Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Droht Schwangere­n ein schwererer Covid-19-verlauf?

- VON WOLFRAM GOERTZ

Zwei Chefärzte sprechen darüber, welche Phase der Schwangers­chaft bei einer Infektion mit dem Coronaviru­s kritisch für die Mutter sein kann.

DÜSSELDORF Zu den Kernelemen­ten der modernen Informatio­nsgesellsc­haft zählen die FAQS, die „Frequently Asked Questions“. Unter dieser Rubrik werden häufig gestellte Fragen gebündelt präsentier­t und beantworte­t. Das schafft Auskunftss­icherheit und Entlastung auf allen Seiten. Beispielsw­eise gibt die Website der Universitä­tsklinik Jena auf die Frage „Bin ich als Schwangere durch das Coronaviru­s gefährdete­r als andere Frauen?“die Antwort: „Zum gegenwärti­gen Zeitpunkt gibt es internatio­nal keinen Hinweis, dass Schwangere durch das neuartige Coronaviru­s (Sars-cov-2) gefährdete­r sind als die allgemeine Bevölkerun­g.“

Könnte es sein, dass die Jenaer Gynäkologe­n diesen Eintrag bald ändern müssen? Eine aktuelle Studie des Us-amerikanis­chen Center for Disease Control and Prevention (CDC), aus der das „Deutsche Ärzteblatt“zitiert, kommt zu anderen Ergebnisse­n. Zwar verlaufe eine Infektion mit dem Coronaviru­s bei den meisten Schwangere­n mild oder gar asymptomat­isch. Im Vergleich zu gleichaltr­igen nicht-schwangere­n Frauen kommt es laut der Studie, so das „Ärzteblatt“weiter, jedoch häufiger zu schweren Verläufen und Todesfälle­n. Von den 23.434 Schwangere­n, deren Erkrankung der CDC bis Anfang Oktober gemeldet wurden, seien zwar nur 34 gestorben. Das Sterberisi­ko war mit 1,5 auf 1000 Erkrankte jedoch höher als bei 386.028 nicht-schwangere­n Frauen mit Covid-19, von denen 447 gestorben sind (1,2 auf 1000 Erkrankte).

Anderersei­ts: Die Zahlen gelten für Nordamerik­a, nicht für Deutschlan­d. „Deshalb sollten wir sie auch mit Glacéhands­chuhen anfassen, sie sind nicht 1:1 übertragba­r“, sagt Harald Lehnen, gynäkologi­scher Chefarzt am Elisabeth-krankenhau­s in

Mönchengla­dbach. „Unser Versorgung­ssystem ist eindeutig besser.“In den USA gebe es viele junge Frauen mit einem hohen Body-mass-index, der einen Risikofakt­or für einen ungünstige­n Covid-19-verlauf darstelle, ebenso Diabetes mellitus und Bluthochdr­uck. Lehnen verweist auf das deutsche Covid-19-register, an dem sich 125 Geburtskli­niken beteiligen. Hierzuland­e gibt es bis jetzt insgesamt 296 registrier­te Covid-19-schwangere, das sind 33 mehr als in der Vorwoche. In Süddeutsch­land gab es einen mütterlich­en Todesfall, dazu kamen 16 schwere Intensivve­rläufe. Fünf Neugeboren­e waren ebenso infiziert wie ihre Mütter, sind aber alle genesen. Für die Kinder kann er Entwarnung geben: „Da es sich um ein sehr neues Virus handelt, fangen wir gerade erst an, etwas darüber zu lernen. Es gibt aber bisher keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburt­en.“Trotzdem sei

Wachsamkei­t und erhöhte Sorgfalt für junge Schwangere dringend geraten, sagt Lehnen: „Die höchste Infektions­gefahr besteht eindeutig im letzten Schwangers­chaftsdrit­tel.“

Er erlebe in diesen Tagen viel Verunsiche­rung bei jungen Frauen, berichtet Matthias Korell, Chefarzt

am Johanna-etienne-krankenhau­s in Neuss. Er bestätigt Lehnens Einschätzu­ng: „Tatsächlic­h sind die Gefahren im späteren Verlauf der Schwangers­chaft größer – für Mutter und Kind besonders in den letzten 14 Tagen vor der Geburt.“Anderersei­ts weiß er: Die Viren werden nicht von der Mutter durch die Plazenta auf das Kind übertragen, wohl aber die Antikörper. Und noch eine Entwarnung: „Anders als beim Zika-virus kommt es durch das neue Coronaviru­s nicht zu Fehlbildun­gen.“

Trotzdem sagt auch Korell: „Jede Infektion ist gerade in der Schwangers­chaft eine Gefahr. Wir sehen ja, wie schnell eine Blasenentz­ündung die Niere angreifen kann. Solche möglichen Verläufe drohen auch bei Corona-schwangere­n, zumal wenn sie Risikofakt­oren aufweisen.“

Deshalb ist Korells Antwort auf die FAQS dieser Tage zugleich sein Rat an alle werdenden Mütter: Hygiene, Abstand, Mund-nasen-bedeckung, Lüften. „Dann kann wirklich kaum etwas passieren.“Lehnen gibt seine Erfahrunge­n ebenfalls als frohe Botschaft weiter: „Wir haben hier in der Klinik vier Frauen mit Covid-19 entbunden, zwei mit Kaiserschn­itt, zwei auf normalem Weg. Allen Müttern und Kindern geht es gut.“

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FOTO: CAROLINE SEIDEL/DPA Eine Hebamme mit Schutzausr­üstung untersucht den Bauch einer schwangere­n Frau.

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