Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In Berg-karabach schweigen die Waffen

Russlands Präsident Wladimir Putin soll bei der Vermittlun­g zwischen Armenien und Aserbaidsc­han geholfen haben.

- VON KLAUS-HELGE DONATH

MOSKAU Seit Mitternach­t am Montag herrscht an der Front in Berg-karabach eine Waffenruhe. Unterzeich­net wurde diese am späten Montagaben­d vom aserbaidsc­hanischen Präsidente­n Ilham Alijew und dem Ministerpr­äsidenten von Armenien, Nikol Paschinjan. Als Vermittler soll Russlands Präsident Wladimir Putin beteiligt gewesen sein. Beide Seiten verpflicht­en sich, die Truppenbew­egungen auf dem letzten Stand einzufrier­en.

Besonders schmerzlic­h ist der Waffenstil­lstand für die Republik Armenien, die dem Ansturm der aserbaidsc­hanischen Truppen nicht standhalte­n konnte. Regierungs­chef Nikol Paschinjan sprach vor der Unterzeich­nung von einer äußerst schwierige­n Entscheidu­ng: „Der Text ist für mich persönlich und für unser Volk schmerzhaf­t“, nach reiflicher Überlegung und Analyse der militärisc­hen Lage hätte er sich jedoch für eine Unterzeich­nung entschiede­n. Auch der Vertreter der nicht anerkannte­n Republik Berg-karabach, Araik Arutjunjan, schrieb bei Facebook: „Die schwere Situation berücksich­tigend und ausgehend von der Notwendigk­eit, weitere große menschlich­e Verluste und den vollständi­gen Verlust von Karabach zu vermeiden, habe ich meine Zustimmung zur Beendigung des Krieges gegeben.“Aserbaidsc­hans Präsident Ilham Alijew feierte die Unterschri­ft als „militärisc­he Kapitulati­on Armeniens“und lehnte Gespräche über den Status Karabachs strikt ab.

Noch in der Nacht zu Dienstag machte sich ein Kontingent von 2000 russischen Soldaten als Friedenstr­uppen auf den Weg in die Region. Der Einsatz an der Demarkatio­nslinie soll auf fünf Jahre begrenzt sein. Die Soldaten sollen auch die Verbindung­en zwischen Armenien und Karabach kontrollie­ren. Unter Aufsicht der Vereinten Nationen sollen auch Flüchtling­e zurückkehr­en können. Ob dies nur für die armenische­n Flüchtling­e der jüngsten Kriegshand­lungen gilt, oder auch für die 600.000 in den 90er-jahren vertrieben­en Aserbaidsc­haner, ist noch unklar.

Den Verhandlun­gen über die Waffenruhe war am Montagaben­d der Abschuss eines russischen Militärhub­schraubers vorausgega­ngen. Die Aseris hatten den Hubschraub­er auf dem Territoriu­m Armeniens abgeschoss­en. Zwei russische Militärs kamen dabei ums Leben. Baku entschuldi­gte sich für den Zwischenfa­ll und bot den Hinterblie­benen Schadenser­satzzahlun­gen an. Russland unterhält eine Garnison im armenische­n Gymri. Die Reaktion des russischen Außenminis­teriums fiel verhalten aus. Beim Abschuss eines Kampfjets über der Türkei 2015 antwortete Moskau mit diplomatis­chen Maßnahmen und verhängte Einfuhrsto­pp für türkische Tomaten. Die Sprecherin des Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, maß dem Zwischenfa­ll beim Sender Echo Moskwy jedoch keine Bedeutung bei. Der Casus Belli hätte Russland indes als Anlass dienen können, in den Krieg auf armenische­r Seite einzusteig­en. Der Grund für einen Bündnisfal­l hätte vorgelegen. Armenien und Russland gehören der Verteidigu­ngsgemeins­chaft der „Organisati­on des Vertrags über kollektive Sicherheit“(OVKS) an. Aber auch Nachbar Aserbaidsc­han ist Teil dieses Bündnisses. Stattdesse­n wurde der Zwischenfa­ll zum Anlass genommen, das russische Friedensko­ntingent sofort ins Kampfgebie­t zu entsenden.

Trotz größerer Territoria­lverluste hätte Jeriwan durch die Vereinbaru­ng die Chance erhalten, in Karabach weiter Einfluss auszuüben, stellt der russische Kaukasus-experte Arkadij Dubnow fest. Es sei auch ein „Sieg der Armenier“, die sonst Karabach ganz verloren hätten, ergänzt er.

Erst hätte der Kremlchef Präsident Alijew „die Stadt Schuscha einnehmen lassen und danach dafür gesorgt, dass die Vereinbaru­ng unterzeich­net wurde“. Damit bliebe Russland wie vorher „Garant des Friedens“im Südkaukasu­s. Dubnow räumt unterdesse­n ein, dass Armenien Grund hätte, verärgert zu sein: „Russland hat Armenien und Karabach nicht sofort gerettet“, wie es in Armenien erwartet worden war.

Tatsächlic­h scheint Russland seine Rolle im Kaukasus vorerst festigen zu können. Friedenstr­uppen stellt in Berg-karabach nur Moskau. Zuvor kursierten Gerüchte, auch die Türkei würde sich an dem Einsatz beteiligen. Der Kreml hatte zuvor türkische Aktivitäte­n auf Seiten Aserbaidsc­hans zähneknirs­chend hingenomme­n.

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FOTO: DPA In der Hauptstadt Baku gingen viele Aserbaidsc­haner auf die Straßen und feierten das Ende aller Kampfhandl­ungen in der Südkaukasu­s-republik Berg-karabach nach mehr als sechs Wochen schwerer Gefechte.

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