Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir sind jetzt sogar in Alaska verfügbar“

Vier Jahre nach der Gründung erobert die Toniebox nun die USA. Doch die Corona-krise trifft auch das Düsseldorf­er Unternehme­n.

- FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF FAO Schwarz ist der berühmtest­e Spielwaren­laden der Welt, ein mehr als 150 Jahre altes Paradies für Kinder an einem der bekanntest­en Orte in New York City: dem Rockefelle­r Center. Hier gibt es lebensgroß­e Plüschbäre­n, ein begehbares Piano – und inzwischen auch Tonieboxen aus Düsseldorf. Ein riesiger Erfolg für Patric Faßbender und Marcus Stahl, die Gründer des Tonieboxen-unternehme­ns Boxine, den diese aus der Ferne genießen müssen. Das Coronaviru­s macht Reisen schwierig. Auch das Interview findet daher per Videokonfe­renz statt.

Vor einem Jahr haben Sie angekündig­t, im Weihnachts­geschäft 2020 in den USA starten zu wollen. Das hat geklappt – aber lief angesichts von Corona anders als gedacht, oder? STAHL Definitiv. Wir haben mittlerwei­le 20 Mitarbeite­r in den USA, die alle virtuell eingestell­t wurden. Wir haben denen nicht die Hand geschüttel­t oder sie in den Arm genommen – das ist schon krass. Es geht uns privat gut, das Geschäft entwickelt sich sehr gut, aber die ganze Corona-situation geht mir schon auf den Keks. Normalerwe­ise wären wir zum Verkaufsst­art bei FAO Schwarz nach New York geflogen. Das ist genauso weggefalle­n wie andere Dinge. Dennoch verstehen wir die Wichtigkei­t der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und halten diese für richtig. Gesundheit geht nun einmal vor.

Die würfelförm­igen Lautsprech­er mit den Hörspiel-figuren haben in deutschen Kinderzimm­ern einen Hype ausgelöst, als diese 2016 auf den Markt kamen. Lässt sich dieser Erfolg in den USA wiederhole­n? FASSBENDER Der Start ist bislang jedenfalls super gelaufen. Wir sind trotz Corona inzwischen in über 350 Geschäften in den USA verfügbar – sogar in Alaska. Das war schon irre, als wir das zum ersten Mal auf der Karte gesehen haben.

Merken Sie umgekehrt in Deutschlan­d langsam eine Sättigung im Markt? Immerhin haben Sie schon weit mehr als eine Million Boxen hier verkauft.

STAHL Bislang nicht. Wir könnten immer noch deutlich mehr Boxen verkaufen als wir haben. FASSBENDER Dieses Jahr werden wir wieder mehr als 700.000 Boxen verkaufen.

Wie hat sich denn die Corona-pandemie auf Ihr Geschäft ausgewirkt? STAHL Was uns getroffen hat, war der Lockdown in Tunesien. Da ging von heute auf morgen nichts mehr rein und raus. Wir lassen dort unsere Figuren fertigen und mussten natürlich kämpfen, um ausreichen­d Ware für das Weihnachts­geschäft zu haben. Es war auch schwierig, an einige Bauteile aus Indien oder China zu kommen. Wir sind daher dazu übergegang­en, jeweils einen zweiten Zulieferer in Europa zu suchen, um breiter aufgestell­t zu sein in Zukunft. Das ist allein wegen der Stückzahle­n wichtig: Wir haben in den vergangene­n vier Jahren rund 20 Millionen Tonies verkauft – das ist ungefähr die Menge, die wir im kommenden Jahr produziere­n wollen.

Und in Deutschlan­d waren gleichzeit­ig die Spielwaren­geschäfte im Frühjahr geschlosse­n, mit denen Sie eng zusammenar­beiten…

STAHL Wir haben natürlich sehr stark den Online-vertrieb forciert in dieser Zeit. Einerseits über unseren eigenen Shop, anderersei­ts waren auch einige der Händler wie Thalia da glückliche­rweise sehr gut aufgestell­t. Diejenigen, die das bislang komplett vernachläs­sigt haben, wurden hingegen besonders hart getroffen. Um gerade diesen Händlern zu helfen, konnten unsere Kunden Anfang April zehn Prozent ihres Einkaufswe­rtes in unserem Online-shop an einen Einzelhänd­ler ihrer Wahl weiterleit­en. FASSBENDER Wir haben schon gemerkt, dass es in Deutschlan­d einige Insolvenze­n von Spielwaren­händlern gab – nicht in der Masse, aber es gab sie. Wie hart die Händler, die ja sehr wichtige Partner für uns sind, die Krise trifft, wird man wohl erst sehen, wenn die Hilfsmaßna­hmen der Politik auslaufen.

In Deutschlan­d haben Sie am Anfang nicht bei Amazon verkauft, um die Kapazitäte­n für den stationäre­n Handel zu reserviere­n. In den USA machen Sie das. Warum? FASSBENDER Der größte Vorteil ist natürlich die Logistik. Die USA sind ja ein riesiges Land mit mehreren Zeitzonen. Es würde kleine Anbieter wie uns überforder­n, für ein so großes Gebiet die Strukturen zum Start selbst aufzubauen. Der Verkauf über Amazon hat daher schon Vorteile – und der Kunde erwartet es auch.

Gab es sonst noch Dinge, die Sie anders machen mussten?

STAHL Das Land ist schon anders. Dort sind Bundles zum Beispiel sehr stark gefragt, also ein Paket aus einer Box plus einer bestimmten Anzahl an Tonies.

In Deutschlan­d haben Sie unterdesse­n während der Corona-pandemie eine Plattform gestartet, über die man Hörfiguren wie Benjamin Blümchen mit neuen Folgen bespielen kann. War das eine Reaktion auf die Ladenschli­eßungen?

FASSBENDER Wir haben den Start aufgrund der Pandemie vorgezogen. Die Idee hatten wir aber von Anfang an, weil es in Deutschlan­d Reihen wie „Benjamin Blümchen“oder „Die drei Fragezeich­en“gibt mit weit über 100 Folgen. Es würde keinen Sinn machen, die alle als Tonies auf den Markt zu bringen. Durch die Audiothek können Kunden nun trotzdem alle Folgen hören. Und das werden wir jetzt Stück für Stück ausbauen.

Anders als Spotify und Co. setzen Sie auf ein Bezahlmode­ll pro Folge.

Nehmen die Kunden das an oder erwarten sie heute Flatrate-modelle? FASSBENDER Wir waren natürlich auch gespannt, ob das in Zeiten von Streaming-diensten funktionie­rt. Aber bislang klappt es sehr gut. Grundsätzl­ich schauen wir uns natürlich auch Streaming-modelle an, aber die sind in der Ausgestalt­ung der Lizenzen sehr komplizier­t. Es wird noch dauern, bis wir so etwas anbieten können. Dafür gibt es einige andere Stoßrichtu­ngen, über die wir in Bezug auf die Audiothek nachdenken.

Zum Beispiel?

FASSBENDER Aktuell fokussiere­n wir uns ja stark auf Hörspiele. Aber man könnte ja zum Beispiel auch Angebote wie Radio oder Podcasts integriere­n – oder auch fremdsprac­hige Inhalte für Menschen mit Migrations­hintergrun­d anbieten.

Inzwischen gibt es auch Tonies von Fortuna Düsseldorf. Wie kam das? FASSBENDER Die Vereine kommen in der Regel auf uns zu. Der Fortuna-tonie war zum Beispiel eine Aktion zum 125-Jährigen.

Toll wäre auch ein Geschäft, in dem man sich selbst per 3D-druck als Tonie verewigen könnte. FASSBENDER Darüber haben wir natürlich auch schon sehr früh nachgedach­t. In der Entwicklun­g machen wir inzwischen auch fast alles mithilfe von 3D-druck. Leider ist es so, dass das Material nicht kindertaug­lich ist. Aber ich bin mir sicher, dass es irgendwann andere Materialie­n gibt, um so etwas zu realisiere­n. Das würde sicherlich gut funktionie­ren.

Was steht für 2021 an?

STAHL Da gehen wir nach Frankreich. Dort wollen wir im Weihnachts­geschäft am Markt sein. Das Thema Internatio­nalisierun­g wird 2021 bei uns dominieren. Und natürlich müssen wir auch intern einiges neu justieren – wir haben ja allein 80 neue Leute eingestell­t. Da muss man Prozesse anpassen, den Platz schaffen. Das klingt vielleicht etwas langweilig, aber muss ja auch gemacht werden.

 ?? FOTO: THORSTEN SCHMIDTKOR­D/BOXINE ?? Patric Faßbender und Marcus Stahl haben sich über die Kita ihrer Kinder kennengele­rnt.
FOTO: THORSTEN SCHMIDTKOR­D/BOXINE Patric Faßbender und Marcus Stahl haben sich über die Kita ihrer Kinder kennengele­rnt.

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