Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Online-gedenken zum 9. November

Eine Ausstellun­g beschäftig­t sich ab Montag mit der jüdischen Geschichte.

- VON ALEXANDER RIEDEL

SOLINGEN Welch schöpferis­che Kraft Menschen gerade in dunkelsten Zeiten entfalten können, beweist das Zentrum für Verfolgte Künste in Solingen tagtäglich seinen Besuchern. Denn die ausgestell­ten Werke erzählen eine Geschichte der Unterdrück­ung: Sie entstanden im Verborgene­n, während Maler, Dichter und Bildhauer um ihr Leben fürchteten, wurden als „entartete Kunst“aus Galerien entfernt und drohten vollends in Vergessenh­eit zu geraten. Aber Kunst findet letztlich doch meist ihren Weg hinaus in die Welt.

Das gilt – wenn auch unter völlig anderen Umständen – ebenso für die Ausstellun­g „Sieben Orte in Deutschlan­d“. Die bringen das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen und das „Department of Global Communicat­ion“der Vereinten Nationen (Uno) an diesem Montag zum Gedenken an die Reichspogr­omnacht an den Start – nicht in einer offenen Kunsthalle, nicht an einem repräsenta­tiven Ort, und doch in einem für Menschen rund um den Globus erreichbar­en Raum. „Eine virtuelle Ausstellun­g mit internatio­nalen Partnern zu eröffnen, die Gedenken möglich macht, ist ein eindrucksv­olles Zeichen für die Innovation­sfähigkeit unserer Museen“, lobt Sylvia Löhrmann, Generalsek­retärin des am Projekt beteiligte­n Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“.

Und genau diese lange Geschichte nimmt in der Online-ausstellun­g ein Zeitstrahl in den Blick. Ausgangspu­nkt ist das Jahr 321, in dem der römische Kaiser Konstantin Juden den Zugang zum Rat der Stadt Köln ermöglicht­e. Zeiten der Blüte und der Ausgrenzun­g bis hin zur Vernichtun­gsmaschine­rie der Nationalso­zialisten, aber auch das jüdische Leben in der Gegenwart und die moderne Erinnerung­skultur dokumentie­rt das Projekt – und zwar konkret anhand von sieben Orten jüdischen Lebens: Dazu zählt die Neue Synagoge Berlin ebenso wie der Platz der ehemaligen Solinger Synagoge, an dem Schüler alljährlic­h ihre Gedenkvera­nstaltung zur Pogromnach­t abhalten.

Historisch­e Fotos, Kunstwerke und andere Zeugnisse sollen die Geschichte lebendig und greifbar machen. Bundesauße­nminister Heiko

Maas und Melissa Fleming, Leiterin der Hauptabtei­lung für Globale Kommunikat­ion der Uno, eröffnen die Ausstellun­g am Montag. Die soll sich für mehr als einen Besuch anbieten: „Sie wird sich entwickeln und eine eigene Dynamik bekommen“, bekräftigt Jürgen Kaumkötter, Direktor des Zentrums für verfolgte Künste.

Den Kontakt zu den Vereinten Nationen hatte sein Haus bereits über ein anderes Projekt hergestell­t: 2018 liefen Ausschnitt­e der Künstlerbi­ografie „Kichka. Life is a Cartoon“, eine Gemeinscha­ftsprodukt­ion des Solinger Museums mit dem Museum für Gegenwarts­kunst in Krakau, auch in New York. In diesem Jahr, in dem sich das Ende des Zweiten Weltkriege­s und die Gründung der Uno zum 75. Mal jährten, wollten das Zentrum und seine Partnerein­richtungen ihre Erinnerung­sarbeit gebündelt vorstellen. Tracey Petersen vom „Holocaust and the United Nations Outreach Programme“regte angesichts der Corona-pandemie schließlic­h die Online-ausstellun­g an. „Wir sind eine globale Familie und alle Teil der Geschichte“, betont sie.

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