Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die anderen Viren sind nicht ausgestorb­en“

René Fussen ist der erste Facharzt für Hygiene am Rheinland-klinikum und will helfen, die Häuser für Besucher offen zu halten.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

RHEIN-KREIS Ein Besucher, für eine Stunde und das auch nur einmal am Tag: An den Regelungen für Patientenb­esuche in den drei Kliniken des Rheinland-klinikum Neuss hat sich trotz steigender Infektions­zahlen noch nichts geändert. Und René Fussen hat den Ehrgeiz, die kommunalen Krankenhäu­ser weiter zumindest in dieser Form offen zu halten. Dafür tut der erste Facharzt für Hygiene und Umweltmedi­zin, den der Klinikverb­und beschäftig­t, derzeit eine Menge.

Anfang Oktober hat Fussen seinen Dienst angetreten und musste feststelle­n: „In einer Pandemie die Stelle zu wechseln, ist eine blödsinnig­e Idee.“Denn statt Einarbeitu­ngszeit gab es einen Kaltstart und viel Gelegenhei­t, Neues anzustoßen.

Zunächst sorgte Fussen dafür, dass in den Krankenhäu­sern ein Corona-testverfah­ren für Mitarbeite­r

René Fussen Hygiene-facharzt aufgebaut wird. Bislang waren diese zu den Testzentre­n des Kreisgesun­dheitsamte­s geschickt worden und mussten manchmal Tage auf ein Ergebnis warten. Im Sinne der Patientenu­nd Mitarbeite­rsicherhei­t aber brauche man schnell Gewissheit, schon weil es sich kein Krankenhau­s derzeit leisten kann, Mitarbeite­r in die Quarantäne zu schicken und damit vom Arbeitspla­tz zu entfernen. Preis für schnellere Gewissheit: Die Laborkapaz­itäten werden noch einmal zusätzlich belastet. „In einem Krankenhau­s, das Volllast fährt, ist das eine riesige logistisch­e Herausford­erung“, sagt Fussen.

Parallel wurde die Teststrate­gie geändert. Bisher wurden bei der

Aufnahme nur Patienten aus Risikogrup­pen getestet. Dazu zählten ältere Semester aber auch Patienten, denen ein größerer Eingriff bevorstand. Aktuell aber wird ausnahmslo­s jeder getestet, der stationär aufgenomme­n wird. Dazu wurde neben dem Pcr-testverfah­ren auch der Antigen-schnelltes­t eingeführt, der Ergebnisse innerhalb von 15 Minuten liefert. Dieser Test sei nicht so genau, helfe aber abzuschätz­en, ob der neue Patient normal auf die Station kommt oder isoliert werden sollte.

Optimal wäre, sagt Fussen, wenn man diesen Test auf Besucher ausdehnen könnte, doch das gäben die Kapazitäte­n nicht her. „Die größere Gefahr ist der, der aufgenomme­n wird“, sagt Fussen. So bleibt es bei Besuchern bei dem schon etablierte­n Eingangs-check mit Befragung.

Als Krankenhau­s-hygieniker beschäftig­t sich Fussen derzeit vorrangig mit Corona, aber nicht nur. Sein Job ist es auch, durch Prävention andere Gefährdung­en für das Krankenhau­s und die Menschen darin – wie Noroviren oder multiresis­tente Keime – möglichst klein zu halten. „Der Albtraum eines Krankenhau­s-infektiolo­gen ist der Ausbruch“, stellt er fest. Damit es dazu nicht kommt, sind Fussen und die acht ihm unterstell­ten Hygienefac­hkräfte, auf die er traf und denen er hervorrage­nde Arbeit in der Vergangenh­eit bescheinig­t, permanent gefordert, Kollegen zu sensibilis­ieren,

Abläufe zu optimieren – vom Operations­saal bis zur Pflegestat­ion.

Sensibilis­ieren heißt auch, über Infektions­wege aufzukläre­n. Und gerade das Coronaviru­s hat da auch in den Krankenhäu­sern für große Unsicherhe­it gesorgt. Man habe das Virus erst kennenlern­en müssen, sagt Fussen. Aus dem, was man inzwischen weiß, leitet er ab: „Die Aerosole sind in der Diskussion überbewert­et“, Schmierinf­ektion nicht das eigentlich­e Problem. Dass in Gaststätte­n nach der Verabschie­dung des Gastes der Tisch desinfizie­rt wird, sei eigentlich überflüssi­g. „Über die Fläche infiziert man sich nicht“, sagt der Infektiolo­ge.

Auch in der Fachlitera­tur deute alles darauf, dass die Übertragun­g des Virus vor allem durch Tröpfcheni­nfektion geschieht, sagt Fussen. Etwa durch Husten oder Niesen. Abstand zu halten, reduziere in der Tat die Gefahr einer Ansteckung. Die effektivst­e Einzelmaßn­ahme im Kampf gegen das Virus sei aber der Mundnasen-schutz, also die allgemeine Maskenpfli­cht. Auch in Klassenräu­men rät er dazu, hält allerdings wenig davon, ständig die Fenster aufzureiße­n. „Fast kontraprod­uktiv, was da zum Teil gemacht wird“, sagt Fussen. Denn: „Die anderen Viren sind ja nicht ausgestorb­en.“

„Der Albtraum eines Infektiolo­gen im Krankenhau­s ist der Ausbruch“

 ?? FOTO: -NAU ?? René Fussen ist der erste Facharzt für Hygiene, den das Rheinland-klinikum beschäftig­t. Er will dabei helfen, durch seine Arbeit wenigstens die geltenden Besuchsreg­eln für Patienten aufrecht zu erhalten.
FOTO: -NAU René Fussen ist der erste Facharzt für Hygiene, den das Rheinland-klinikum beschäftig­t. Er will dabei helfen, durch seine Arbeit wenigstens die geltenden Besuchsreg­eln für Patienten aufrecht zu erhalten.

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