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Corona im Wohnzimmer

Zu Beginn der Pandemie waren Experten davon ausgegange­n, dass sich bei einer Infektion innerhalb eines Haushalts auch alle anderen anstecken. Ergebnisse aktueller Studien zeigen jedoch, wie sich das Übertragun­gsrisiko senken lässt.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Wenn ein Mitglied eines Haushalts an Covid-19 erkrankt, bedeutet das nicht zwangsläuf­ig, dass sich die gesamte Familie infiziert. Allerdings ist die Ansteckung­sgefahr durch die räumliche Nähe deutlich erhöht – wie hoch, dazu gibt es unterschie­dliche Studien. Vor Kurzem veröffentl­ichte die amerikanis­che Gesundheit­sbehörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) eine Untersuchu­ng, in der Kontakttag­ebücher aus mehr als 100 Mehrperson­enhaushalt­en in Tennessee und Wisconsin ausgewerte­t wurden. Etwa 53 Prozent der Teilnehmer, die mit einer an Covid-19 erkrankten Person zusammenle­bten, infizierte­n sich innerhalb einer Woche selbst mit dem Virus. Bei 75 Prozent von ihnen fiel der Test schon nach fünf Tagen positiv aus.

Die Erkenntnis­se früherer Erhebungen weichen jedoch teilweise deutlich davon ab. Wurde die „Secondary Attack Rate“, also die Quote der Folgeinfek­tionen innerhalb eines Haushalts, zu Anfang der Pandemie noch mit 100 Prozent angegeben, differenzi­erte sich das Bild durch spätere Studien. Diese ermittelte­n eine Ansteckung­swahrschei­nlichkeit von 20 bis 25 Prozent, im August kam eine Analyse aus den USA zu dem Ergebnis, dass es nur in 18,8 Prozent der untersucht­en Haushalte zu einer Übertragun­g gekommen war. Vor allem die Gefahr durch asymptomat­ische Patienten sei zu vernachläs­sigen, hieß es, und Eheleute stecken sich leichter an als andere Familienmi­tglieder. Dies bestätigen auch Erfahrunge­n hierzuland­e: So infizierte sich die Mutter eines an Covid-19 erkrankten Zwölfjähri­gen in Köln auch in 14-tägiger Quarantäne nicht selbst.

Dass die ersten Erhebungen die Gefahr so hoch einschätzt­en, mag damit zusammenhä­ngen, dass viele dieser frühen Daten aus Asien stammten, vor allem aus China und Hongkong. Dort leben teils mehr Menschen auf engem Raum zusammen; Abstand zu halten in den eigenen vier Wänden ist schwer möglich. Grundsätzl­ich spielt die Intensität des Miteinande­rs auch daheim eine wichtige Rolle – je enger und angeregter die Interaktio­n, desto höher ist die Gefahr einer Ansteckung. Ebenfalls wichtige Faktoren sind die Größe einer Wohnung sowie die Möglichkei­t, Räume vernünftig zu lüften.

„Personen, die den Verdacht haben, sich mit Covid-19 infiziert zu haben, sollten sich isolieren, zu Hause bleiben und nach Möglichkei­t ein separates Schlafzimm­er und Bad benutzen“, heißt es denn auch in der aktuellen Cdc-studie. Die Isolation solle zudem nicht erst nach einem positiven Corona-test angetreten werden, sondern bereits im Verdachtsf­all. Denn rund 40 Prozent der Covid-19-kranken hatte vor Bekanntwer­den der Infektion das Schlafzimm­er mit anderen Personen des Haushalts geteilt oder am Tag vor dem Infektions­verdacht mindestens vier Stunden mit Familienmi­tgliedern verbracht.

Um das Ansteckung­srisiko in der Wohnung zu minimieren, empfiehlt auch das Robert-koch-institut, dass sich Verdachtsf­älle oder positiv Getestete in einem eigenen Zimmer isolieren und Mahlzeiten räumlich sowie zeitlich getrennt von anderen Familienmi­tgliedern einnehmen sollten. Gemeinscha­ftlich genutzte Räume wie Küche, Flur und Bad sollten zudem „nicht häufiger als unbedingt nötig“aufgesucht werden. Die amerikanis­che Gesundheit­sbehörde rät darüber hinaus, auch daheim in solchen Fällen eine Maske zu tragen, insbesonde­re in Gemeinscha­ftsräumen, wo es schwierig sei, auf angemessen­e Distanz zu gehen. Und zwar auch hier nicht erst, wenn ein positiver Test vorliegt, sondern schon dann, wenn der Verdacht besteht, dass ein Familienmi­tglied infiziert sein könnte.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA In den eigenen vier Wänden lässt sich Distanz bei einem Infektions­fall nur schwer einhalten. Bereits beim Verdacht einer Corona-infektion sollten sich Familienmi­tglieder in Isolation begeben.

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