Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neuer Stadtrat mit alten Mehrheiten

- VON MARC LATSCH

ANALYSE Durch die Kommunalwa­hl hat sich die Zusammense­tzung des Korschenbr­oicher Stadtrats deutlich verändert. Politisch wird trotzdem vieles beim Alten bleiben. Warum das bedauerlic­h und vielleicht dennoch sinnvoll ist.

KORSCHENBR­OICH Sechs Wochen ist es her, dass die Korschenbr­oicher einen neuen Stadtrat und einen alten Bürgermeis­ter gewählt haben. Am Wahlabend wurde gefeiert, getrauert, gelacht und vielleicht an mancher Stelle auch geweint. Danach verlagerte sich die Politik aus dem Wahlkampf-vordergrun­d in den Hintergrun­d. Bis zu dieser Woche.

Mit der voraussich­tlichen Entscheidu­ng von CDU und SPD, weiter gemeinsam die Mehrheit im Stadtrat zu stellen, wird am Montagaben­d die Zwischenze­it enden. Zumindest in der Stadtratsm­ehrheit spiegelt sich dann das deutlich veränderte Wahlverhal­ten der Korschenbr­oicher nicht wieder. Statt 29 sind es künftig eben 26 Ratsmitgli­eder, die die Richtung in der Korschenbr­oicher Kommunalpo­litik vorgeben werden.

Der Glaube, dass sich im Stadtrat etwas grundlegen­d ändern könnte, hielt allenfalls einen Abend an. Eben jenen des 13. Septembers. Da sprach der Spd-vorsitzend­e Udo Bartsch kurz nach der empfindlic­hen Niederlage seiner Partei davon, dass CDU (46 Prozent) und Grüne (22 Prozent) nun in der Verantwort­ung seien. Die SPD sei hingegen als nur noch drittstärk­ste Kraft mit 15,5 Prozent Stimmantei­l nicht mehr in der Position, Ansprüche zu stellen.

Warum also keine schwarz-grüne Mehrheit? Ganz einfach, weder CDU noch Grüne hatten wirkliches Interesse an einer solchen Konstellat­ion. Die Grünen fühlen sich in ihrer Rolle als starke Opposition deutlich wohler, als mit einer neu zusammenge­stellten Fraktion gleich Verantwort­ung übernehmen zu müssen. Die CDU hatte bei der Wahl die Erfahrung

gemacht, dass nur die SPD an Stimmen verlor, sie selbst nicht. Inhaltlich­e Konflikte gab es kaum. Warum also die „Pferde wechseln“, wie Bürgermeis­ter Marc Venten es zuletzt formuliert­e? Die Befürchtun­g, dass sich die SPD wirklich verschließ­en würde, war schon am Wahlabend bei der CDU kaum vorhanden. Nur drei Tage später legte sich Cdu-fraktionsc­hef Thomas Siegers offiziell auf den Wunschpart­ner SPD fest. Eine Alternativ­e wurde nie wirklich diskutiert.

Was wird sich also in der Korschenbr­oicher Kommunalpo­litik ändern? Wer bedenkt, wie sehr zwei Grüne in den Monaten vor der Wahl die Debatten in Rat und Ausschüsse­n prägten, dürfte bei neun mit noch mehr Unruhe rechnen. Vielleicht führt der Erfolg der Partei auch dazu, der Kooperatio­nsvereinba­rung von CDU und SPD noch ein wenig mehr eine grüne Note zu verleihen. Aber praktisch wird sich nicht viel ändern.

Das zeigt sich schon an den Personalie­n.

Nicht nur die Mehrheiten, auch die Mehrheitsb­eschaffer bleiben gleich. Das mag bei Cdu-fraktionsc­hef Thomas Siegers nicht verwundern. Doch die Schnelligk­eit, mit der Spd-fraktionsc­hef Albert Richter trotz des desaströse­n Wahlergebn­isses seiner Partei schon wenige Tage später an der neuen, alten Mehrheit schraubte, war schon überrasche­nd.

Die Grünen versuchten sich zumindest an einer personelle­n Veränderun­g. Birgit Wollbold, die Rats-spitzenkan­didatin, sollte stellvertr­etende Bürgermeis­terin werden. Dass die zweitstärk­ste Fraktion einen dieser Posten erhalte, sei auch in der Vergangenh­eit die Regel gewesen, betonte Ortsverban­d-sprecher Joerg Utecht rund eine Woche nach der Wahl. Eine erste Machtprobe, die wohl verloren geht. Durch die Cdu-spd-einigung dürfte sich auch an der Stellverte­ter-verteilung nichts ändern. Die Grünen, so klingt es durch, dürften allenfalls mit Ausschuss-posten abgespeist werden.

Nun kann und sollte man all das aus demokratie­theoretisc­her Sicht bedauerlic­h finden. Dass die SPD trotz ihrer Verluste mit altem Personal die alte Konstellat­ion fortsetzt. Dass die Grünen trotz ihrer Gewinne zunächst keine gestalteri­sche Macht erhalten. Vielleicht ist es aber in der aktuellen Zeit dennoch genau das Richtige. 2020 könnte der falsche Zeitpunkt sein, um die Pferde zu wechseln. Bis zum Jahresende sollen nur unbedingt notwendige Gremiensit­zungen stattfinde­n, der Corona-haushalt wird zur Mammut-aufgabe. Selten waren Erfahrung und gegenseiti­ges Vertrauen der Mehrheitsf­raktionen wichtiger. Über beides scheinen CDU und SPD zu verfügen. Vielleicht braucht es gerade vor allem das.

 ?? ARCHIV-FOTO: DENISE BRENNEIS ?? Die CDU konnte sich am Wahlabend bereits über die Wiederwahl ihres Bürgermeis­ters Marc Venten freuen. Sechs Wochen später deutet sich auch die Fortführun­g ihrer Ratsmehrhe­it mit der SPD an.
ARCHIV-FOTO: DENISE BRENNEIS Die CDU konnte sich am Wahlabend bereits über die Wiederwahl ihres Bürgermeis­ters Marc Venten freuen. Sechs Wochen später deutet sich auch die Fortführun­g ihrer Ratsmehrhe­it mit der SPD an.

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