Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Stadt plant Streetwork für Wohnungslose
Die Anlaufstelle für Menschen ohne Dach über dem Kopf ist derzeit geschlossen. Diese Menschen weichen daher in die Innenstadt aus. Zum Ärger vieler Anwohnern. Die Stadt reagiert – aber nicht mit den Mitteln der Ordnungspolitik.
NEUSS Das Café Ausblick an der Breite Straße, tagsüber Anlaufstelle für Obdachlose und andere Menschen am Rand der Gesellschaft, muss wegen der Corona-pandemie weiter geschlossen bleiben. Das ist ein Problem für die Betroffenen, von denen etliche zum Beispiel auf den Bänken in der Innenstadt ihre Zeit absitzen – und damit aus Sicht von immer mehr Anwohnern und Geschäftsleuten zum Problem werden.
Zu diesen gehört Daniela Vell-wienen. Fast täglich muss sie inzwischen eine Firma mit Reinigungsarbeiten beauftragen. Für die Stadt, sagt sie, will sie es ja um ihre Immobilie an der Sebastianusstraße herum „ein bisschen schön haben“. Aber eigentlich ärgert sie sich, denn den Aufwand muss sie nach eigenen Angaben betreiben, weil zum Beispiel Obdachlose, die auch schon in größeren Gruppen auf
„Gegen ungepflegt auf einer Bank sitzen gibt es kein Gesetz“
Holger Lachmann Ordnungsdezernent der Bank gegenüber dem „Schwatte Päd“gesichtet wurden, in der Passage von der Sebastianusstraße Richtung Brandgasse oder in den Beeten ringsum ihre Notdurft verrichten. Auch Spritzen seien dort schon gefunden worden, ergänzt Michael Ritters, Optiker an der Sebastianusstraße. Er spricht auch von Beschwerden aus der benachbarten Bäckerei Busch, deren Kunden sich daran stoßen, wenn Nichtsesshafte auf der Bank Alkohol konsumieren oder sogar dort ihren Rausch ausschlafen. „Das geht alles gar nicht“, sagt Ritters, der sich auch schon an die zuständige Stadtverordnete und das Ordnungsamt der Stadt gewandt hat. Doch die hätte geäußert, ordnungsbehördlich nicht gegen diese Menschen vorgehen zu können.
„Gegen ungepflegt auf einer Bank sitzen gibt es kein Gesetz“, stellt Ordnungsdezernent Holger Lachmann klar. Die Stadt sei ein öffentlicher Raum, in dem sich jeder aufhalten darf. Wildpinkeln allerdings würde geahndet – wenn man solche Täter erwischt oder das angezeigt wird. Sein Rat: Immer den Kommunalen Service- und Ordnungsdienst benachrichtigen.
Im Café Ausblick hat Werner Hein, Fachbereichsleiter der Caritas, noch nichts von Beschwerden über sein Klientel gehört. Aber er weiß, wie schwierig deren Lage ist. Die Sprechstunde für Ratsuchende immerhin kann er weiter offen halten – auch Anmeldung. Das werde gut angenommen, weil ja auch Behörden wie Sozialamt oder Jobcenter nur eingeschränkt erreichbar sind. Tagsüber stehen den Wohnungslosen die Notschlafstellen etwa am Derendorfweg offen, die bislang nur für die Nacht aufgesucht werden durften. „Dass sie beheimatet sind, macht in der Pandemie Sinn“, sagt Hein. Aber nur in der Einrichtung zu bleiben, ist offenbar vielen zu öde.
„Jeder ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes frei“, sagt Sozialdezernent Ralf Hörsken und fügt hinzu: Der Genuss von Alkohol in der Öffentlichkeit ist in
Neuss ebenso wenig verboten wie betteln – solang dies nicht aggressiv geschieht. Aber das war noch nicht der Fall, bestätigen auch die Beschwerdeführer von der Sebastianusstraße.
Dass es ein Problem gibt, sagt auch Hörsken, aber er sieht definiert dieses anders: „Es fehlt eine mobile Betreuung dieser Gruppe“, also eine Art Streetworker für Menschen zwischen 18 und 65. Das sei in fast allen Städte nicht gut genug ausgebaut, sagt Hörsken. Mit dem neuen Rat will er nun als erstes über den Aufbau einer aufsuchenden Sozialarbeit für Erwachsene diskutieren.