Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ethan Hawke befreit die Sklaven

In der Serie „The Good Lord Bird“geht es um die historisch­e Figur des John Brown.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Mit einer Pistole in jeder Hand tritt er aus der Deckung. „Ich bin Captain John Brown, und ich bin hier im Namen des großen Erlösers, des Königs der Könige“brüllt er, während sein Gesicht vor Wut puterrot anläuft. Als wäre er der personifiz­ierte Zorn Gottes, schmettert er den Feinden Bibelverse entgegen, bevor er das Feuer eröffnet. Kein Zweifel, dieser Mann fühlt sich berufen. Und seine Mission ist es, Amerika von der Sklaverei zu befreien.

John Brown (1800–1859) war einer der wenigen Weißen, die schon vor Beginn des amerikanis­chen Bürgerkrie­ges mit Waffengewa­lt gegen die Sklaverei ins Feld zogen. Mit einer kleinen Truppe reiste der militante Abolitioni­st durch Kansas, um Sklaven zu befreien, und stürmte schließlic­h 1859 in Harpers Ferry, Virginia, ein Waffenlage­r der Armee. Die Hbo-serie „The Good Lord Bird“, die nun auf Sky zu sehen ist, nimmt sich der umstritten­en Figur an, macht jedoch den 16-jährigen Sklaven Henry (Joshua Caleb Johnson) zum Zentrum der Erzählung, der Brown nach dem Tod seines Vaters begleitet.

Als unschuldig­er Beobachter treibt Henry durch das Ante-bellum-amerika, wird Zeuge einer Lynchjusti­z gegen eine schwarze Rädelsführ­erin, lernt im Norden den charismati­schen Prediger Frederick Douglass (Daveed Diggs) und in Kanada auch die legendäre Sklavenbef­reierin Harriet Tubman (Zainab Jah) kennen, die Browns militante Bestrebung­en unterstütz­t.

Die Erzählpers­pektive des schwarzen Jungen, der auf Browns Gewalt widerstreb­end reagiert, verhindert, dass der exzentrisc­he Rebellenfü­hrer zum Klischee des „weißen Retters“stilisiert wird. Ethan Hawke, im besten Nick-nolte-modus, lässt den Mann in seinem religiösen Wahn manchmal komplett irre erscheinen. In seinen klaren Momenten leuchtet der bizarre Rädelsführ­er als moralische­s Gewissen eines bigotten Amerikas auf, das mit der Sklaverei seine Ideale verraten hat.

Anders als geradlinig­e Kinoproduk­tionen wie zuletzt „Harriet“ steuert „The Good Lord Bird“nach dem Roman von John Mcbride sein Thema vollkommen pathosfrei an. Den Ton der Erzählung kann man sich als Mischung zwischen Huckleberr­y Finn und „True Grit“von den Gebrüdern Coen vorstellen. Mit skurrilem Humor wirft sich die Serie in die chaotische­n Zustände am Vorabend des amerikanis­chen Bürgerkrie­ges, entwickelt einen scharfen Blick für die grundversc­hiedene Wirklichke­itswahrneh­mung weißer und schwarzer Abolitioni­sten und zeigt gleichzeit­ig ungeschönt die enorme moralische Verrohung der Sklavenhal­ter-gesellscha­ft, die sich ihre Privilegie­n nur mit brutaler Gewalt entreißen lässt.

The Good Lord Bird, am Freitag auf Sky.

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FOTO: SKY Ethan Hawke (l.) spielt in „The Good Lord Bird“einen militanten Abolitioni­sten in den USA des 19. Jahrhunder­ts.

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