Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Neuer Stadtrat mit alten Mehrheiten
ANALYSE Durch die Kommunalwahl hat sich die Zusammensetzung des Korschenbroicher Stadtrats deutlich verändert. Politisch wird trotzdem vieles beim Alten bleiben. Warum das bedauerlich und vielleicht dennoch sinnvoll ist.
KORSCHENBROICH Sechs Wochen ist es her, dass die Korschenbroicher einen neuen Stadtrat und einen alten Bürgermeister gewählt haben. Am Wahlabend wurde gefeiert, getrauert, gelacht und vielleicht an mancher Stelle auch geweint. Danach verlagerte sich die Politik aus dem Wahlkampf-vordergrund in den Hintergrund. Bis zu dieser Woche.
Mit der voraussichtlichen Entscheidung von CDU und SPD, weiter gemeinsam die Mehrheit im Stadtrat zu stellen, wird am Montagabend die Zwischenzeit enden. Zumindest in der Stadtratsmehrheit spiegelt sich dann das deutlich veränderte Wahlverhalten der Korschenbroicher nicht wieder. Statt 29 sind es künftig eben 26 Ratsmitglieder, die die Richtung in der Korschenbroicher Kommunalpolitik vorgeben werden.
Der Glaube, dass sich im Stadtrat etwas grundlegend ändern könnte, hielt allenfalls einen Abend an. Eben jenen des 13. Septembers. Da sprach der Spd-vorsitzende Udo Bartsch kurz nach der empfindlichen Niederlage seiner Partei davon, dass CDU (46 Prozent) und Grüne (22 Prozent) nun in der Verantwortung seien. Die SPD sei hingegen als nur noch drittstärkste Kraft mit 15,5 Prozent Stimmanteil nicht mehr in der Position, Ansprüche zu stellen.
Warum also keine schwarz-grüne Mehrheit? Ganz einfach, weder CDU noch Grüne hatten wirkliches Interesse an einer solchen Konstellation. Die Grünen fühlen sich in ihrer Rolle als starke Opposition deutlich wohler, als mit einer neu zusammengestellten Fraktion gleich Verantwortung übernehmen zu müssen. Die CDU hatte bei der Wahl die Erfahrung
gemacht, dass nur die SPD an Stimmen verlor, sie selbst nicht. Inhaltliche Konflikte gab es kaum. Warum also die „Pferde wechseln“, wie Bürgermeister Marc Venten es zuletzt formulierte? Die Befürchtung, dass sich die SPD wirklich verschließen würde, war schon am Wahlabend bei der CDU kaum vorhanden. Nur drei Tage später legte sich Cdu-fraktionschef Thomas Siegers offiziell auf den Wunschpartner SPD fest. Eine Alternative wurde nie wirklich diskutiert.
Was wird sich also in der Korschenbroicher Kommunalpolitik ändern? Wer bedenkt, wie sehr zwei Grüne in den Monaten vor der Wahl die Debatten in Rat und Ausschüssen prägten, dürfte bei neun mit noch mehr Unruhe rechnen. Vielleicht führt der Erfolg der Partei auch dazu, der Kooperationsvereinbarung von CDU und SPD noch ein wenig mehr eine grüne Note zu verleihen. Aber praktisch wird sich nicht viel ändern.
Das zeigt sich schon an den Personalien.
Nicht nur die Mehrheiten, auch die Mehrheitsbeschaffer bleiben gleich. Das mag bei Cdu-fraktionschef Thomas Siegers nicht verwundern. Doch die Schnelligkeit, mit der Spd-fraktionschef Albert Richter trotz des desaströsen Wahlergebnisses seiner Partei schon wenige Tage später an der neuen, alten Mehrheit schraubte, war schon überraschend.
Die Grünen versuchten sich zumindest an einer personellen Veränderung. Birgit Wollbold, die Rats-spitzenkandidatin, sollte stellvertretende Bürgermeisterin werden. Dass die zweitstärkste Fraktion einen dieser Posten erhalte, sei auch in der Vergangenheit die Regel gewesen, betonte Ortsverband-sprecher Joerg Utecht rund eine Woche nach der Wahl. Eine erste Machtprobe, die wohl verloren geht. Durch die Cdu-spd-einigung dürfte sich auch an der Stellverteter-verteilung nichts ändern. Die Grünen, so klingt es durch, dürften allenfalls mit Ausschuss-posten abgespeist werden.
Nun kann und sollte man all das aus demokratietheoretischer Sicht bedauerlich finden. Dass die SPD trotz ihrer Verluste mit altem Personal die alte Konstellation fortsetzt. Dass die Grünen trotz ihrer Gewinne zunächst keine gestalterische Macht erhalten. Vielleicht ist es aber in der aktuellen Zeit dennoch genau das Richtige. 2020 könnte der falsche Zeitpunkt sein, um die Pferde zu wechseln. Bis zum Jahresende sollen nur unbedingt notwendige Gremiensitzungen stattfinden, der Corona-haushalt wird zur Mammut-aufgabe. Selten waren Erfahrung und gegenseitiges Vertrauen der Mehrheitsfraktionen wichtiger. Über beides scheinen CDU und SPD zu verfügen. Vielleicht braucht es gerade vor allem das.