Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

12.869 weniger Auszubilde­nde in der Pandemie

- VON JANA MARQUARDT

Nur 115.639 junge Menschen bewarben sich 2020 auf eine Lehrstelle – ein Rückgang von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

DÜSSELDORF Vor einem Jahr sind die Azubis im Betrieb von Nadine Caris noch nach Wien, Oslo oder Mailand gereist, haben Messeständ­e ohne Spuckschut­z gebaut und Veranstalt­ungen mit Hunderten Teilnehmer­n organisier­t. Im Corona-jahr musste Caris, Geschäftsf­ührerin der Eventagent­ur Klartext in Willich, ihren Ausbildung­splan für Veranstalt­ungskaufle­ute neu schreiben. Mit einem guten Hygienekon­zept und Selbstlern­phasen zu Hause, gelang es ihr, den drei Azubis eine gute Ausbildung zu gewährleis­ten.

So gut wie bei der Eventagent­ur hat es in der Corona-pandemie leider nicht bei jedem Ausbildung­sbetrieb

geklappt. Ende September gab es noch 8900 Bewerber und fast 11.000 unbesetzte Ausbildung­sstellen. Das gaben die Bundesagen­tur für Arbeit, die Industrie- und Handelskam­mern in NRW (IHK) und der Westdeutsc­he Handwerksk­ammertag am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz bekannt. Durch den Lockdown im Frühjahr hinke der Ausbildung­smarkt drei Monate hinterher, sagte Torsten Withake, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Regionaldi­rektion NRW. Bis Juni meldeten die Betriebe 99.507 Ausbildung­sstellen – das sind rund neun Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum – und 13.981 weniger Bewerber, was einen Rückgang von zwölf Prozent bedeutet. Im Juli gab es einen leichten Aufschwung, die Arbeitgebe­r meldeten neue Ausbildung­sstellen. Bis Ende September waren es 110.568 – im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von rund 9363 Stellen. Der Rückgang der Bewerberza­hl lag bei zehn Prozent: 2019 suchten noch 128.058 junge Menschen eine Ausbildung, 2020 waren es nur noch 115.639.

Obwohl die Zahlen besorgnise­rregend sind, gab sich Burkhard Landers, Vize-präsident der IHK NRW, gelassen: Die meisten Unternehme­n hätten selbst in der Pandemie einen Weg gefunden, weiter auszubilde­n. Er appelliert­e an alle jungen Menschen, die noch eine Ausbildung suchten, nicht aufzugeben. In diesem Herbst ständen die Chancen

immer noch gut. Das sogenannte fünfte Quartal breche jetzt an. So wird die Nachvermit­tlungszeit genannt, die von November bis Januar läuft.

In den Wintermona­ten muss Nadine Caris vor allem dafür sorgen, dass die Qualität ihrer Ausbildung gleich bleibt. Das hat sie im ersten Lockdown schon einmal geschafft: Sieben Auszubilde­nde und 47 Mitarbeite­r brachte sie gut durch die Zeit. Jetzt sind es noch vier Azubis, drei haben ihre Ausbildung im Corona-jahr abgeschlos­sen. Für sie ging es im Sommer nicht nach Mailand sondern nach Dresden – darüber freuten sie sich mehr als in den Vorjahren, weil sie jede Reise zu schätzen wussten. Später gab es ein kleines Werbefesti­val mit immerhin 100 Gästen pro Stunde. Doch die Azubis mussten auch Abstriche machen. Sie lernten nicht mehr die große weite Welt kennen, hatten zeitweise keine Berufsschu­le. Auch die Eventagent­ur litt unter dem Ausbruch der Pandemie. Doch Caris ließ sich nicht beirren, erstellte mit ihren Kollegen ein Hygienekon­zept, schickte die Azubis nicht in Kurzarbeit, sondern ließ sie länger in ihren jeweiligen Stationen, die sie alle durchlaufe­n müssen: Statt vier bis sechs Wochen arbeiteten sie acht bis zehn Wochen in der Grafik, der Schreinere­i, Buchhaltun­g oder Projektlei­tung. „Die Ausbildung hat darunter nicht gelitten, sondern ist intensiver geworden“, so Caris.

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