Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Rückzug der Rakete
Nach sechs Jahren geht Rocket Internet von der Börse. Profitiert haben dabei im Wesentlichen drei Brüder aus Köln.
BERLIN Es ist schwer zu beurteilen, welche Liste länger ist: die der von den drei Brüdern Marc, Oliver und Alexander Samwer finanzierten Start-ups – oder die der auf diesem Weg verprellten Geschäftspartner. Bei Geschäften mit den Brüdern, unkt man jedenfalls seit Jahren in der deutschen Start-up-szene, profitieren die drei gebürtigen Kölner jedenfalls häufig deutlich stärker als ihr Gegenüber.
Das wurde zuletzt auch den Aktionären von Rocket Internet klar, jenes Unternehmens, das als eine Art Start-up-fabrik gestartet war, um Gründungen am Fließband zu produzieren. Doch zur Serienreife brachte es dieses Modell trotz großer Erfolge, etwa dem Online-modehändler Zalando oder dem Kochboxen-versender Hellofresh, nie. „Wir haben ein paar Blockbuster gehabt. Im Moment ist die Pipeline in der Mitte ein bisschen leer“, musste Rocket-chef Oliver Samwer 2019 auf der Hauptversammlung einräumen.
Doch ein Jahr später werden Aussagen wie diese von einigen in einem anderen Licht gesehen. Denn Rocket Internet soll an diesem Freitag von der Börse verschwinden. Das Unternehmen wollte Aktionären ihre Papiere zum Preis von je 18,57 Euro abkaufen – und erzürnte damit Anlegerschützer, die Oliver Samwer falsches Spiel unterstellten.
Denn das Angebot lag nicht nur deutlich unter den 42,50 Euro, zu denen man die Aktie 2014 an den Markt gebracht hatte, sondern unter dem damals aktuellen Preis von 18,95 Euro. Der gebotene Preis entspreche dem volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate, argumentierte Rocket damals. Konkret: dem Mindestpreis.
Die Summe war kaum höher als die Barreserven des Unternehmens, obwohl Rocket auch noch an zahlreichen Start-ups beteiligt ist. Und dieser sollte auch noch aus den Barmitteln bezahlt werden, beschlossen die größten Aktionäre des Unternehmens – also die Samwers. „Ich fühle mich als Aktionär übers Ohr gehauen“, sagte Michael Kunert, Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, damals. Samwer plündere die Aktionäre aus.
Schon das Debüt am Kapitalmarkt war 2014 missglückt. Von einer „Bauchlandung” schrieb die Nachrichtenagentur dpa nach dem größten europäischen Börsengang im Internetbereich seit dem Jahr 2000. Die Samwers hatten hoch gepokert und die Aktien mit einem Ausgabepreis von 42,50 Euro am obersten Ende der Spanne auf den Markt gebracht. Doch kaum konnte das Papier gehandelt werden, schmierte der Kurs auch schon ab. Kein Wunder, wurde im Vorfeld doch bekannt, dass alle großen Beteiligungen noch rote Zahlen schreiben. Bei 37 Euro lag die Aktie am Ende des ersten Handelstages.
Die Brüder verfolgen indes offenbar neue Pläne. Das „Manager-magazin“berichtete zuletzt davon, dass die drei Brüder in großem Stil in Immobilien und erneuerbare Energien investieren würden. Laut dem Bericht soll eine Art RWE der erneuerbaren Energien geschaffen werden.