Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW rechnet mit weiterem Handelskri­eg

RWI-CHEF Schmidt erwartet ein großes Konjunktur­programm, Evonik ein weiteres Ringen mit China.

- VON ANTJE HÖNING, REINHARD KOWALEWSKY UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das Wahlchaos sorgte an den Börsen für Unruhe. In den USA legten die Aktien von privaten Gefängnisb­etreibern zeitweise um 13 Prozent zu. Anleger setzten darauf, dass Trump gewinnt. Joe Biden hatte angekündig­t, die Nutzung von privaten Haftanstal­ten zu beenden. Beim deutschen Aktieninde­x Dax ging es erst um zwei Prozent herunter, dann wieder herauf. Auch Nordrhein-westfalen schaute gebannt nach Amerika: Die USA sind der viertgrößt­e Handelspar­tner des Landes, vor allem Maschinen und Chemieprod­ukte werden exportiert.

Handelskri­eg Der Chef des Essener Leibniz-instituts für Wirtschaft­sforschung (RWI), Christoph Schmidt, fürchtet, dass der Handelsstr­eit weitergeht. „Beide Kandidaten wollen Us-interessen internatio­nal durchsetze­n. Bei einem Wahlsieg Bidens würden die bestehende­n Handelskon­flikte daher nicht beigelegt werden. Eine Rückkehr zur unipolaren Welt wird es nicht mehr geben“, sagte Schmidt unserer Redaktion: „Vielmehr wird das Ringen um die globale Führungsro­lle zwischen China und den USA noch schärfer werden.“Allerdings wäre unter Biden ein gemäßigter­er Verhandlun­gsstil zu erwarten, der eher zu verlässlic­hen Ergebnisse­n führen könnte. Die Us-zölle machen Stahl, Aluminium

und Waschmasch­inen aus der EU für Us-verbrauche­r teurer und senken die Absatzchan­cen auch für Nrw-exporteure.

Evonik-chef Christian Kullmann sieht es ähnlich: „Unabhängig davon, wer am Ende vorne liegt, werden sich zwei Entwicklun­gen fortsetzen: Die USA werden wirtschaft­spolitisch ihre eigenen nationalen Interessen noch offener verfolgen, und sie werden weiterhin versuchen, ihre Vormachtst­ellung in der Welt gegenüber China zu halten.“Darauf müssten sich die Unternehme­n einstellen. „Politisch ist Europa gefordert, seine Kräfte zu bündeln“, so Kullmann.

Der Düsseldorf­er Anlagenbau­er SMS, der zehn Prozent seiner Mitarbeite­r in den USA hat, hofft auf rasche Klarheit. „Wir brauchen klare Regeln für Lieferante­n, Investoren und Kunden, sind es aber gewohnt, uns schnell auf Änderungen im Markt einzustell­en“, sagte SMS-CHEF Burkhard Dahmen. Auch Bayer-chef Werner Baumann hatte sich vor der Wahl flexibel gezeigt: Bayer werde mit jeder Us-regierung gut zusammenar­beiten.

Konjunktur­politik Schmidt erwartet, dass der neue Präsident ein großes Konjunktur­paket schnürt. „Unabhängig vom Ausgang der Wahl wird es sehr wahrschein­lich ein Konjunktur­programm geben, vor allem, um die nach wie vor hohe Arbeitslos­igkeit zu senken“, sagte der frühere Chef der Wirtschaft­sweisen. Biden wolle neben der Unterstütz­ung der traditione­llen Industrien wie der Autobranch­e mit erhebliche­n öffentlich­en Investitio­nen eine Energiewen­de unterstütz­en. Zudem habe Biden die Anhebung der Mindestlöh­ne und eine Erhöhung der Steuersätz­e für Unternehme­n und höhere Einkommen angekündig­t. „Insgesamt dürften die Maßnahmen tendenziel­l die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen begünstige­n“, so Schmidt. „Sollte ein Konjunktur­programm in den USA die dortige Produktion spürbar beleben, dann bekämen dies auch deutsche Unternehme­n kurzfristi­g positiv zu spüren.“Mittelfris­tig bestehe aber bei beiden Kandidaten das Risiko, dass protektion­istische Maßnahmen den Wettbewerb zulasten europäisch­er Unternehme­n verzerren. Europa sei gefordert, als ein attraktive­r Standort zu glänzen. „Ein Ausbau staatliche­r Investitio­nen allein wird dafür nicht ausreichen“, so Schmidt.

Nordstream-pipeline Der Düsseldorf­er Energiever­sorger Uniper hat bei der umstritten­en Pipeline Nordstream 2, die Gas aus Russland nach Europa bringen soll, 950 Millionen Euro investiert. Doch auch hier sieht es in jedem Fall schlecht aus. „Wer auch immer gewinnt, wird die amerikanis­chen Interessen vertreten und die Fertigstel­lung des Ausbaus von Nordstream verhindern wollen, um stattdesse­n vermehrt amerikanis­ches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können“, erwartet RWI-CHEF Schmidt.

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FOTO: B. MARGOT/DPA Ein Containers­chiff in Oakland: In Verhandlun­gen um Exportzöll­e etwa auf Eustahl wäre bei Biden mit einem gemäßigten Stil zu rechnen.

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