Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Silo wird das höchste Gebäude der Stadt
Neuss wächst in die Höhe – aber nur zögerlich. Schrittmacher dabei ist die Industrie mit neuen Landmarken im Hafen.
NEUSS Wo Grund und Boden knapp zu werden drohen, muss man stärker in die Höhe planen. Diese Idee, von der FDP im Stadtrat schon vor Jahren für den Wohnungsbau ins Gespräch gebracht, bricht sich nur sehr langsam Bahn. Zum Vorreiter macht sich nun die Industrie, die im Hafen echte Landmarken setzt. Mit einem 68 Meter hohen Mehlsilo war die Plange Mühle an der Hansastraße schon in die „Top Five“vorgestoßen. Jetzt ist bei Plange ein Getreidesilo im Bau, dass das bisher höchste Gebäude in Neuss noch einmal um zehn Meter überragen wird. 79,89 Meter über Grund ist das neue Maß der Dinge.
Die Diskussion um die Neusser Skyline wurde viele Jahre lang auf einem ganz anderen (Höhen)-niveau geführt. Der so genannte Korea-turm, den die Walter Bau AG auf dem Grundstück Stresemannallee, Ecke Hammelddamm, errichten wollte, sollte gar 165 Meter in die Höhe wachsen. 1997 wurde die Baugenehmigung erteilt, 2005 aber meldete der Investor Insolvenz an. Und weil der Konkursverwalter – ein Kanzlei-verbund aus Neu-ulm – niemanden finden konnte, der das Grundstück samt Bauverpflichtung übernehmen wollte, kaufte die Stadt das 1982 veräußerte Areal im Sommer 2015 zurück. Es war das letzte Schnäppchen, das der damalige Bürgermeister Herbert Napp für die Stadt machen konnte, denn das 14.606 Quadratmeter große Grundstück mit einem Marktwert von 4,5 Millionen Euro wechselte schließlich für 1,9 Millionen Euro den Besitzer.
Die Träume vom „Neuss Tower“sind ausgeträumt, aktuell errichtet der Verein Creditreform an seiner Stelle sein neues Hauptquartier – mit gerade einmal sechs Stockwerken. Als das Thema im Juni 2017 die Politik beschäftigte, gab Ingeborg Arndt (Grüne) ausdrücklich zu Protokoll: „Wir stimmen nur unter der Voraussetzung zu, dass im Kaufvertrag der Bau eines Hochhauses ausgeschlossen wird.“
In solche Dimension werde Neuss nie (wieder) vorstoßen, versichert daher Planungsdezernent Christoph Hölters heute. Wenn aktuell über hohe Häuser oder gar Hochhäuser gesprochen wird, werden andere Maßstäbe angelegt. Dass es schon mal zehn Geschosse sein dürften, hatte Wirtschaftsförderer Andreas Galland vor einigen Jahren erklärt, der klarstellte: „Wer sich mit einem Wolkenkratzer ein Denkmal setzen will, ist in Neuss verkehrt.“Das allerdings spiegelt nicht mehr die aktuelle Meinung wider. Denn der Düsseldorfer Projektentwickler „Die Wohnkompanie“spricht bei seinem Vorhaben von „bis zu 20 Etagen“– und das wird von Politik und Verwaltung akzeptiert.
„Die Wohnkompanie“möchte nämlich auf einem nur 12.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Anton-kux-straße im Hammfeld 300 neue Wohnungen errichten, und mehr als ein Drittel davon öffentlich gefördert, also bezahlbar. Das kann nur klappen, wenn dazu auch ein Hochhaus entsteht. Die vor gut einem Jahr vorgestellten Pläne sehen tatsächlich einen solchen Bau als Solitär vor, der alle umliegenden Gebäude wie etwa das Hotel Holiday Inn um das Doppelte überragen,
„Beeinträchtigung der Sichtachsen nicht festgestellt“
Christoph Hölters Planungsdezernent
aber noch drei Etagen unter dem bleiben würde, was der geltende Bebauungsplan zulässt. Aber auch dieser Solitär würde kaum mehr als 60 Meter hoch werden, sagt Hölters.
Diese Höhe entspricht etwa dem Maß, das St. Quirin (57,3 Meter) beziehungsweise die evangelische Christuskirche (61 Meter) aufweisen. Die Kirchen galten lange als Fixpunkt der Maßstäblichkeit. Diese Stellung hat namentlich St. Quirin verloren. Dass sich die Kirche vor den Autofahrern, die sich über die Autobahn aus Richtung Aachen der Stadt nähern, aus der Stadtsilhouette deutlich heraushebt, hat einen anderen Grund: St. Quirin steht auf dem Büchel, dem höchsten Geländepunkt der Neusser Innenstadt.
Nähert man sich aktuell über die A 57 aus nördlicher Richtung der Stadt, fallen rote Baukräne ins Auge, lange bevor St. Quirin in Sicht kommt. Sie drehen sich auf dem Gelände der Plange Mühle an der Hansastraße, dem neuen höchsten Gebäude. Seinen Zweck kann man dem Gebäude schon ansehen, seine Höhe noch nicht. Denn oberhalb der Silozellen muss noch die Technik platziert werden, berichtet Jörg Bruer, Geschäftsführer des zur Mühlengruppe Bindewald-gutting gehörenden Unternehmens. Zum Beispiel das Maschinenhaus für einen
„Das Firmengeleände ist klein, also bauen wir in die Höhe“
Jörg Bruer Geschäftsführer
Aufzug.
Die Baugenehmigung wurde, da es sich um ein Industrieobjekt handelt, auf der Basis des Bundes-immissonsschutzgesetzes geprüft und genehmigt. Zuständig: Die Bezirksregierung Düsseldorf. Die Stadt Neuss war am Verfahren nur beteiligt, hat aber keine Einwände erhoben. „Wir haben – bezogen auf die Sichtachsen – keine Beeinträchtigung ausmachen können“, betont Planungsdezernent Hölters.
Mit dem Neubau will die Plange Mühle rund 25.000 Tonnen Lagerkapazität für Getreide schaffen. Das Volumen verteilt sich auf acht große Betonzellen mit einem Fassungsvermögen von 2600 Tonnen, berichtet Bruer und sechs kleinere à 600 Tonnen. In dem Gebäude werden auch Systeme für eine optimierte Getreidereinigung untergebracht, die bisher im Altbau waren. In diesen Komplex soll, sobald der Neubau fertig ist, die Verwaltung ziehen.
Dass das Silo höchstes Gebäude in Neuss wird, sei ihm nicht bewusst gewesen, sagt Bruer. Man habe es vor allem so geplant, weil das Firmenareal relativ klein ist. Ob das neue höchste Gebäude nun nachts Positionslampen zur Warnung der Fliegerei braucht? „Dazu habe ich nichts in den Nebenbestimmungen gelesen“, sagt Bruer. Doch die Fahne zum Schützenfest bekommt nun sicher einen neuen Platz.