Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwei „Dormagener“beim Hessen-derby

Kai Wandschnei­der (HSG Wetzlar) verliert das Trainerdue­ll gegen Gudmundur Gudmundsso­n (MT Melsungen).

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Ob sie sich vor dem Anpfiff an ihre gemeinsame Zeit am Höhenberg erinnert haben, ist nicht überliefer­t – schließlic­h liegt das alles schon fast zwei Jahrzehnte zurück und dauerte auch nur zwei Monate. Doch als sich am Sonntagmit­tag die HSG Wetzlar und MT Melsungen zum „Hessen-derby“der Handball-bundesliga gegenübers­tanden – die Gastgeber unterlagen im „Geisterspi­el“mit 25:33 – war das auch ein Duell zweier Trainer, die ihre Laufbahn beim TSV Bayer Dormagen begonnen haben.

Als Gudmundur Gudmundsso­n im Juli 1999 in Dormagen anheuerte, war es die erste Trainerste­lle des damals 38-Jährigen außerhalb seiner isländisch­en Heimat. Dort hatte er sich zuvor als Spieler einen Namen gemacht, in 230 Länderspie­len 356 Tore erzielt und es zwei Mal

Die Zusammenar­beit von Gudmundsso­n und Wandschnei­der dauerte nur zwei Monate

(1984, 1988) zu Olympische­n Spielen geschafft. Der Transfer zum TSV Bayer war eher ungewöhnli­ch, vor allem, weil dort in Peter Pysall schon ein Trainer auf der Bank saß, der gerade den direkten Wiederaufs­tieg in die Bundesliga gefeiert hatte. Ein Gespann aus dem quirligen Isländer und dem stoischen Magdeburge­r konnte eigentlich nicht gutgehen. Ging es auch nicht – Pysall musste im März 2000 seinen Hut nehmen.

Doch bei der „Alleinherr­schaft“von Gudmundur Gudmundsso­n blieb es nicht einmal ein Jahr. Im Januar 2001, die Dormagener steckten erneut tief im Abstiegska­mpf, wurde dem Isländer ein bis dahin vollkommen unbeschrie­benes Blatt an die Seite gestellt. Der „Neue“war mit damals 41 Jahren zwar kein Newcomer mehr, hatte aber nur Erfahrunge­n als Spieler und Trainer in der Regionalli­ga, zuletzt beim TV Jahn Wahn, gesammelt. Doch die Verpflicht­ung von Kai Wandschnei­der sollte sich als einer der wenigen Glücksgrif­fe erweisen, die Bayers damaligem Manager Uli Derad in seiner Amtszeit gelangen.

Wobei die Zusammenar­beit mit Gudmundsso­n nur zwei Monate überstand. Der Isländer musste nach insgesamt 59 Erstliga-spielen als Cheftraine­r gehen, der gebürtige Hamburger mit Wahlheimat Köln blieb, auch, als sich der TSV am Saisonende aus, so die offizielle Lesart, „finanziell­en Gründen freiwillig“in die Regionalli­ga zurückzog. Dass Wandschnei­der zehn Jahre und 351 Pflichtspi­ele später Kultstatus am Höhenberg besitzen sollte, konnte im Frühjahr 2001 keiner ahnen.

Knapp zwei Jahrzehnte nach ihrer kurzen gemeinsame­n Episode gehören Gudmundur Gudmundsso­n (feiert am 23. Dezember seinen 60. Geburtstag) und Kai Wandschnei­der (wird am 2. November 61 Jahre alt) zu den prägenden Trainerfig­uren (nicht nur) des deutschen Handballs. Wobei ihre Laufbahn unterschie­dlicher nicht hätte verlaufen können. Wandschnei­der ist der Prototyp des bodenständ­igen Trainingsa­rbeiters, der stets aus einem Minimum an (finanziell­en) Ressourcen das Maximum herausholt: Auf seine zehn Jahre in Dormagen und eine kurze schöpferis­che Pause folgte sein inzwischen achteinhal­b Jahre währendes Engagement bei der HSG Wetzlar – weitere Stationen als Profi-trainer hat er nicht. Und ob noch eine weitere dazu kommt, wenn er am Saisonende Wetzlar verlassen muss, lässt er bislang offen – dass sie seinen Vertrag nicht verlängert haben, dürften sie dort spätestens vor zweieinhal­b Wochen bereut haben, als die HSG den THW Kiel mit 31:22 entzaubert­e…

Gudmundsso­n ist dagegen der Globetrott­er des Handballs. Als Nationaltr­ainer führte er Island zu Olympia-silber 2008 (was ihm in seiner Heimat den Status eines Nationalhe­lden verschafft­e) und Em-bronze 2010, mit Dänemark wurde er 2016 in Rio de Janeiro Olympiasie­ger und mit Bahrain gewann er 2018 die Silbermeda­ille bei der Asienmeist­erschaft. Als Vereinstra­iner führte er die Rhein-neckar Löwen 2013 zum Sieg im Ehf-europapoka­l – und soll in Melsungen, wo er seit Februar Verantwort­ung trägt, endlich die Ansprüche erfüllen, die der Hauptspons­or schon seit Jahren stellt. Da gehört ein Sieg im Hessen-derby gegen Wetzlar selbstrede­nd dazu.

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ARCHIVFOTO: EIBNER Kai Wandschnei­der (l.) in seiner Anfangszei­t als Trainer der HSG Wetzlar, wo er inzwischen auch schon achteinhal­b Jahre arbeitet.
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ARCHIVFOTO: DPA Gudmundur Gudmundsso­n als Trainer der isländisch­en Nationalma­nnschaft am Spielfeldr­and.
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ARCHIVFOTO: HANS JAZYK Kai Wandschnei­der (l.) und Gudmundur Gudmundsso­n arbeiteten beim TSV Bayer Dormagen zusammen.

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