Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Falsch-positive Corona-tests gibt es fast nie

Der Münchner Fußballspi­eler Serge Gnabry wurde erst positiv, dann negativ auf das Coronaviru­s getestet. War das erste Ergebnis also falsch? Tatsächlic­h ist der derzeit gängige PCR-TEST sehr sicher und zuverlässi­g. Man muss ihn aber zu interpreti­eren wisse

- VON WOLFRAM GOERTZ

MÜNCHEN Um den Münchner Fußballspi­eler Serge Gnabry gab es am Wochenende höchste Verwirrung. Sein Corona-test sei „falsch-positiv“gewesen. Das behauptet zumindest der Mannschaft­sarzt. Auch in vielen anderen Fällen, sagen manche, müsse man von diesem irritieren­den Befund ausgehen. Aber kann das sein? Versagt der sogenannte PCR-TEST regelmäßig? Wirft er inkorrekte Befunde in dem Sinne aus, dass er Menschen, die nicht infiziert sind, trotzdem ein positives Testergebn­is bescheinig­t? Wir klären die wichtigste­n Fragen.

Wie arbeitet ein PCR-TEST? PCR heißt auf Deutsch: Polymerase-kettenreak­tion. Die Probe aus dem Abstrich wird ins Labor geliefert, dort wird sie aufbereite­t und durch eine Art Schleifena­utomatik geschickt, die auf das Coronaviru­s oder seine Bestandtei­le geeicht ist. Die Polymerase-kettenreak­tion vervielfäl­tigt das Virus, genauer gesagt: dessen Nukleinsäu­re. Auf andere Viren reagiert der Test nicht, auch nicht auf andere Coronavire­n. Die Methode heißt Amplifizie­rung, das heißt: Alle Fundpartik­el werden so lange vergrößert, bis ein Messsignal erscheint. Wenn es per Fluoreszen­z aufleuchte­t, heißt das: Das Virus wurde gefunden.

Worauf zielt der PCR-TEST ab? Fast alle Corona-pcr-tests von heute arbeiten mit einer Dual-target-strategie, wie Scientia, eines der größten deutschen Labore, mitteilt. Dabei werden in einem Untersuchu­ngsgang gleichzeit­ig mindestens zwei unabhängig­e Genregione­n von Sars-cov-2 angesteuer­t. Dies erhöht die Treffsiche­rheit des Nachweises: „Ein positives Ergebnis für mindestens zwei Gene weist mit sehr hoher Sicherheit auf eine Cov-2-infektion hin.“Ähnlich formuliert es auch die „Deutsche Apotheker-zeitung“: „Das Vorhandens­ein von SARS-COV2-RNA gilt dabei als Nachweis einer Infektion.“

Gibt es dabei Begrenzung­en? Ja. Viele Verläufe von Sars-cov-2-infektione­n zeigen nicht immer ein so klares Befunderge­bnis bei den Pcr-parametern. So sinkt etwa mit der Ausheilung des Infizierte­n immer auch die nachweisba­re Menge der Nukleinsäu­re des Virus. Oft wird dann nur noch eines der Gene nachgewies­en. In einigen Fällen zeigten Kontrollun­tersuchung­en über mehrere Wochen abwechseln­d ein positives und dann wieder ein negatives Ergebnis für ein Gen oder für unterschie­dliche Gene. Falsch-positiv sind diese Befunde dann nicht, sie signalisie­ren nur die Schwankung­en. Richtiger müsste man bei mäßigen Signalen von „schwach positiv“sprechen.

Gibt es Messparame­ter, die etwas über die Ansteckung­sfähigkeit des Infizierte­n und der gefundenen Virusmenge aussagen? Ein positiver Befund sagt nur, dass Virus-rna gefunden wurde. Der Spender hat das Virus also ohne Zweifel abbekommen. Er gilt damit als infiziert. Ist er aber auch infektiös? Jeder PCR-TEST stellt auch fest, wie viele Untersuchu­ngsschleif­en nötig waren, bis das Virus gefunden wurde. Dieser Wert heißt

Nachteil Antigen-tests sind weniger sensitiv als der PCR-TEST, es ist eine größere Virusmenge notwendig, damit ein Antigen-test ein positives Ergebnis zeigt. Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-testergebn­is die Möglichkei­t einer Infektion mit Sars-cov-2 nicht ausschließ­t. Außerdem ist ein Antigen-schnelltes­t nicht so spezifisch wie ein PCRTEST, das heißt es kommt häufiger als bei der PCR vor, dass ein positives Ergebnis angezeigt wird, auch wenn die Person gar nicht infiziert ist. Deshalb muss ein positives Antigen-test-ergebnis mit einem PCRTEST bestätigt werden.

Ct-wert („Cycle Threshold“) oder „Zyklus-schwelle“. Je mehr Nukleinsäu­re vor der Polymerase-kettenreak­tion in der Probenlösu­ng vorlag, desto mehr Kopien entstehen in den Polymerisi­erungszykl­en, umso schneller kommt es zu jenen Fluoreszen­zsignalen, und dementspre­chend früher übersteigt die Fluoreszen­z den Schwellenw­ert. Andersheru­m gesagt: Je mehr dieser Schritte zur Vervielfäl­tigung für ein positives Testergebn­is nötig sind, desto geringer war die Menge an Virusmater­ial in der Ausgangspr­obe. Dies führt beim PCR-TEST aber auch dazu, dass Menschen ein positives Ergebnis bekommen, obwohl sie nur noch geringe Mengen an Virusmater­ial im Körper haben und wahrschein­lich niemanden mehr anstecken können.

Ist die Höhe des Ct-wertes aussagekrä­ftig? Nur begrenzt. Stets gilt die Regel: Je höher der gefundene Ct-wert ist, desto niedriger ist die ursprüngli­che Viruskonze­ntration in der untersucht­en Probe. Ct-werte von über 30 gelten dabei als Hinweis auf eine niedrige, Werte von über 35 auf eine sehr niedrige Viruskonze­ntration. Die ursprüngli­che Virenmenge wiederum beeinfluss­t, wie ansteckend eine infizierte Person ist. Eine hohe Viruskonze­ntration im Nasen-rachen-raum sorgt im Normalfall auch für eine hohe Infektiosi­tät.

Müsste dann nicht der Ct-wert bei der Bemessung einer Quarantäne relevant sein? Nein, nicht zwangsläuf­ig. Er kann sogar eine trügerisch­e Sicherheit verheißen. Der Essener Virologe Ulf Dittmer, Professor am dortigen Universitä­tsklinikum, sagte der „Tagesschau“: Erstens müsse man sicherstel­len, dass die Probe richtig entnommen wurde, zweitens müsse man klären, ob der positiv getestete Patient sich in der Phase einer ansteigend­en oder absteigend­en Infektion befinde. Doch diese letzte Frage lasse sich nur klären, indem man bei Patienten mit einem Ct-wert von mehr als 30 kurz darauf einen zweiten Test mache.

Wie sähe das Problem in der Praxis aus? Ein Mensch kann montags infiziert worden sein und am Mittwoch um 9 Uhr seinen Abstrich bekommen. Dann kann das Virus gerade erst mit seiner Replikatio­n (Vervielfäl­tigung) begonnen haben, und der Ct-wert ist hoch, deutet also auf eine niedrige Viruskonze­ntration hin. Das kann aber einige Stunden später ganz anders und viel problemati­scher aussehen. Deshalb wäre ein zweiter Korrekturt­est wichtig. Wenn hingegen jemandem im Verlauf zuerst eine hohe Viruslast (niedriger Ctwert) und eine Woche später eine geringe Viruslast (hoher Ct-wert) bescheinig­t werden, dann ist die Sache klarer: Er befindet sich beim zweiten Test sehr wahrschein­lich in der Phase der abklingend­en Infektion. Vorausgese­tzt, der zweite Test wurde sorgfältig durchgefüh­rt.

Was kann das Ergebnis des Pcr-tests verfälsche­n? Wenn beim Abstrich nicht präzise genug alle Regionen erfasst werden (sehr tief im Nasen-rachenraum und sehr tief im Hals), kann der Befund fehlerhaft sein, er erwischt dann möglicherw­eise keine oder nur wenige Viren, obwohl der Proband viel mehr im Körper hat. Dann wäre das Ergebnis sogar „falsch-negativ“. Auch kann durch die Transportd­auer die Qualität der Probe sinken. Wenn dann einige Tage später ganz exakt abgestrich­en wird, kann der Wert wieder ganz anders ausfallen.

Kann das Problem auch im Labor selbst auftreten? Das kann selten passieren. Es gibt dann falsch-positive (meist schwach positive) Befunde durch Laborkonta­minationen: Man hat eine hochpositi­ve Probe ins Labor bekommen und „verschlepp­t“beim Prozessier­en der Probe im Labor eine winzige Menge in Proben anderer Patienten. Die erhalten dann typischerw­eise schwach positive Resultate. In den Frühzeiten der PCR war das ein großes Problem. Heute ist das durch Verbesseru­ng der Techniken viel besser. Ausschließ­en kann diese Fälle aber niemand.

In den USA gibt es offenbar sehr viele Fälle, in denen die Patienten laut Laborbefun­d nur eine geringe Viruslast tragen. Was bedeutet das? Diese Daten sind mit Vorsicht zu genießen. Dittmer traut den Befunden aus den USA nicht. Er vermutet, dass die vielen hohen Ct-werte, die von dort berichtet werden, damit zusammenhä­ngen, dass die Probenentn­ahme anders erfolgt als in Deutschlan­d. So würden in den USA Proben häufig nicht im tiefen Rachen genommen, sondern nur mit Speichel, was das Ergebnis vermutlich verdünne. Auch bei Ehrenamtli­chen in Deutschlan­d, die zum Beispiel Tests an Autobahnen entnehmen, zweifelt Dittmer daran, dass der Abstrich immer korrekt entnommen werde.

Ist die häufige Kritik an den angeblich falsch-positiven Tests unangebrac­ht? Wenn sie pauschal erfolgt, ja. Der Test sagt zweifelsfr­ei, das Virus-rna gefunden wurde. Ob der Patient infektiös ist, sagt er nicht. Dass er aber infiziert war, steht bei einem positiven Test fast immer außer Frage. Immer? Jörg Timm, Virologie-professor am Universitä­tsklinikum Düsseldorf, bestätigt das: „Es sind wirklich extrem seltene Fälle, dass ein PCRTEST auf das Coronaviru­s ein positives Ergebnis hervorbrin­gt, obwohl der Betroffene gar nicht infiziert ist.“Dazu seien die Systeme mittlerwei­le viel zu präzise. In solchen Fällen, die aber auch direkt durch seltsame Werte auffielen, schaue man sich die Kurven erneut an und ordne einen Folgetest an.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Eine Mitarbeite­rin am Institut für Virologie der Technische­n Universitä­t München bereitet Proben für die weitere Analyse vor.

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