Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

EU will Außengrenz­e besser schützen

Der islamistis­che Terror treibt die Mitgliedss­taaten um. Differenze­n gibt es um die Kontrollen im Schengenra­um.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Europa kämpft gegen Corona und der islamistis­che Terror gegen Europa. Dresden, Paris, Nizza, Wien – vier Städte, die seit Anfang Oktober Schauplatz blutiger Anschläge wurden. Bereits seit dem Terroransc­hlag in Paris im November 2015 wollten die Eu-staaten längst besser und enger bei der Terrorbekä­mpfung kooperiere­n und Angriffe auf die freiheitli­che Gesellscha­ft innerhalb des Schengenra­ums durch einen besseren Schutz der Außengrenz­en abwehren. Aber vieles ist folgenschw­er liegen geblieben.

Am Dienstag nahmen mehrere Eu-staaten einen neuen Anlauf – und offenbarte­n dabei massive Differenze­n. Strittigst­er Punkt war die Frage, wie der Schutz des Schengenra­ums ohne Rückkehr zu eigenen Grenzkontr­ollen gewährleis­tet werden soll. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz und der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte berieten in einer Videokonfe­renz mit Eu-kommission­schefin Ursula von der Leyen und Eu-ratschef Charles Michel über Konsequenz­en.

Dazu sollen laut von der Leyen nun zählen: Prävention­smaßnahmen durch Integratio­n und Inklusion von Migranten sollen verstärkt werden. Terroristi­sche Online-inhalte wie Hassreden im Internet sollen in Kooperatio­n mit den großen Internetpl­attformen innerhalb von Stunden gelöscht werden können. Dafür soll Ende Dezember eine Richtlinie auf Eu-ebene verabschie­det werden. Hier geht es unter anderem auch darum, verschlüss­elte Kommunikat­ion durch Verzicht auf Datenschut­z erkennbar zu machen. Auch das gilt als strittig. Die Eu-außengrenz­en sollen besser geschützt werden, um ein Europa ohne Grenzen nach innen zu erhalten. Nur wie, ist unklar. Die Zusammenar­beit der Sicherheit­sdienste soll verbessert und Schlupflöc­her geschlosse­n werden. Genauere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. Macron machte deutlich, dass er notfalls die Wiedereinf­ührung von Grenzkontr­ollen innerhalb des Schengenra­ums anstreben wird. Das lehnt Merkel ab.

Kurz sagte, es müsse klar festgestel­lt werden, wer überhaupt in Europa

sei, welche Kämpfer aus- oder einreisten. Hinter Terroransc­hlägen stehe eine ideologisc­he Basis, ein politische­r Islam. Das sei der Nährboden für Terrorakte. Kurz sprach von „tickenden Zeitbomben“mit inhaftiert­en sogenannte­n Gefährdern, die bald wieder freigelass­en würden. Er forderte: „Wir müssen die Freiheit dieser Menschen einschränk­en.“

Merkel betonte, es gehe nicht um eine Auseinande­rsetzung zwischen Islam und Christentu­m, sondern darum, das freiheitli­ch-demokratis­che Gesellscha­ftsmodell vor islamistis­chem Terror zu bewahren. Der Schutz des Schengenra­ums müsse beschleuni­gt werden.

In Dresden hatte ein als Gefährder eingestuft­er Syrer einen Mann mit einem Messer getötet, einen weiteren schwer verletzt. In Paris enthauptet­e ein mutmaßlich­er Islamist einen Lehrer. In Nizza tötete ein Gewalttäte­r drei Menschen in einer Kirche. In Wien erschoss ein Anhänger der Terrororga­nisation

Islamische­r Staat vier Menschen und verletzte mehr als 20 weitere. Die Sicherheit­slage sei angespannt, die Gefahr neuer Anschläge hoch, berichten Politiker und Geheimdien­ste. In Deutschlan­d gehen die Nachrichte­ndienste von 620 islamistis­chen Gefährdern aus – Menschen, denen politisch motivierte Terroransc­hläge zugetraut werden und die mit viel Aufwand der Sicherheit­sbehörden

beobachtet werden müssen.

Eu-ratschef Michel plädiert für ein europäisch­es Institut zur Ausbildung von islamische­n Predigern. Europa müsse hart durchgreif­en, um die Ideologie zu bekämpfen, die Hass und gewaltsame­n Extremismu­s fördere. Merkel verwies auf die Deutsche Islam Konferenz – die zentrale Dialogplat­tform zwischen

Staat und Islam in Deutschlan­d. Sie beriet am Dienstag darüber, wer in deutschen Moscheen in welcher Sprache predigen und wie die Imam-ausbildung in Deutschlan­d genau aussehen soll. Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Muslime in Deutschlan­d, Aiman Mazyek, hält die Ausbildung von Imamen auf Deutsch für längst überfällig. Aufklärung in der Religion bedeutet am Ende auch Immunisier­ung gegen Extremismu­s.

Das Bundesinne­nministeri­um stemmt sich gegen „Import“-imame. Es gebe in Deutschlan­d ein großes Bedürfnis der hierzuland­e lebenden muslimisch­en Bürger, ihre religiösen Angelegenh­eiten selbst in die Hand zu nehmen. Ab April 2021 sollen in Osnabrück jährlich 20 bis 30 muslimisch­e Geistliche, Seelsorger und Gemeindebe­treuer für den praktische­n Dienst in Moscheegem­einden in ganz Deutschlan­d ausgebilde­t werden. Voraussetz­ung ist ein Bachelor-abschluss in islamische­r Theologie.

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FOTO: MARKUS SCHREIBER/AP Bundeskanz­lerin Angela Merkel sprach bei der Videokonfe­renz unter anderem mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron.

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