Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Brust oder Keule? Gänsebraten bleibt im Lockdown gefragt
Martinszeit ist Gänsezeit. Diese Gleichung geht im Rheinland auf, selbst wenn eine Pandemie die Schließung aller Restaurants und Gasthäuser diktiert. Der Gänsebraten, auf den viele Familien rund um den 11. November nicht verzichten möchten, dominiert aktuell den Außerhausverkauf der Gastronomiebetriebe. Mit „weit über 50 Prozent“gibt Marika Weinhold-blum, die Chefin im Restaurant „Spitzweg“am Glockhammer in Neuss, den Anteil der Gänsegerichte am Gesamtumsatz an.
Weinhold-blums Eindruck bestätigt Uwe Müller von der Brasserie „Bohai“an der Hansastraße im Hafen: „Also bei uns läuft seit vergangenen Mittwoch Gans ohne Ende. Wir haben bereits 50 ganze Gänse bis Sonntag verarbeitet“. Die Gänsezeit inspiriert offenbar das To-go-geschäft der Gasthäuser rund um das erste Lockdown-wochenende. „Der Samstag lag auf dem Niveau des Ostersonntag in der ersten Lockdown-phase“, sagt Erich Tiefenbacher vom „Herzog von Burgund“an der Erftstraße
in Neuss. Allerdings, so der angesehene Koch, sei das Außerhausgeschäft anstrengend und arbeitsintensiv: „Im Regelbetrieb ist das alles etwas ruhiger.“
Auch im „Liedberger Landgasthaus“in Korschenbroich-liedberg beherrscht die Nachfrage nach „Brust oder Keule“das Geschäft. Es sei aber angenehm, „dass wir uns nicht neu erfinden mussten“, sagt Chefin Simone Schmitt, „wir wissen jetzt wie es geht.“Zudem hätten die Gäste an Sicherheit gewonnen: „Die haben erkannt, dass unser System funktioniert.“
In diesen Tenor stimmt Carmen Stappen von gleichnamigen Gasthaus in Korschenbroich-steinhausen ein: „Es ist einfacher, weil unsere Prozesse erprobt und unsere Gäste informiert sind.“Die so gewonnene Energie habe das Stappen-team für ein neues Projekt genutzt: Ein Genuss- und Delikatessen-shop wurde im Restaurant eingerichtet: „Wer bei uns seine Vorbestellungen abholt, kann parallel dazu noch etwas Einkaufsatmosphäre schnuppern.“Unter anderem bietet Stappen Produkte der Sylter Spitzengastronomen Johannes King und Alexandro Pape an, der einst drei Jahre im „Herzog von Burgund“am Herd stand – so klein ist die Welt.
Zu den gefragten Küchen gehört – nicht nur, aber auch – in Lockdownzeiten das „Stübchen“an der Preußenstraße in Neuss, wo das Ehepaar Annett und Axel Buß seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreich Regie führt. Wer bis 21.30 Uhr sein Gänsegericht vorbestellt, kann für den nächsten Tag eine Uhrzeit zum Abholen vereinbaren. Die Gänse an den heimatlichen Tisch lässt das „Weiße Haus“an der Michaelstraße in Neuss flattern. Die originelle Überschrift für das klassische Angebot lautet „Flying Gans“. Auch einige Meter weiter, im Traditionshaus „Im Dom“wird die „Gans to go“serviert. Einfallsreich ist aber das Motto für ein anderes klassisches Gericht: „Haxe is coming Home“.
Hatte Kay Schloßmacher mit seinem Pop-up-restaurant im Sommer im Gare du Neuss an der Karl-arnold-straße in Neuss noch Erfolg, so musste er jetzt seine Idee von „Gans and Roses“schweren Herzens absagen. „Wir waren ausverkauft. Es wären 900 Gänseessen gewesen“, sagt der kreative Gastronom. Nun hofft er, dass er mit seinem Glühwein-event „Rendez-vouz Lunaire“im Dezember an den Start gehen kann. Schloss Friedestrom in Zons hat sein Restaurant geschlossen. „Der Personalund Energieaufwand wäre gegenüber dem zu erwartenden Ertrag zu hoch und somit unwirtschaftlich gewesen“, sagt Chefin Marion Allard. lue