Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Erfahrung der Ohnmacht

Die Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d tagt erstmals digital.

- VON BENJAMIN LASSIWE

BERLIN Es war eine Premiere: Vor dem Hintergrun­d der Corona-krise tagte die Synode, das Kirchenpar­lament, der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d am Sonntag und am Montag ausschließ­lich im Internet. Die Corona-krise sei eine „Erfahrung von Ohnmacht, die uns vielleicht in unserem persönlich­en Leben vertraut ist, die wir aber als Gesellscha­ft so noch nicht kannten“, sagte der Ekd-ratsvorsit­zende, Bischof Heinrich Bedford-strohm. In seinem Bericht erinnerte er an jene Menschen, die während der Corona-pandemie allein sterben mussten. Der Theologe regte an, die stillen Feiertage im November zu nutzen, um Pandemieop­fer zu gedenken. „Wir werden um all die Menschen trauern und für sie beten, die in der Zeit der Pandemie gestorben sind“, sagte Bedford-strohm.

Zuvor hatte bereits Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier die Rolle der Kirche in der Corona-krise betont. „Es ist meine tiefe Überzeugun­g: Wir brauchen die Stimme der Kirche gerade jetzt und auch in

Zukunft“, sagte das Staatsober­haupt in einem Videogrußw­ort. „Wir brauchen die Kirche als Kraft, die Orientieru­ng und Halt gibt, die Zusammenha­lt fördert. Wir brauchen die Gemeinscha­ft im Glauben.“

Doch die EKD steht auch selbst vor großen Herausford­erungen. Am Sonntag debattiert­en die Synodalen

Frank-walter Steinmeier Bundespräs­ident über ein Positionsp­apier mit zwölf Leitsätzen für die Zukunft der Kirche und die Neuorienti­erung der Finanzstra­tegie der EKD. Und dabei wurde deutlich, dass die Finanzen der deutschen Protestant­en noch angespannt­er sind als bisher bekannt. Allein in diesem Jahr rechnen die EKD und die Landeskirc­hen mit Mindereinn­ahmen bei der Kirchenste­uer von 8,5 bis elf Prozent. „Es sind einschneid­ende Maßnahmen notwendig“, sagte das Ekd-ratsmitgli­ed Andreas Barner. Bis 2030 will man ein Haushaltsv­olumen von 17 Millionen Euro einsparen. Wie Barner betonte, soll das mit Hilfe einer Prioritäte­nsetzung statt eines Rasenmäher­prinzips geschehen. So würden etwa die Relevanz einer Aufgabe für die öffentlich­e Sichtbarke­it der evangelisc­hen Kirche und die Mitgliedsb­indung besonders berücksich­tigt.

Doch die in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung vorgeschla­genen Sparmaßnah­men wollen die Synodalen erst auf 2021 in einer dann neu konstituie­rten Synode beschließe­n. Dass es in den nächsten Wochen und Monaten nun einen Wettbewerb darum geben könnte, wer am lautesten für seine Fördermitt­el schreit, schloss Barner aus: „Das geht jetzt in die Gremien.“

Doch während der Synodaltag­ung hatte dieser Wettbewerb bereits wahrnehmba­r begonnen: Denn natürlich hatte jeder Synodale andere Vorstellun­gen davon, welches Thema wie wichtig für die Kirche ist. Kürzungen, zum Beispiel bei wissenscha­ftlichen Bibliothek­en, kirchliche­n Hochschule­n und weiteren Einrichtun­gen, wurden deswegen scharf kritisiert.

„Wir brauchen die Stimme der Kirche gerade jetzt und auch in Zukunft“

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