Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Immer mehr Gewalt im Amateurfußball
Faustschläge gegen Schiedsrichter, Massenschlägereien – Trainer und Betreuer wollen gegen Gewalt auf dem Fußballplatz vorgehen.
DÜSSELDORF Durch Gewaltszenen sind Fußball-amateurclubs aus Düsseldorf in den letzten Monaten immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Der folgenschwere Faustschlag eines Spielers vom Garather SV gegen den Schiedsrichter führte bei einer Partie in Eller zum Spielabbruch und machte einen Rettungseinsatz erforderlich.
Akteure der Sfd-reserve waren nach einem vorzeitigen Spielabbruch in Hilden in eine Massenprügelei verwickelt und hatten den Keeper des AC Italia krankenhausreif getreten. Die Polizei verhängte Strafanzeigen gegen sechs Gäste-akteure. In Hassels streckte ein Spieler vom FC Kosova II den Unparteiischen nieder, wurde dafür nun für acht Jahre gesperrt und muss vor Gericht. In der Auswärtspartie bei den Sportfreunden Gerresheim sorgte das Kreisliga-a-team des FC Kosova mit einem provozierten Spielabbruch für einen Eklat. Und erst in der vergangenen Woche wurde das Verfahren gegen einen Spieler
des SFD abgeschlossen, der 2016 in einem Spiel gegen SSV Erkrath einem Gegenspieler mehrere Zähne ausgeschlagen hatte. Neben einer Spielsperre und einer Bewährungsstrafe muss der heute 26-Jährige 15.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Die Gewalt im Amateurfußball scheint jedoch vor allem in jüngster Zeit zuzunehmen. Die Fälle häufen sich, die Verantwortlichen sind auf der Suche nach Lösungsansätzen.
Rüpelhafte Süd-clubs? Auffällig viele
der in die Streitereien und Gewaltausbrüche verwickelten Vereine stammen aus dem Düsseldorfer Süden. Der Vorsitzende des Fußballkreises Düsseldorf, Bernd Biermann, sieht – trotz erkennbarer Häufung – keinen regionalen Zusammenhang. „Dafür gibt es keine Hinweise“, betont Biermann und verweist auf eine allgemeine Zunahme von Aggression auf den Sportplätzen – insbesondere gegen die Unparteiischen. „Die Spruchkammer ist nahezu täglich im Einsatz“, berichtet Biermann. Strafmaßnahmen allein würden allerdings nicht ausreichen, um die Ausbrüche in den Griff zu bekommen.
Corona und Aggressivität Einschränkungen im Alltag wegen der Corona-maßnahmen bleiben bei allen Bürgen nicht ohne Folgen. Ein Anstieg von Unsicherheit, Ungeduld und Ärger ist allseits zu spüren. Auf eine zunehmend aggressive Stimmung – etwa bei Polizeieinsätzen – weist die Polizeigewerkschaft hin. Umfrageergebnisse belegen ein erhöhtes Stressgefühl in der Bevölkerung. Selbst eine Steigerung von Aggressivität im Straßenverkehr lasse sich feststellen. „Die Lage birgt Konfliktpotenzial“, bringt es die Tübinger Psychologin Ursula Gasch auf den Punkt. Davon bleibt auch der Fußball nicht verschont – und der Sport könnte zum Ventil für die aufgestauten Aggressionen werden.
Emotionen und Fußball „Fußball geht nicht ohne Emotionen“, stellt Sfd-fußballobmann Lutz Grünewald zu Recht fest. Emotionen dürften allerdings nicht zu Gewalt führen. „Verbale Entgleisungen wird es immer mal geben“, räumt Bernd Biermann ein. Faustschläge gegen Unparteiische sprengen jedoch die Grenze des Erträglichen. „Gewalt hat im Fußball nichts zu suchen“, mahnt auch Uwe Grüters vom SV Wersten 04 und ist sich dabei mit allen Verantwortlichen der Südclubs einig.
Welche Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden? Trainer und Betreuer schätzen die Situation ein: Den größten Einfluss auf eine Mannschaft haben Trainer und Betreuer, die schon bei der Mannschaftsaufstellung steuernd eingreifen können. Unverbesserliche „Hitzköpfe“dürfen – so schwer es im Einzelfall fällt – nicht zum Einsatz kommen. Eindringliche Appelle gehören, auch wenn sie irgendwann nerven, zur Kabinenansprache. „Allerdings können wir jedem Spieler nur vor den Kopf gucken“, sieht Helmut Röder, Geschäftsführer der Gsv-fußballabteilung, die Möglichkeiten eingeschränkt. Situative Ausraster
einzelner Spieler seien nicht vorhersehbar, die Gruppendynamik lasse solche Explosionen zuweilen auf ganze Mannschaften übergreifen.
Vorbildfunktion „Trainer und Betreuer müssen Respekt vorleben“, betont Michael Boll vom TSV Urdenbach. Respekt und Disziplin – auch innerhalb der Mannschaften – müssten schon in den Nachwuchsteams einen hohen Stellenwert besitzen. „Wer sich nicht benimmt, fliegt“, wird Sebastian Linden als Vorsitzender des VFL Benrath deutlich. Fatbardh Ilazi, Vorsitzender des FC Kosova, hat nach dem Vorfall in Hassels den Ausschluss von Spielern angekündigt.
Workshops Seitens des Fußballkreises Düsseldorf sind gemeinsame Arbeitstagungen mit Trainern geplant. Aufgrund der Corona-lage konnte jedoch erst eine Arbeitsgruppe zusammenkommen. „Möglicherweise müssen wir jetzt auf Videokonferenzen zurückgreifen“, kündigt Biermann an.