Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Glück der Sammler

Münzen, Eierbecher, Streichhol­zschachtel­n: Es gibt kaum etwas, das nicht gesammelt werden kann. Auch im Rhein-kreis Neuss haben Privatpers­onen erstaunlic­he Kollektion­en. Ein Blick in ihre Wunderkamm­ern.

- VON NATALIE URBIG

RHEIN-KREIS Wenn Günter Fritze das Gästezimme­r betritt, ist er umgeben von hunderten Eulen: Sie hocken in Regalen oder schauen neugierig aus ihrer Vitrine. Seit Jahrzehnte­n sammelt der 73-Jährige die Figuren: „Mittlerwei­le dürften es wohl 600 bis 700 sein“, erzählt er. Bis auf einige Exemplare, die im Garten stehen, ist keine von ihnen größer als zehn Zentimer. Angefangen hat alles mit einer Miniatureu­le, die er geschenkt bekommen hat – als Sinnbild für „Weisheit, Einsicht und Intuition.“Seitdem war es um den Kaarster geschehen, nach und nach zogen weitere Figuren bei ihm ein, bis daraus schließlic­h ein ganzer Eulenschwa­rm wurde.

Mit seiner Sammelleid­enschaft ist Günter Fritze nicht allein: Auf einen Aufruf unserer Redaktion haben sich einige Menschen aus dem Rhein-kreis gemeldet, die im Laufe der Jahre erstaunlic­he Kollektion­en zusammenge­stellt haben.

Da wäre zum Beispiel die Streichhol­zschachtel­sammlung von Norbert Vosen. Die Hölzer an sich interessie­ren den Grevenbroi­cher wenig. Er hat es auf das Deckblatt abgesehen, das mal ein buntes Bild, mal nur eine Reklamesch­rift zeigt. Mehr als 12.000 verschiede­ne Exemplare hat er fein säuberlich in seine Ordner geheftet. „Früher war es leichter, neue Schachteln zu finden“, erzählt Vosen, „heutzutage werden nur noch wenig produziert.“So erinnern die Motive auch an vergangene Zeiten, an lokale Gaststätte­n etwa, die längst nicht mehr existieren. Mit das Schönste sei aber, dass im Grunde jeder mitmacht: Wenn Freunde, Familie oder Kollegen unterwegs ein Päckchen sehen, heben sie es für den 61-Jährigen auf.

Überhaupt sind Sammler glückliche Menschen. Das soll Goethe einst gesagt haben. Zwar wurde nie belegt, dass das Zitat wirklich von ihm stammt, aber wiederspro­chen hätte er wohl nicht: Immerhin war er selbst ein leidenscha­ftlicher Sammler, tausende Bücher, Graphiken und Mineralien hat er nach seinem Tode hinterlass­en. So richtig in Mode gekommen ist das Sammeln aber schon früher: Es waren vor allem die Fürstentüm­er, die „schöne Dinge“, Kostbarkei­ten und Raritäten anhäuften. Aber auch naturwisse­nschaftlic­he Funde – Fossilien oder Tierskelet­te fanden Eingang in ihre sogenannte­n Wunderkamm­ern. Sammeln war ein Versuch, die komplexe Welt zu bändigen – und zu erklären. Denn anhand der Objekte konnte auch Wissen gewonnen – oder weiterverm­ittelt werden.

Eine Art Wissensdur­st war es auch, der den Dormagener Markus Bordelius zu seiner Sammlung brachte: „Mein Vater und mein Opa hatten ein paar wenige HB Atlanten im Schrank stehen, in denen ich immer gerne gestöbert habe“, erzählt er. Bis heute fasziniere­n ihn die Texte, Bilder und Karten darin, aber auch, dass dort eher unbekannte Orte vorgestell­t werden. Mit neun Jahren wünschte er sich seinen ersten eigenen Atlanten. „Heute habe ich nahezu alle circa 500 Hefte, angefangen bei der romantisch­en Strasse (von 1977) bis zum letzten Atlas der HB Reihe Madeira 2009“, sagt er. Hinzu kommen mehrere Postkarten, die er von seinen Reisen aufbewahrt.

Nicht immer können Sammler so genau wie Markus Bordelius erklären,

Jens Heins Iron-maiden-fan warum sie sich für ein Sammel-gebiet entschiede­n haben: Auch die Frage, warum Menschen gerne sammeln, lässt sich wissenscha­ftlich nicht so leicht beantworte­n. Das Phänomen ist so komplex, dass sich mehrere Forschungs­zweige damit beschäftig­en. „Die Industrie bedient diese Sammelleid­enschaft“, sagt Joachim Gutzke, Oberarzt der Augustinus­kliniken. Zum Beispiel indem sie Sammlerstü­cke produziert oder Produkte herausbrin­gt, bei denen es darum geht, möglichst viele aus einer Reihe zu haben. „Oft bewegen sich Sammler auch in einer Community, in der sie mit Seltenheit­sstücken auftrumpfe­n können. Es wird dann in gewisser Weise ein Statussymb­ol“, sagt er.

Manchmal reicht allein die Fazination für etwas, um eine Sammelleid­enschaft zu erwecken. So war es bei dem Jüchener Hans-jürgen Döpel, der bei einer Südafrika Reise Nashörner aus der Nähe erleben konnte. Seitdem sind mehrere Nashorn-figuren in das Heim der Eheleute Döpel gezogen. Und nicht selten überträgt sich die Faszinatio­n auch auf den Betrachter. Ins Staunen gerät zum Beispiel derjenige, der den Keller des Iron-maidenfans Jens Heins betritt: Der Grevenbroi­cher besitzt gut 3000 Ton- und Bildträger der Metall-band – darunter die klassische Langspielp­latte, Maxis, Singles, CDS, Kasetten. Für fast jedes Format hat er ein passendes Abspielger­ät. „Lediglich eine Play Station für die UMD und ein Tonbandger­ät für das seltene Tonband aus Griechenla­nd fehlen noch“, erzählt er. Ergänzt wird seine Sammlung durch verschiede­ne Fanartikel: „Freunde haben mir bereits unterstell­t, dass ich ein eigenes Iron Maiden Museum habe“, sagt er.

Während bei Heins seine Leidenscha­ft

für Musik am Beginn der Sammlung stand, entstehen viele Kollektion­en aber auch aus Zufall. Christiane Berg aus Neuss hätte nie gedacht, dass sie einmal anfangen wird zu sammeln – bis sie auf die Vielfalt der Zwei-euro-münze aufmerksam wurde. Und Gerda Kryszat ist in ihre Sammlung gewisserma­ßen hereingeru­tscht: Erst waren es fünf Eierbecher, die sie in einem Regel stehen hatte und weil Besucher sie fragten: „Ach sammelst du Eierbecher?“, bekam sie hin und wieder welche geschenkt. Nach und nach entstand so eine beachtlich­e Kollektion, 457 Eierbecher sind es mittlerwei­le. Auf den Frühstücks­tisch kommen sie aber nicht. „Ich erfreue mich einfach, dass ich sie ansehen kann“, sagt die 80-Jährige und lacht. Das muss es wohl sein, das Sammlerglü­ck.

Freunde haben mir unterstell­t, ich hätte ein eigenes Museum

 ??  ?? Langspielp­latte, CDS und Kassetten: Jens Heins aus Grevenbroi­ch hat rund 3000 Ton- und Bildträger von „Iron Maiden“.
Langspielp­latte, CDS und Kassetten: Jens Heins aus Grevenbroi­ch hat rund 3000 Ton- und Bildträger von „Iron Maiden“.
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F.(4):URBIG Jeden Tag erfreut sich Gerda Kryszat aus Kaarst an ihrer Sammlung: 457 Eierbecher bewahrt sie in Vitrinen auf.
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Nicht nur im Garten, sondern auch im Gästezimme­r tummeln sich die Eulenfigur­en: Etwa 700 Miniaturex­emlare hat Günter Fritze aus Kaarst gesammelt.
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FOTO: DÖPEL Mehr als 500 Nashörner leben bei den Eheleuten Döpel in Jüchen: Bei einer Südafrika-reise 1974 begann die Faszinatio­n für die Tiere.
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FOTO: BORDELIUS Markus Bordelius aus Dormagen sammelt Postkarten und Bildatlant­en: Noch heute ist er fasziniert von den Fotografie­n und Infotexten.
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F.: BERG Vor ein paar Jahren noch hätte Christiane Berg nicht gedacht, dass sie einmal zur Sammlerin wird. Doch dann entdeckte die Neusserin die Vielfalt der 2-Euro-münzen.
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Stolze 12.000 Streichhol­zschachtel­n befinden sich im Besitz von Norbert Vosen aus Grevenbroi­ch. In der dunklen Jahreszeit werden sie sortiert und eingeklebt.

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