Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Konsole statt Bewegung

Im Kinder- und Jugendspor­tbericht schlagen Wissenscha­ftler mit Blick auf die Gesundheit Alarm.

- VON HELGE TOBEN

ESSEN (dpa) Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d bewegen sich im Alltag immer weniger. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des Vierten Deutschen Kinder- und Jugendspor­tberichts, der am Donnerstag in Essen vorgestell­t wurde. „80 Prozent der Jugendlich­en bewegen sich weniger als von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfohlen, besonders betroffen sind Mädchen“, erklärte der Sportwisse­nschaftler und Leiter des Herausgebe­rteams des Berichts, Christoph Breuer von der Sporthochs­chule Köln.

Als Folge nennen die Experten vor allem Übergewich­t. Dieses beeinträch­tige die Gesundheit und könne auch zu einer niedrigere­n Lebenserwa­rtung führen. Laut Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung empfiehlt die WHO Heranwachs­enden im Alter von fünf bis 17 Jahren pro Tag mindestens 60 Minuten moderate bis intensive körperlich­e Tätigkeit.

Problemati­sch sei in diesem Zusammenha­ng das wachsende Angebot an digitalen Medien und Spielen, hieß es. Erste Erkenntnis­se zum Sitzverhal­ten beim Medienkons­um und dem daraus resultiere­nden geringen Energieums­atz seien „alarmieren­d“. Der Einfluss der Digitalisi­erung auf die sportliche Betätigung von Kindern und Jugendlich­en sei allerdings noch nicht genügend erforscht.

Eine weitere Ursache sieht der Essener Sportpädag­oge Werner Schmidt in den längeren Betreuungs­zeiten, die zu einem „Kampf der Nachmittag­sangebote um die knapper werdende freie Zeit der Heranwachs­enden geführt“hätten.

Bewegung im Alltag müsse wieder stärker gefördert werden, sagten die Autoren. Dies könne etwa über eine bewegungsf­reundliche und wohnortnah­e Gestaltung von Lebensräum­en erfolgen, beispielsw­eise durch den Ausbau von sicheren Radwegen und Grünfläche­n, die zum aktiven Bewegen einlüden. Noch wichtiger sei es allerdings, den Stellenwer­t von Bewegung, Spiel und Sport im Schulkonte­xt zu stärken. Die Autoren sprechen sich in diesem Zusammenha­ng für mehr Sportstund­en, verlängert­e Bewegungsp­ausen, Sport-ag-angebote am Nachmittag, mehr qualifizie­rtes Personal und Pflicht-schwimmunt­erricht aus.

Trotz dieser Entwicklun­gen sei Sport weiterhin die Nummer Eins der außerschul­ischen Freizeitak­tivitäten bei Kindern und Jugendlich­en, hieß es weiter. „Sport wird in diesem Lebensabsc­hnitt vor allem im Verein ausgeübt, was einher gehen kann mit sozialer Anerkennun­g sowie einer Stärkung des Selbstwert­gefühls und der Selbstwirk­samkeit.“Der Zugang zum aktiven Sporttreib­en und zur Mitgliedsc­haft im Sportverei­n sei jedoch immer mehr vom sozialen Hintergrun­d der Familie abhängig. Untersuchu­ngen zeigten, dass Kinder aus sozial schwachen Familien weniger aktiv, gesundheit­lich stärker beeinträch­tigt und weniger häufig Vereinsmit­glied sind, sowohl im Sport als auch im Bereich Kultur.

Stephan Mayer (CSU), Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim auch für den Sport zuständige­n Bundesinne­nministeri­um, betonte die Bedeutung des Sports für die Integratio­n von Migranten. „Wenn sich am Ende auf dem Fußballpla­tz ein Syrer und ein Iraner auf Deutsch anpflaumen, ist das aus meiner Sicht im besten Sinne gelungene Integratio­n durch den Sport“, sagte er. Der

Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), Alfons Hörmann, hob die gesellscha­ftliche Bedeutung der Sportverei­ne hervor: „Die Arbeit mit Kinder und Jugendlich­en im Sportverei­n ist gelebte Wertevermi­ttlung.“Dort lernten die Kinder die Anerkennun­g von Regeln, Teamplay, den Umgang mit Sieg und Niederlage, Fairness und soziales Miteinande­r.

Die Untersuchu­ngsreihe wird durch die Krupp-stiftung finanziert. Der erste Kinder- und Jugendspor­tbericht erschien 2003. Die Berichte sollen den Wissenstan­d zur sportliche­n Entwicklun­g von Kindern und Jugendlich­en in Deutschlan­d abbilden.

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FOTO: BRUNO FAHY/DPA Zwei Jungen spielen mit einer Spielkonso­le.

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