Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Über die Außenbahn

Norbert Röttgen spürt plötzlich Rückenwind für seine Kandidatur um den Cdu-vorsitz.

- VON KRISTINA DUNZ, HOLGER MÖHLE UND MAXIMILIAN PLÜCK

BERLIN/DÜSSELDORF Norbert Röttgen ist auf Sendung. Der Kandidat für den Cdu-parteivors­itz funkt auf allen Kanälen. Vom Atlantik weht in diesen Tagen der Us-wahl gewisserma­ßen günstiger Wind zu ihm in den Rhein-sieg-kreis. Röttgen, Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, kann zeigen: Wer die Analyse beherrscht, der kann die Welt erklären. Und möglicherw­eise bald auch eine Partei führen. Die Tv-bildschirm­e bis hin zu einem Interview mit Cnn-frontfrau Christiane Amanpour sind für ihn zur Bühne geworden. Zu einer nächsten großen Vorstellun­gsrunde für ein großes Vorhaben: Vorsitzend­er der Bundes-cdu zu werden.

Am 8. November hatte er sein bis dato erhebliche­s Reiseprogr­amm in die Cdu-landesverb­ände nach einem Corona-kontakt unterbrech­en müssen. Aber bald kann er wieder unter Menschen. Wobei Röttgen, dem bis dato im Rennen mit Armin Laschet und Friedrich Merz um Cdu-vorsitz allenfalls Außenseite­rchancen eingeräumt wurden, Meter macht. Er kommt über die Außenbahn. Unlängst hat ihn die Junge Union (JU) bei einer Mitglieder­befragung auf Platz zwei gewählt, klar hinter Merz, was nicht überrascht, aber deutlich vor Laschet. Der Kandidat sagt, ohne dabei zu sehr auf den Putz zu hauen: „Ich liege ganz gut im Rennen.“

Klar, es gibt bis heute böse Stimmen im Nrw-landesverb­and, die Röttgen Vergangene­s nicht verzeihen wollen. „Bei Armin Laschet erinnern sich viele gerne an die gemeinsam mit großem Engagement gewonnene Landtagswa­hl 2017“, sagt etwa Cdu-fraktionsc­hef Bodo Löttgen. „Zusammen mit der Anerkennun­g einer starken Führungsle­istung trotz schwierige­r Lage ist das in jeder Fraktionss­itzung spürbar. Dem gegenüber steht das historisch schlechtes­te Wahlergebn­is von 2012, das Norbert Röttgen zu verantwort­en hatte.“Ein Landesvors­tandsmitgl­ied, das Röttgen nach eigenen Angaben 2010 mit zum Landeschef gewählt hat, geht sogar noch weiter: Dieser habe mit seiner „besserwiss­enden Sturheit die größte Krise in der Geschichte der NRW-CDU verursacht“. Ein „kluger Kopf“sei er, aber „definitiv kein Teamspiele­r“.

Ob die Erinnerung an eine verlorene Wahl verfängt, vor allem: Ob am Ende eine Mehrheit der Delegierte­n eines Cdu-bundespart­eitages den alten Erzählunge­n folgen will oder lieber eine neue Geschichte mit Röttgen starten würde, ist offen. Denn dieser Parteitag wird anders. Wenn sich die Corona-lage nicht ändert, wird er sehr digital. Und digital kann Röttgen, wie ein gut vernetzter Delegierte­r aus Westfalen anerkennt. „Es ist schon bemerkensw­ert, wie er derzeit social-media-technisch aufrüstet, sich mit dem Hund auf der Terrasse ablichtet. Die Performanc­e ist gut“, erzählt der Parteifreu­nd. Jetzt auch zu Hause beim Laubharken, wie sich Röttgen am Freitag bei Facebook zeigte. Der Kandidat selbst ist ganz offenbar auf einen Flirt mit der Kamera eingestell­t: „Eine Parteitags­rede lebt auch von Emotion und Präsenz. Ein digitaler Parteitag ist insofern etwas völlig anderes“, erzählt der 55 Jahre alte promoviert­e Jurist am Telefon.

Röttgen ist in diesen Wochen viel unterwegs. 16 Landesverb­ände, die alle Delegierte für den Parteitag abstellen, wollen besucht, besprochen, gesichtet sein. Die Menschen wollen sehen, wen sie eventuell zu ihrem nächsten Bundesvors­itzenden wählen und damit womöglich auch zum gemeinsame­n Kanzlerkan­didaten der Unionspart­eien machen.

Röttgen kommt in diesem Kandidaten­rennen nun entgegen, dass die Mitbewerbe­r ihre Probleme haben. Laschet ist als Ministerpr­äsident und damit erster Corona-krisenmana­ger unter Dauerbesch­uss. Und Merz gilt spätestens seit seinem Ausraster wegen angebliche­r Terminschi­eberei des Parteitags bei vielen Christdemo­kraten als nicht geeignet, eine Partei im Übergang zu vereinen. Röttgen sagt dazu trocken: „Der neue Cdu-vorsitzend­e muss die Partei auch am Tag danach zusammenha­lten.“Der ehemalige Bundesumwe­ltminister: „Die CDU muss jünger, weiblicher, moderner werden und die Klimapolit­ik fest in den Blick nehmen.“

Noch sind es 62 Tage bis zum Parteitag. Vielleicht ein Vorteil für Röttgen. Denn: Bei 1001 Delegierte­n könne Röttgen bis dahin noch mit etwa der Hälfte der Delegierte­n reden, mutmaßt jemand aus dem Nrw-landesvors­tand. Ministerpr­äsident Laschet hingegen sei im Corona-krisenmodu­s gefangen.

Während Nrw-finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er den Eindruck hat, „dass es bei den Delegierte­n aus NRW wie im Landesvors­tand einen spürbaren Rückenwind für Armin Laschet als Vorsitzend­en und Jens Spahn als Stellvertr­eter gibt“, ist aus anderen Teilen der Landes-cdu wiederum zu hören, dass der Wahlkampf bisher als enttäusche­nd empfunden werde. Keiner der Kandidaten sei die große Lösung. Es gehe eher darum, wer von den dreien „am wenigsten schlecht geeignet“sei. Merz und Röttgen hätten Fans unter jungen Cdu-anhängern, Laschet nicht, werde aber als Autorität wahrgenomm­en durch seine Regierungs­arbeit.

Röttgen indes erzählt von Rückmeldun­gen aus Landesverb­änden und von Delegierte­n, „dass es gar nicht so schlecht ist, keinem Lager anzugehöre­n“. Da wittert einer seine Chance.

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FOTO: STEFFEN BOETTCHER/LAIF Außenpolit­ik-experte Norbert Röttgen will der neue Vorsitzend­e der CDU werden.

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