Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Die anderen Viren sind nicht ausgestorben“
René Fussen ist der erste Facharzt für Hygiene am Rheinland-klinikum und will helfen, die Häuser für Besucher offen zu halten.
RHEIN-KREIS Ein Besucher, für eine Stunde und das auch nur einmal am Tag: An den Regelungen für Patientenbesuche in den drei Kliniken des Rheinland-klinikum Neuss hat sich trotz steigender Infektionszahlen noch nichts geändert. Und René Fussen hat den Ehrgeiz, die kommunalen Krankenhäuser weiter zumindest in dieser Form offen zu halten. Dafür tut der erste Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, den der Klinikverbund beschäftigt, derzeit eine Menge.
Anfang Oktober hat Fussen seinen Dienst angetreten und musste feststellen: „In einer Pandemie die Stelle zu wechseln, ist eine blödsinnige Idee.“Denn statt Einarbeitungszeit gab es einen Kaltstart und viel Gelegenheit, Neues anzustoßen.
Zunächst sorgte Fussen dafür, dass in den Krankenhäusern ein Corona-testverfahren für Mitarbeiter
René Fussen Hygiene-facharzt aufgebaut wird. Bislang waren diese zu den Testzentren des Kreisgesundheitsamtes geschickt worden und mussten manchmal Tage auf ein Ergebnis warten. Im Sinne der Patientenund Mitarbeitersicherheit aber brauche man schnell Gewissheit, schon weil es sich kein Krankenhaus derzeit leisten kann, Mitarbeiter in die Quarantäne zu schicken und damit vom Arbeitsplatz zu entfernen. Preis für schnellere Gewissheit: Die Laborkapazitäten werden noch einmal zusätzlich belastet. „In einem Krankenhaus, das Volllast fährt, ist das eine riesige logistische Herausforderung“, sagt Fussen.
Parallel wurde die Teststrategie geändert. Bisher wurden bei der
Aufnahme nur Patienten aus Risikogruppen getestet. Dazu zählten ältere Semester aber auch Patienten, denen ein größerer Eingriff bevorstand. Aktuell aber wird ausnahmslos jeder getestet, der stationär aufgenommen wird. Dazu wurde neben dem Pcr-testverfahren auch der Antigen-schnelltest eingeführt, der Ergebnisse innerhalb von 15 Minuten liefert. Dieser Test sei nicht so genau, helfe aber abzuschätzen, ob der neue Patient normal auf die Station kommt oder isoliert werden sollte.
Optimal wäre, sagt Fussen, wenn man diesen Test auf Besucher ausdehnen könnte, doch das gäben die Kapazitäten nicht her. „Die größere Gefahr ist der, der aufgenommen wird“, sagt Fussen. So bleibt es bei Besuchern bei dem schon etablierten Eingangs-check mit Befragung.
Als Krankenhaus-hygieniker beschäftigt sich Fussen derzeit vorrangig mit Corona, aber nicht nur. Sein Job ist es auch, durch Prävention andere Gefährdungen für das Krankenhaus und die Menschen darin – wie Noroviren oder multiresistente Keime – möglichst klein zu halten. „Der Albtraum eines Krankenhaus-infektiologen ist der Ausbruch“, stellt er fest. Damit es dazu nicht kommt, sind Fussen und die acht ihm unterstellten Hygienefachkräfte, auf die er traf und denen er hervorragende Arbeit in der Vergangenheit bescheinigt, permanent gefordert, Kollegen zu sensibilisieren,
Abläufe zu optimieren – vom Operationssaal bis zur Pflegestation.
Sensibilisieren heißt auch, über Infektionswege aufzuklären. Und gerade das Coronavirus hat da auch in den Krankenhäusern für große Unsicherheit gesorgt. Man habe das Virus erst kennenlernen müssen, sagt Fussen. Aus dem, was man inzwischen weiß, leitet er ab: „Die Aerosole sind in der Diskussion überbewertet“, Schmierinfektion nicht das eigentliche Problem. Dass in Gaststätten nach der Verabschiedung des Gastes der Tisch desinfiziert wird, sei eigentlich überflüssig. „Über die Fläche infiziert man sich nicht“, sagt der Infektiologe.
Auch in der Fachliteratur deute alles darauf, dass die Übertragung des Virus vor allem durch Tröpfcheninfektion geschieht, sagt Fussen. Etwa durch Husten oder Niesen. Abstand zu halten, reduziere in der Tat die Gefahr einer Ansteckung. Die effektivste Einzelmaßnahme im Kampf gegen das Virus sei aber der Mundnasen-schutz, also die allgemeine Maskenpflicht. Auch in Klassenräumen rät er dazu, hält allerdings wenig davon, ständig die Fenster aufzureißen. „Fast kontraproduktiv, was da zum Teil gemacht wird“, sagt Fussen. Denn: „Die anderen Viren sind ja nicht ausgestorben.“
„Der Albtraum eines Infektiologen im Krankenhaus ist der Ausbruch“