkte dienten ihnen laut Staatsanwaltschaft Restaurants und Eiscafés. All das passt zum aktuellen Lagebild des Landeskriminalamts (LKA). Demnach ist die Gesamtzahl der Kokaindelikte in NRW erneut um rund zehn Prozent gestiegen – das größte Bundesland ist sowohl Transitzone als auch bedeutender Absatzmarkt für eine der gefährlichsten Drogen weltweit.
Kokain ist ein chemisches Extrakt aus den Blättern des Koka-strauches. Das kristalline Kokain-hydrochlorid wird meist geschnupft, indem das als Linie ausgelegte Pulver mit einem Rohr in die Nasenlöcher eingezogen wird. Neben einer Aktivierung des zentralen Nervenund Herzkreislaufsystems wirkt der Stoff euphorisierend. Es kommt zu einer allgemeinen Antriebs- und Aktivitätssteigerung, zu erhöhter Kontaktfähigkeit und gesteigertem Wohlbefinden.
„In Empfindung eines überdimensionalen Glücksgefühls fühlt sich ein Kokainkonsument stark, groß und effektiv“, sagt Lka-sprecher André Faßbender. Der Konsum geht allerdings mit einem hohen psychischen Abhängigkeitspotenzial einher. Der von den Ermittlern festgestellte Trend zu hohen Wirkstoffgehalten steigert die Gefährlichkeit. Aus den im LKA untersuchten, sichergestellten Kokainproben ist zu erkennen, dass der Wirkstoffgehalt seit 2014 von rund 60 Prozent auf etwa 80 Prozent gestiegen ist. In den vergangenen drei Jahren ist er konstant hoch.
Die Droge wird laut LKA überwiegend aus Brasilien, Ecuador und Kolumbien zwischen legalen Gütern nach Europa geschmuggelt. Die Einfuhr erfolgt per Container über europäische Überseehäfen. Von dort aus wird die Droge in Fahrzeugen auf dem Landweg weitertransportiert. Das Kokain ist für Tätergruppen als Handelsprodukt deshalb besonders attraktiv, weil die Gewinnmarge im Vergleich zu anderen Drogen hoch ist. Die auf dem europäischen Markt zu erzielenden Gewinne betragen laut Faßbender im Großhandel das bis zu Zehnfache der Kosten am Produktionsort Südamerika. Im Kleinhandel vervielfacht sich dieser Wert. Der Straßenpreis für ein Gramm Kokain liegt nach Angaben des LKA bei rund 70 Euro. Laut Interpol und der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht setzt der europäische Drogenmarkt jährlich rund 30 Milliarden Euro um, etwa ein Drittel entfällt auf Heroin.
Im Jahr 2019 stieg die Gesamtzahl der Delikte mit Kokain in NRW von 3865 auf 4276. Der europaweite Trend zu steigenden Fallzahlen im Zusammenhang mit Kokain spiegelt sich laut LKA damit auch hierzulande wieder. Nach Hochrechnungen des Epidemiologischen Suchtsurveys aus dem Jahr 2018 sind bundesweit 41.000 Menschen abhängig von Kokain. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sagte, dass es längst keine „Elitedroge“mehr sei, sondern gesellschaftlich in den verschiedensten Bevölkerungsgruppen verbreitet und entsprechend verfügbar.
Die Ermittlungsarbeit ist laut Faßbender oft anspruchsvoll und langwierig. So gelte es etwa, Schmuggelcontainer im internationalen Warenhandel zu identifizieren oder in abgeschottete Gruppierungen der organisierten Kriminalität einzudringen. Bei den Tätern handle es sich meist um ethnisch abgeschottete Gruppen und kriminelle Vereinigungen, die sich auf dem internationalen Kokainmarkt etabliert haben. Die Polizei ermittelt laut LKA weiterhin konsequent gegen Tatverdächtige. In diesem Zusammenhang sichergestellte Betäubungsmittel würden vom Markt genommen, um das Angebot an gefährlichen Suchstoffen zu reduzieren. 2019 wurden allein durch die Polizei in NRW 84 Kilogramm Kokain sichergestellt. Der Prozess gegen die kalabrische Mafia in Düsseldorf ist zwar laut Experten ein wichtiges Signal im juristischen Kampf gegen die organisierte Kriminalität, aber nur ein kleiner Baustein im Bemühen, den internationalen Kokainhandel trockenzulegen.