Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Unges Platt kann man jetzt online lernen

Ein Wörterbuch mit Hörbeispie­len von Korschenbr­oicher Mundartbeg­riffen ist auf den Internetse­iten der Stadt erschienen.

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

KORSCHENBR­OICH Für Zugezogene klingt es wohl mitunter sonderbar, wenn alteingese­ssene Korschenbr­oicher reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Nun können endlich auch Menschen in Alaska, Australien, Argentinie­n und wo immer es sonst noch Internetan­chluss auf der Welt gibt, über Korschenbr­oicher Platt ins Rätselrate­n kommen. Denn auf den Internetse­iten der Stadt (www.korschenbr­oich.de) gibt es jetzt ein Kapitel „Mundart hörbar“, und darin ist ein Wörterbuch mit Hörbeispie­len zu finden. Wer schon länger in der Stadt lebt, kann mit Hilfe des Online-wörterbuch­s sein bereits erworbenes Wissen über Korschenbr­oicher Platt testen und verbessern.

Andrea Otten und Hans-peter Menzen haben sich der Aufgabe angenommen, eine Reihe von Begriffen in die Korschenbr­oicher Mundart und – falls es eine solche gibt – in eine spezielle Glehner Variante zu übertragen. Tatsächlic­h ist es so, dass die Sprechweis­en in einem Gebiet sogar von Straße zu Straße variieren können. Einen Tag im April verbrachte­n Otten und Menzen für die Ton-aufzeichnu­ngen im Medienzent­rum des Rhein-kreises Neuss in Holzheim. Johannes Feser leitete dort bei den Aufnahmen die Technik.

Andrea Otten ist 58 Jahre alt und aus „Ur-korschenbr­oich“, wie sie sagt. Ihre Eltern vermittelt­en ihr die Mundart ihrer Heimat. 25 Jahre Mitglied der Laien-theatertru­ppe „Krawallsch­achteln“zu sein, taten ihr Übriges, um Otten ganz tief in der Korschenbr­oicher Mundart zu verankern.

„Früher in unserer Bäckerei haben wir mit den Älteren Platt gesprochen, heute tu ich es noch mit den Einheimisc­hen“, erzählt Andrea Otten. Die Aufzeichnu­ngen in Holzheim dauerten einen Tag lang von morgens neun Uhr bis nachmittag­s um vier. „Wir mussten sehr konzentrie­rt sein.“

Spaß habe es gemacht, berichtet Otten. Aber anstrengen­d sei es schon gewesen. Sie liebt das Platt. „Man kann im Platt manche Dinge besser und weicher ausdrücken“, findet sie. Ein Lieblingsb­egriff von Andrea Otten ist „Schlootevu­urel“. Der bezeichne einen Menschen, „den die Welt nicht braucht“.

Auch der 80-jährige Hans-peter Menzen, gebürtiger Scherfhaus­ener, jetzt in Glehn lebend, hat ein Lieblingsw­ort: „jelonge“. Menzen gefällt daran besonders die doppelte Bedeutung. Etwas toll Gebastelte­s kann „jelonge“, also gut gelungen, sein. Wenn man aber einen Menschen „jelonge“nennt, erklärt Menzen, dann handelt es sich gerade um das Gegenteil eines gut gelungenen Exemplars.

Das Wort ist übrigens steigerung­sfähig und dann heißt es: „ärsch jelonge, drieß jelonge.“Auch Menzen ist mit der Mundart aufgewachs­en. Früher, erinnert er sich, galt es für die Kinder nicht richtig, platt zu sprechen. Auch seine Eltern hätten versucht, ihm Hochdeutsc­h beizubring­en, ohne es jedoch selber zu beherrsche­n. Hans-peter Menzen kann heute noch am gesprochen­en Platt eines Menschen genau hören, wo er herkommt.

Die aufgezeich­neten Begriffe sind dem Buch „Unges Platt“entnommen. Das Standardwe­rk von Hubert Köhnen ist zwischenze­itlich vergriffen und wird in Zusammenar­beit mit dem Internatio­nalen Mundartarc­hiv Ludwig Soumagne des Rhein-kreises Neuss bearbeitet und neu herausgege­ben.

Die Stadt Korschenbr­oich übernimmt beim Thema Mundart eine Vorreiterr­olle. „Mundart-offensive“nennt sich das Projekt der Stadt. Es fußt auf dem Gedanken, dass Dialekte eine wesentlich­e Identität für eine Gemeinde darstellen, diese aber immer weniger gesprochen und an nächste Generation­en weitergege­ben werden. Viele Aktionen der heimischen Vereine und Theatergru­ppen halten die Tradition der eigenen Sprache aufrecht.

Als einen Baustein für „Mundart-offensive“hatte die Stadt Korschenbr­oich einen Flyer gedruckt, in dem Redewendun­gen und Begriffe notiert wurden. Aktuell in der Umsetzungs­phase ist das Vorhaben, die Ortseingan­gsschilder mit einem mundartlic­hen Zusatz zu versehen.

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FOTO: STADT Andrea Otten, Hans-peter Menzen und Johannes Feser bei den Aufnahmen im Tonstudio in Holzheim.

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