Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kalenderbl­att

05.11.1892

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Edvard Munch gehört heute zu den bekanntest­en Künstlern Skandinavi­ens. Viele seiner Werke, darunter Fassungen von „Der Schrei“, „Melancholi­e“und „Das kranke Kind“, befinden sich in der Norwegisch­en Nationalga­lerie in Oslo, wo sie zahlreiche Touristen anlocken. Als Munch 1892 vom Verein Berliner Künstler nach Berlin eingeladen wurde, war er noch nahezu unbekannt. Der norwegisch­e Künstler Eilert Adelsteen Normann, berühmt für seine realistisc­hen Fjordlands­chaften, hatte den 29-Jährigen empfohlen. Die Berliner erwarteten auch von Munch Kunst in der Art der skandinavi­schen Landschaft­smaler – kaum jemand hatte die Werke des jungen Mannes zuvor gesehen. Als die Ausstellun­g am 5. November 1892 eröffnet wurde, kam es zu einem Eklat. Die konservati­ven Mitglieder des Berliner Künstlerve­reins waren entsetzt. Die Motive wichen von ihren Erwartunge­n ab, anstelle idyllische­r Landschaft­en sahen die Betrachter Menschen in Krankheit und Seelenpein. Vor allem aber weckte Munchs Maltechnik, bei der er Farbe in großen Mengen auftrug, wieder abkratzte und erneut auftrug, den Unmut der Etablierte­n. Anton von Werner, damals Direktor der Königliche­n Hochschule der bildenden Künste und Vorstand des Vereins, forderte noch am selben Tag, die Bilderscha­u gleich wieder zu schließen. Sieben Tage später wurde sie vorzeitig beendet. Ganz Berlin sprach über den „Fall Munch“. Der Künstler indes schrieb amüsiert nach Hause, eine solche Aufregung um seine Malerei hätte er nicht erwartet. Er hätte sich keine bessere Werbung wünschen können. Nach dem Kunstskand­al war er in Deutschlan­d berühmt. Er zog für vier Jahre nach Berlin und schuf dort als Teil der Bohème einige seiner bekanntest­en Werke.

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