Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Vom Land erwarte ich verlässlichen Zeitplan“
Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens über den Beginn seiner dritten Amtszeit, über die Pandemie und ihre Folgen.
Herr Zillikens, am 1. November treten Sie Ihre dritte Amtszeit an, welche Formalien müssen Sie dafür erfüllen? Ist das beim dritten Mal noch ein besonderes Gefühl? HARALD ZILLIKENS Es ist immer etwas Besonderes, in eine neue Amtszeit zu starten, auch weil der Stadtrat durch das Ausscheiden zahlreicher und teils sehr erfahrener Ratsmitglieder, die teilweise Jahrzehnte im Gremium gewirkt haben, einen Umbruch erlebt. Die Formalien sind schnell erledigt. Ich muss lediglich eine Erklärung unterschreiben, dass ich die Wahl zum Bürgermeister für die neue Wahlperiode annehme. Das habe ich natürlich gerne gemacht und freue mich darauf, dass ich weiter für meine Stadt arbeiten kann.
Der Beginn Ihrer Amtszeit fällt mitten in die Pandemie mit steigenden Infektionszahlen. Welchen Raum nimmt Corona in den Bürgermeistergeschäften und in der Verwaltung ein? Bleibt da überhaupt noch Zeit für anderes? ZILLIKENS Als Bürgermeister muss man sich auch ungewöhnlichen Lagen und Aufgaben stellen und diese mit der Verwaltung meistern. Dass wir das können, haben wir 2015/2016 bei der hohen Zahl der Flüchtlinge und auch jetzt seit dem Frühjahr gezeigt. Nach Möglichkeit sollen andere Vorhaben, die unsere Stadt voranbringen, wie das Engagement für den Strukturwandel, der Bau der neuen Kita, das neue Feuerwehrgerätehaus, die Entwicklung neuer Baugebiete und vieles mehr nicht darunter leiden. Bisher gelingt das gut.
Welche Konsequenzen ziehen Sie in der Verwaltung nach dem angekündigten „Lockdown light“, der ab Montag gilt? ZILLIKENS Die neue Corona-schutzverordnung ist bei uns am Freitag eingegangen. Gestern sind Infos an Händler, Gastronomen und Sportstättenbetreiber, nur noch Schulund Individualsport sind möglich, hinausgegangen. Ebenfalls gestern haben Mitarbeiter des Ordnungsamtes und ich Imbissbetriebe aufgesucht, um sie über über die Regelungen zu informieren.
Es gibt immer neue Corona-schutzverordnungen und Vorgaben, überfordert das die kommunale Verwaltung? Was erwarten Sie vom Land? ZILLIKENS Die Verwaltung ist durch die Auswirkungen der Corona-pandemie stark gefordert, aber noch nicht überfordert. Die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln erschweren teilweise erheblich den Arbeitsablauf. Besonders gefordert sind neben dem Personalund Schulamt die Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die 2020 ja auch noch die Kommunalwahl mit Stichwahl gemeistert haben. Wir haben gute und motivierte Mitarbeiter, die Corona als Herausforderung sehen. Vom Land erwarte ich eine Vereinfachung der Regelungen und einen verlässlichen Fahrplan, der auch einmal eine längerfristige Planung ermöglicht.
In dieser Woche war das Lüften von Klassen und Turnhallen Thema. Wie klappt das in Jüchener Schulen? ZILLIKENS Die Stadt hat erhebliche Beträge in die Sanierung ihrer Schul- und Sportgebäude investiert, dazu gehörte auch der Austausch defekter Fensteranlagen. Das städtische Gebäudemanagement hat die Fensteranlagen in allen Unterrichtsräumen
der Schulen und in den Sportstätten geprüft. Danach können alle Räume ausreichend gelüftet werden.
Gleich zu Beginn Ihrer neuen Amtszeit steht die Haushaltsverabschiedung an. Erwarten Sie wegen Corona ein stärkeres Minus, etwa durch Rückgänge bei der Gewerbesteuer? ZILLIKENS Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Isolierung der Corona-bedingten Abweichungen eingeräumt. Dadurch wird derzeit sogar von einem positiven Planergebnis in 2021 ausgegangen. Sofern sich die negativen Auswirkungen von Corona durch Mindererträge und Mehraufwendungen verstärken, werden auch diese in der vorgesehenen Nebenrechnung berücksichtigt.
Welche drei Haupt-themen wollen Sie in den nächsten zwölf Monaten anpacken? ZILLIKENS Für die Entwicklung unserer Stadt ist es sehr wichtig, dass wir uns in die Diskussion zur Leitentscheidung weiter mit aller Kraft einbringen, um unser Stadtgebiet südlich der A46 aktiv zu gestalten. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Entwicklung unserer Wohnbaugebiete. Das größte Vorhaben, ‚Jüchen West‘, wird 2021 mit der Überarbeitung und Konkretisierung des Siegerbeitrags aus dem städtebaulichen Wettbewerb fortgesetzt. Die erforderlichen Folgeaufträge sollen in der Ratssitzung im Dezember vergeben werden. Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit liegen in den Bereichen Klima-, Umweltschutz und Mobilität.
Wie geht es beim Interkommunalen Gewerbegebiet mit Grevenbroich
in nächsten Jahr weiter? ZILLIKENS Erste große Hürden wurden mit der Änderung im Regionalplan und der Abstufung der A 540 zur Bundesstraße bereits genommen. Nach Festlegung der äußeren Anbindung des zukünftigen Industriegebiets kann mit der Flächennutzungsplanänderung sowie parallel der Erstellung des Bebauungsplans begonnen werden. Die Planungshoheit liegt hier in der Hand beider Kommunen. Neben Gutachten zum Schallschutz und Artenschutz, die Frage der Entwässerung und der Boden- und Baugrunduntersuchung des Gebietes ist die Darstellung der Anbindung des Industriegebietes an das öffentliche Verkehrsnetz unerlässlich. Je nachdem kann die Realisierung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Stadt will ein Mobilitätskonzept in Auftrag geben Was versprechen Sie sich davon? ZILLIKENS In der Sitzung am 12. November soll der Rat über die Auftragsvergabe für ein Integriertes Verkehrsentwicklungskonzept (IVEK) entscheiden. Das IVEK soll die größten Herausforderungen und Chancen einer zukunftsfähigen Mobilität in Jüchen, die im multimodalen Verkehr – also der effizienten und komfortablen Kombination verschiedener Verkehrsmittel – liegen, herausarbeiten. Dabei soll auf einen Verkehrsmix gesetzt werden, der auf veränderte Mobilitätsanforderungen, ein sich wandelndes Mobilitätsverhalten und neue -angebote eingeht. Ein Augenmerk sollte künftig auf einem besseren Angebot im öffentlichen Personenverkehr, auf fahrradfreundlichen Bedingungen und dem Ausbau der regionalen Anbindung über alle Verkehrsträger liegen. Zudem soll das Konzept bezüglich komplexer Sachverhalte wie etwa der L354n eine integrierte Betrachtung liefern und als Entscheidungsgrundlage dienen.