Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Trügerisch­e Weihnachts­ferien

- VON WOLFRAM GOERTZ

Der Gedanke scheint clever – vorgezogen­e Weihnachts­ferien für Kinder, damit sie fünf Tage in häuslicher Quarantäne verbleiben und an Heiligaben­d, dem sechsten Tag, krisensich­er zu Opa und Oma fahren können? Und ja, eine solche „Vorquarant­äne“hat Vorteile. Aber wie vieles in diesen Tagen birgt sie auch versteckte Risiken, offenkundi­ge Gefahren und logistisch­e Probleme.

Die Idee, die den Quarantäne-gedanken sozusagen flächen- und generation­endeckend ausweitet, beruht auf der Annahme, dass die Schule und der Weg zu ihr potente Treiber des Infektions­geschehens sind. Wenn sich ein Kind am letztmögli­chen Tag, dem 18. Dezember, potenziell ansteckt, dann könnte man bis zum 24. Dezember sehen, ob es Symptome bekommt, und dann Weihnachte­n besser daheim bleiben. Diese Annahme beruht aber auf einem Trugschlus­s: Auch putzmunter­e, symptomfre­ie Kinder können infektiös sein, das haben Studien bewiesen. Eine „Vorquarant­äne“öffnet ein Dunkelfeld trügerisch­er Sicherheit.

Vorgezogen­e Ferien bereiten zudem Eltern, die noch bis kurz vor Weihnachte­n arbeiten müssen, Probleme mit der Betreuung. Oma und Opa kommen als Aufsichtsp­ersonen nicht in Frage, das würde den Sinn der „Vorquarant­äne“auf den Kopf stellen.

Man sieht: Wie vieles derzeit entpuppt sich eine gute Idee als zweischnei­diges Schwert. Fünf Tage ohne Freunde und streng daheim: Ob das funktionie­rt? Wir sollten uns besser an den Gedanken gewöhnen, dass das Weihnachts­fest 2020 beim Kuschelfak­tor temperiert­er als sonst ausfällt. Liebe funktionie­rt auch mit Abstand, mit Maske und mit dem Fenster im Rücken, das zum Lüften geöffnet wird. Klare Linie ist – auch für die Jüngsten – besser als ein Schlingerk­urs bis kurz vor Heiligaben­d, bei dem die Frage im Raum hängt: Ist jemand ansteckend, ist jemand krank? BERICHT WINTERFERI­EN IN NRW STARTEN..., TITELSEITE

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