Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das St.-martin-kostüm bleibt im Schrank
Im November reitet Bernd Herten normalerweise als St. Martin durch die Stadt. In diesem Jahr wird ihm das fehlen.
NEUSS Wenn man Bernd Herten in seiner Metzgerei an der Steubenstraße trifft, sieht man auf den ersten Blick nicht, dass ein leidenschaftlicher St. Martin in ihm steckt. Er trägt eine weiße Arbeitshose, ein schwarzes Poloshirt. Die Haare sind zwar weiß-grau, aber kurz. Kein Bart, keine Bischofsmütze, kein Umhang. Entspannt sitzt er im derzeit abgesperrten Sitzbereich seines Ladens. Hier scheint er hinzugehören. Doch dann spricht er von dem „glücklichen Gefühl“, wenn die Kinder nach dem Martinsumzug in der Innenstadt zu ihm kommen und Fotos machen wollen. Sein Gesicht strahlt. Schnell wird deutlich: Er steht hinter dem, was er im Martinskostüm verkörpert.
Auf den Ritt durch die Neusser Innenstadt muss Herten in diesem Jahr verzichten. Die Corona-pandemie ist schuld. Das St.-martins-komitee Altstadt hat den mit rund 1000 Kindern größten Laternenumzug in Neuss Anfang September abgesagt. „Wir können die Abstände einfach nicht einhalten“, sagt Bernd Herten zur Begründung. Er zuckt die Achseln. Die Absage bedauert er, auch wenn er sie für die richtige Entscheidung hält. „Es schmerzt natürlich sehr“, sagt er. „Man macht das ja für die Kinder. Und man sieht, wie viel Freude die daran haben.“
Eine kleine Chance gibt es für Bernd Herten aber noch, sich auch in diesem Jahr ins Martinskostüm zu stürzen. „Unser Präsident ist an die Schulen herangetreten und hat angeboten, dass der St. Martin zu ihnen kommt und die Weckmänner verteilt“, sagt Herten. Die spendiert das Martins-komitee jedes Jahr für die Innenstadt-kinder, auch in diesem Jahr. Aktuell habe seines Wissens nach aber noch keine Schule das Angebot angenommen. Vermutlich, so denkt Herten, sind die Bedenken bei Lehrern und Eltern zu groß, dass die Abstände beim Martinsbesuch nicht eingehalten werden könnten. „Nachvollziehbar“, findet der Metzgermeister. Und dennoch: „Das Angebot steht nach wie vor. Ich würde mich freuen, wenn sich eine Schule meldet.“
Übernommen hat Herten das Amt des Innenstadt-martins von Karlheinz Greiss, der zuvor mehr als 25 Jahre lang kostümiert durch Neuss ritt. Herten hatte die Umzüge zuvor als einer von zwei Knappen des Heiligen begleitet. „Dann, im Jahr 2012 oder so, hatte ich einen Reitunfall und bekam deswegen an St. Martin den Stiefel des Knappen-kostüms nicht angezogen“, erzählt Herten. Also tauschten er und Greiss kurzerhand die Rollen – von da an war der 49-jährige Metzgermeister der neue Mann im Sattel. Inzwischen wird er bei den Umzügen auch von seinem jüngsten Sohn als Knappe begleitet.
Der 19-Jährige ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten.
Die Tradition des Martinsfests müsse auf jeden Fall bewahrt werden, sagt Herten, auch in Zeiten wie diesen. Wenn er im Kostüm dazu beitragen könne, würde ihn das freuen. „Ich mach es einfach gerne“, sagt er. „Wichtig ist für mich, dass man den Job von Herzen ausführt, dass man da irgendwie mit verbunden ist.“
Außerdem sei es gerade in aktuellen Zeiten besonders wichtig, nicht nur an sich selbst zu denken und – in der Tradition des heiligen Martins – zu teilen. „Das ist ein großes Thema“, sagt Herten. „Gerade jetzt in der Corona-zeit merkt man, dass jeder jedem hilft. Da ist ein anderes Wir-gefühl aufgekommen.“Das beobachtet er auch im Schützenverein. „Da hilft jeder jedem, als wäre nichts gewesen. Als wäre alles wie immer.“Und das, obwohl der Ausfall des diesjährigens Schützenfests alle Beteiligten getroffen habe. „Das war für mich besonders schmerzhaft“, sagt Herten. „Ich bin seit 42 Jahren dabei, wäre dieses Jahr wahrscheinlich zum Schützen-oberst gewählt worden.“
Bernd Herten ist ein Mann, der mit Leidenschaft bei der Sache ist, sowohl bei den Schützen als auch zu Ross im Martinskostüm. Seine Augen leuchten auf, wenn er von seinem Engagement spricht. Es wirkt fast, als würde er sich aus seiner Arbeitskleidung heraus wünschen und hinein in die Schützenuniform oder den Martins-umhang. Doch das muss warten – hoffentlich nur bis zum nächsten Jahr. „Aber das bezweifle ich momentan ehrlich gesagt.“