Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ein FBI-CHEF als tragischer Held
„The Comey Rule“ist die sehenswerte Serie zur E-mail-affäre vor der Us-wahl 2016.
Nachdem am 8. November 2016 Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, wurde James Comey für das liberale Amerika zur Persona non grata. Viele warfen dem FBI-CHEF, Mitglied der Republikanischen Partei, vor, die Wahl mit den Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der sogenannten E-mail-affäre beeinflusst zu haben. Nur ein halbes Jahr später zeigte sich ein ganz anderes Bild: Am 9. Mai 2017 feuerte Donald Trump ihn höchstpersönlich, nachdem Comeys Ermittlungen um die Wahlmanipulationen Russlands sich auch gegen ihn gerichtet hatten.
Nun stellt die Hbo-mini-serie „The Comey Rule“den obersten Bundespolizisten ins Zentrum ihrer vierteiligen Erzählung. Die Handlung setzt 2013 ein, als Präsident Obama den Republikaner Comey ( Jeff Daniels) zum Leiter des FBI ernennt. Dies sei ihr erstes und letztes Treffen stellt Obama gleich zu Beginn fest, weil die Unabhängigkeit der Bundespolizei für ihn höchste Priorität habe.
Vier Jahre später, als Trump (Brendan Gleeson) Comey ins Weiße Haus zum Dinner einbestellt, will der neue Machthaber den obersten Polizisten gezielt vereinnahmen und fordert unbedingte Loyalität. Er könne ihm „ehrliche Loyalität“ bieten, antwortet Comey diplomatisch, aber es ist klar, dass ein Mann wie Trump sich nicht damit zufrieden gibt. „So reden Mobster“, sagt ein Kollege, als Comey ihm von der Unterredung erzählt.
Die Gespräche zwischen Trump und Comey sind der dramatische Höhepunkt der Serie. Gleeson, der als erster Schauspieler Trump im Spielfilmformat verkörpert, hat sein Sujet genau studiert. Diktion,
Mundbewegungen und Gestik werden präzise imitiert, ohne die Figur als Karikatur darzustellen. Die Gefährlichkeit des Machthabers liegt im unberechenbaren Narzissmus, der sich an keine Regel der politischen Kultur gebunden fühlt. Trump könne ihn nicht feuern, sagt Comey, das würde ein schlechtes Licht auf ihn werfen. Vollkommen naiv wirkt diese Aussage aus heutiger Sicht, nachdem die Welt vier Jahre Zeuge einer Willkürherrschaft im Weißen Haus geworden ist, zu der eine Rekordzahl an Entlassungen gehört.
Die Fehleinschätzung zeigt aber auch, dass Comey ein Staatsdiener alter Schule ist, der fest an die Wehrhaftigkeit der amerikanischen Demokratie
und ihrer Institutionen glaubt. Serienschöpfer Billy Ray zeigt Comey als integre Persönlichkeit, die in die Mühlen der Geschichte gerät. Zunächst wirkt die Erzählung, die auf der Bestseller-autobiografie Comeys beruht, wie eine unkritische Rechtfertigung, gewinnt aber bald an analytischer Tiefe. Der FBI-CHEF wird als treuer Familienvater und aufmerksamer Chef dargestellt, der voll und ganz hinter seinem Amt und den Mitarbeitern steht. Auch sein Umgang mit der Clinton-e-mail-affäre ist dem Glauben an die Unabhängigkeit polizeilicher Ermittlungsarbeit von politischer Einflussnahme geschuldet.
Hinter Comeys Haltung zeigt sich ein alter Ehrenkodex genauso wie die Selbstüberschätzung eines Mannes, der glaubt, über der politischen Eigendynamik zu stehen. Insofern ist Comey ein tragischer Held, der an der Nahtstelle zwischen der Obamaund der Trump-ära seinem moralischen Kompass folgte, aber Opfer einer Fehleinschätzung wurde. Er gerät in den Strudel einer Zeitenwende, und das macht die Serie so interessant. Denn hier wird vor Augen geführt, wie stark Trump während seiner vierjährigen Präsidentschaft den Verfall der politischen Kultur des Landes vorangetrieben hat.
Brendan Gleeson imitiert Trump, ohne seine Figur als Karikatur darzustellen
The Comey Rule, ab sofort bei Sky.