Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stadt plant Streetwork für Wohnungslo­se

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Die Anlaufstel­le für Menschen ohne Dach über dem Kopf ist derzeit geschlosse­n. Diese Menschen weichen daher in die Innenstadt aus. Zum Ärger vieler Anwohnern. Die Stadt reagiert – aber nicht mit den Mitteln der Ordnungspo­litik.

NEUSS Das Café Ausblick an der Breite Straße, tagsüber Anlaufstel­le für Obdachlose und andere Menschen am Rand der Gesellscha­ft, muss wegen der Corona-pandemie weiter geschlosse­n bleiben. Das ist ein Problem für die Betroffene­n, von denen etliche zum Beispiel auf den Bänken in der Innenstadt ihre Zeit absitzen – und damit aus Sicht von immer mehr Anwohnern und Geschäftsl­euten zum Problem werden.

Zu diesen gehört Daniela Vell-wienen. Fast täglich muss sie inzwischen eine Firma mit Reinigungs­arbeiten beauftrage­n. Für die Stadt, sagt sie, will sie es ja um ihre Immobilie an der Sebastianu­sstraße herum „ein bisschen schön haben“. Aber eigentlich ärgert sie sich, denn den Aufwand muss sie nach eigenen Angaben betreiben, weil zum Beispiel Obdachlose, die auch schon in größeren Gruppen auf

„Gegen ungepflegt auf einer Bank sitzen gibt es kein Gesetz“

Holger Lachmann Ordnungsde­zernent der Bank gegenüber dem „Schwatte Päd“gesichtet wurden, in der Passage von der Sebastianu­sstraße Richtung Brandgasse oder in den Beeten ringsum ihre Notdurft verrichten. Auch Spritzen seien dort schon gefunden worden, ergänzt Michael Ritters, Optiker an der Sebastianu­sstraße. Er spricht auch von Beschwerde­n aus der benachbart­en Bäckerei Busch, deren Kunden sich daran stoßen, wenn Nichtsessh­afte auf der Bank Alkohol konsumiere­n oder sogar dort ihren Rausch ausschlafe­n. „Das geht alles gar nicht“, sagt Ritters, der sich auch schon an die zuständige Stadtveror­dnete und das Ordnungsam­t der Stadt gewandt hat. Doch die hätte geäußert, ordnungsbe­hördlich nicht gegen diese Menschen vorgehen zu können.

„Gegen ungepflegt auf einer Bank sitzen gibt es kein Gesetz“, stellt Ordnungsde­zernent Holger Lachmann klar. Die Stadt sei ein öffentlich­er Raum, in dem sich jeder aufhalten darf. Wildpinkel­n allerdings würde geahndet – wenn man solche Täter erwischt oder das angezeigt wird. Sein Rat: Immer den Kommunalen Service- und Ordnungsdi­enst benachrich­tigen.

Im Café Ausblick hat Werner Hein, Fachbereic­hsleiter der Caritas, noch nichts von Beschwerde­n über sein Klientel gehört. Aber er weiß, wie schwierig deren Lage ist. Die Sprechstun­de für Ratsuchend­e immerhin kann er weiter offen halten – auch Anmeldung. Das werde gut angenommen, weil ja auch Behörden wie Sozialamt oder Jobcenter nur eingeschrä­nkt erreichbar sind. Tagsüber stehen den Wohnungslo­sen die Notschlafs­tellen etwa am Derendorfw­eg offen, die bislang nur für die Nacht aufgesucht werden durften. „Dass sie beheimatet sind, macht in der Pandemie Sinn“, sagt Hein. Aber nur in der Einrichtun­g zu bleiben, ist offenbar vielen zu öde.

„Jeder ist in der Wahl seines Aufenthalt­sortes frei“, sagt Sozialdeze­rnent Ralf Hörsken und fügt hinzu: Der Genuss von Alkohol in der Öffentlich­keit ist in

Neuss ebenso wenig verboten wie betteln – solang dies nicht aggressiv geschieht. Aber das war noch nicht der Fall, bestätigen auch die Beschwerde­führer von der Sebastianu­sstraße.

Dass es ein Problem gibt, sagt auch Hörsken, aber er sieht definiert dieses anders: „Es fehlt eine mobile Betreuung dieser Gruppe“, also eine Art Streetwork­er für Menschen zwischen 18 und 65. Das sei in fast allen Städte nicht gut genug ausgebaut, sagt Hörsken. Mit dem neuen Rat will er nun als erstes über den Aufbau einer aufsuchend­en Sozialarbe­it für Erwachsene diskutiere­n.

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE In der Stadt sind vermehrt Wohnungslo­se zu sehen. Ein Grund dafür ist, dass das Café Ausblick der Caritas, sonst tagsüber Anlaufstel­le für diese Menschen, derzeit geschlosse­n bleiben muss.

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