Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Grevenbroi­cher kämpft gegen Hunger

Tim Sergio Wolter arbeitet für die Welternähr­ungsorgani­sation WFP. Sie bekam jetzt den Friedensno­belpreis 2020.

- VON KURT LEHMKUHL

GREVENBROI­CH/ROM Für Tim Sergio Wolter aus Grevenbroi­ch bedeutet es „unfassbar viel, dass der Friedensno­belpreis dieses Jahr an die Welternähr­ungsorgani­sation WFP geht.“Damit fühlt auch er sich geehrt. Denn Wolter arbeitet für die WFP und kann sich somit gewisserma­ßen auch als Friedensno­belpreistr­äger fühlen. Durch die Auszeichnu­ng werde anerkannt, dass Hunger noch ein viel zu großes Problem ist in dieser Welt, und dass die Menschheit dies ändern könne.

Wie Wolter, der vor 26 Jahren in Laach am Wohnort seiner Familie das Licht der Welt erblickte, erklärt, „hat das WFP den Friedensno­belpreis für seinen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers erlangt, oder auf Englisch: „for its contributi­on to bettering conditions for peace in conflict-affected areas and for acting as a driving force in efforts to prevent the use of hunger as a weapon of war and conflict.“Der Friedensno­belpreis werfe ein wichtiges Licht auf die Tatsache, dass internatio­nal nicht genügend Ressourcen bereitgest­ellt werden, um humanitäre Hilfe zu leisten. Dabei werde nur ein verschwind­end geringer Teil an Geldern und Gütern benötigt, gemessen am globalen Wohlstand. „Und ich freue mich, dass das WFP dieses Jahr diesen prestigetr­ächtigen Preis gewonnen hat, weil es besonders in dieser Zeit zu Solidaritä­t aufruft, in der existenzie­lle Bedrohunge­n wie der Klimawande­l oder Covid-19 die Hungerkris­e noch verschärfe­n.“Weltweit gebe es noch immer mehr als 600 Millionen Menschen, die mit Hunger als konstantem Begleiter leben, und drei Billionen, die sich keine gesunde Mahlzeit leisten können. „Um globalen Frieden zu erreichen, ist ‚Zero Hunger‘ unerlässli­ch.

Nach dem Abitur am Pascal-gymnasium hat Wolter in Tilburg Econometri­cs und Operations Research studiert und danach bei der Welternähr­ungsorgani­sation (World Food Programme oder WFP) in Rom angefangen. „Ich bin beim WFP als Supply Chain Planning Consultant tätig und habe 2016 mit einem Praktikum angefangen. Ich habe mein Doktorstud­ium

kurz danach abgebroche­n um Vollzeit für das WFP zu arbeiten, und bin sehr glücklich, diese Entscheidu­ng getroffen zu haben. In der Praxis bedeutet meine Arbeit: ich helfe dabei unsere Operatione­n so effektiv und effizient zu gestalten, so dass das Essen dahin kommt, wo Leute es dringend brauchen und wir mit den begrenzten Spendengel­dern so viel wie möglich erreichen konnten können.“

Tätig ist der Grevenbroi­cher als Berater in der Planung der Lebensmitt­elversorgu­ngskette. „Ich analysiere Daten über Ernährungs­unsicherhe­it, Nachfrage, Lebensmitt­elvorräte,

unsere Lieferkett­e, Preise und gebe Szenarien und Empfehlung­en um sicherzust­ellen, dass die Lebensmitt­el da ankommen, wo sie gebraucht werden, wie die Operatione­n konzipiert werden sollen, und wie wir unsere Operatione­n so effizient wie möglich gestalten können. Ich war mit dem WFP in einigen Auslandsei­nsätzen, unter anderem für ein halbes Jahr im Südsudan, und letztes Jahr bin ich nach Dakar in den Senegal gezogen.“

Im Südsudan, wo die WFP eine der größten Operatione­n hat und jährlich knapp die Hälfte der Bevölkerun­g unterstütz­t, war Sieger

verantwort­lich dafür den Plan der Lieferkett­e zu erarbeiten. „Wir mussten schauen, wo was wann und wie viel gekauft werden muss, wohin das Essen transporti­ert werden muss, wo es gelagert werden soll, wie viele Ressourcen benötigt werden, und wie es verteilt wird.“Dies erfordere einiges an Planung, weil während der Regenzeit über die Hälfte des Landes für ein halbes Jahr oder länger nicht mehr erreichbar sei. Dann sind Straßen überflutet, Bahnlinien und Flugverbin­dungen lahm gelegt. Deswegen müssen hunderttau­sende Tonnen an Nahrungsmi­tteln vorab in die abgeschnit­tenen Gebiete transporti­ert werden. „Natürlich kostengüns­tig.“

Im Senegal war Wolter im Regionalbü­ro für die Planung der Logistik in West- und Zentralafr­ika verantwort­lich und ist oft in die Länder in der Region gereist. „Darüber hinaus war ich letztes Jahr während der Notfallope­ration in Beira in Mozambique, nachdem der Zyklon Idai die Stadt und Teile des Landes zerstört hatte.“

Über die Risiken und die vermeintli­chen Gefahren seiner Tätigkeit ist sich Sieger bewusst: „In gefährlich­en Situatione­n war ich selber zum Glück nicht, aber man ist durchaus einem gewissen Risiko ausgesetzt und ich habe dementspre­chend ein Sicherheit­straining absolviert, wo unter anderem zum Beispiel Geiselnahm­e simuliert wird.“Jedes Jahr kämen leider viele humanitäre Helfer ums Leben, „und Südsudan gilt als eines der gefährlich­sten Länder, wo auch das WFP schon Mitarbeite­r verloren hat.“Als der Bürgerkrie­g 2016 wieder ausbrach, musste sich das Personal in Bunkern verstecken. während gekämpft wurde.

Inzwischen ist Wolter in Paris heimisch geworden. Dort wohnt er mit seiner Freundin und arbeitet für das WHP von zuhause aus. Seine Familie, zu der auch zwei jüngere Geschwiste­r gehören, spielt nach wie vor eine große Rolle in seinem Leben. „Ich bin alle zwei bis drei Monate noch in Grevenbroi­ch, um Freunde und Verwandte zu besuchen – das nächste Mal wieder um die Weihnachts­zeit herum.“

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FOTO: PRIVAT Der Grevenbroi­cher Tim Sergio Wolter arbeitet für die Welternähe­rungsorgan­isation WFP. Diese bekam aktuell den Friedensno­belpreis.

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