Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das Glück der Sammler
Münzen, Eierbecher, Streichholzschachteln: Es gibt kaum etwas, das nicht gesammelt werden kann. Auch im Rhein-kreis Neuss haben Privatpersonen erstaunliche Kollektionen. Ein Blick in ihre Wunderkammern.
RHEIN-KREIS Wenn Günter Fritze das Gästezimmer betritt, ist er umgeben von hunderten Eulen: Sie hocken in Regalen oder schauen neugierig aus ihrer Vitrine. Seit Jahrzehnten sammelt der 73-Jährige die Figuren: „Mittlerweile dürften es wohl 600 bis 700 sein“, erzählt er. Bis auf einige Exemplare, die im Garten stehen, ist keine von ihnen größer als zehn Zentimer. Angefangen hat alles mit einer Miniatureule, die er geschenkt bekommen hat – als Sinnbild für „Weisheit, Einsicht und Intuition.“Seitdem war es um den Kaarster geschehen, nach und nach zogen weitere Figuren bei ihm ein, bis daraus schließlich ein ganzer Eulenschwarm wurde.
Mit seiner Sammelleidenschaft ist Günter Fritze nicht allein: Auf einen Aufruf unserer Redaktion haben sich einige Menschen aus dem Rhein-kreis gemeldet, die im Laufe der Jahre erstaunliche Kollektionen zusammengestellt haben.
Da wäre zum Beispiel die Streichholzschachtelsammlung von Norbert Vosen. Die Hölzer an sich interessieren den Grevenbroicher wenig. Er hat es auf das Deckblatt abgesehen, das mal ein buntes Bild, mal nur eine Reklameschrift zeigt. Mehr als 12.000 verschiedene Exemplare hat er fein säuberlich in seine Ordner geheftet. „Früher war es leichter, neue Schachteln zu finden“, erzählt Vosen, „heutzutage werden nur noch wenig produziert.“So erinnern die Motive auch an vergangene Zeiten, an lokale Gaststätten etwa, die längst nicht mehr existieren. Mit das Schönste sei aber, dass im Grunde jeder mitmacht: Wenn Freunde, Familie oder Kollegen unterwegs ein Päckchen sehen, heben sie es für den 61-Jährigen auf.
Überhaupt sind Sammler glückliche Menschen. Das soll Goethe einst gesagt haben. Zwar wurde nie belegt, dass das Zitat wirklich von ihm stammt, aber wiedersprochen hätte er wohl nicht: Immerhin war er selbst ein leidenschaftlicher Sammler, tausende Bücher, Graphiken und Mineralien hat er nach seinem Tode hinterlassen. So richtig in Mode gekommen ist das Sammeln aber schon früher: Es waren vor allem die Fürstentümer, die „schöne Dinge“, Kostbarkeiten und Raritäten anhäuften. Aber auch naturwissenschaftliche Funde – Fossilien oder Tierskelette fanden Eingang in ihre sogenannten Wunderkammern. Sammeln war ein Versuch, die komplexe Welt zu bändigen – und zu erklären. Denn anhand der Objekte konnte auch Wissen gewonnen – oder weitervermittelt werden.
Eine Art Wissensdurst war es auch, der den Dormagener Markus Bordelius zu seiner Sammlung brachte: „Mein Vater und mein Opa hatten ein paar wenige HB Atlanten im Schrank stehen, in denen ich immer gerne gestöbert habe“, erzählt er. Bis heute faszinieren ihn die Texte, Bilder und Karten darin, aber auch, dass dort eher unbekannte Orte vorgestellt werden. Mit neun Jahren wünschte er sich seinen ersten eigenen Atlanten. „Heute habe ich nahezu alle circa 500 Hefte, angefangen bei der romantischen Strasse (von 1977) bis zum letzten Atlas der HB Reihe Madeira 2009“, sagt er. Hinzu kommen mehrere Postkarten, die er von seinen Reisen aufbewahrt.
Nicht immer können Sammler so genau wie Markus Bordelius erklären,
Jens Heins Iron-maiden-fan warum sie sich für ein Sammel-gebiet entschieden haben: Auch die Frage, warum Menschen gerne sammeln, lässt sich wissenschaftlich nicht so leicht beantworten. Das Phänomen ist so komplex, dass sich mehrere Forschungszweige damit beschäftigen. „Die Industrie bedient diese Sammelleidenschaft“, sagt Joachim Gutzke, Oberarzt der Augustinuskliniken. Zum Beispiel indem sie Sammlerstücke produziert oder Produkte herausbringt, bei denen es darum geht, möglichst viele aus einer Reihe zu haben. „Oft bewegen sich Sammler auch in einer Community, in der sie mit Seltenheitsstücken auftrumpfen können. Es wird dann in gewisser Weise ein Statussymbol“, sagt er.
Manchmal reicht allein die Fazination für etwas, um eine Sammelleidenschaft zu erwecken. So war es bei dem Jüchener Hans-jürgen Döpel, der bei einer Südafrika Reise Nashörner aus der Nähe erleben konnte. Seitdem sind mehrere Nashorn-figuren in das Heim der Eheleute Döpel gezogen. Und nicht selten überträgt sich die Faszination auch auf den Betrachter. Ins Staunen gerät zum Beispiel derjenige, der den Keller des Iron-maidenfans Jens Heins betritt: Der Grevenbroicher besitzt gut 3000 Ton- und Bildträger der Metall-band – darunter die klassische Langspielplatte, Maxis, Singles, CDS, Kasetten. Für fast jedes Format hat er ein passendes Abspielgerät. „Lediglich eine Play Station für die UMD und ein Tonbandgerät für das seltene Tonband aus Griechenland fehlen noch“, erzählt er. Ergänzt wird seine Sammlung durch verschiedene Fanartikel: „Freunde haben mir bereits unterstellt, dass ich ein eigenes Iron Maiden Museum habe“, sagt er.
Während bei Heins seine Leidenschaft
für Musik am Beginn der Sammlung stand, entstehen viele Kollektionen aber auch aus Zufall. Christiane Berg aus Neuss hätte nie gedacht, dass sie einmal anfangen wird zu sammeln – bis sie auf die Vielfalt der Zwei-euro-münze aufmerksam wurde. Und Gerda Kryszat ist in ihre Sammlung gewissermaßen hereingerutscht: Erst waren es fünf Eierbecher, die sie in einem Regel stehen hatte und weil Besucher sie fragten: „Ach sammelst du Eierbecher?“, bekam sie hin und wieder welche geschenkt. Nach und nach entstand so eine beachtliche Kollektion, 457 Eierbecher sind es mittlerweile. Auf den Frühstückstisch kommen sie aber nicht. „Ich erfreue mich einfach, dass ich sie ansehen kann“, sagt die 80-Jährige und lacht. Das muss es wohl sein, das Sammlerglück.
Freunde haben mir unterstellt, ich hätte ein eigenes Museum