Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Silo wird das höchste Gebäude der Stadt

Neuss wächst in die Höhe – aber nur zögerlich. Schrittmac­her dabei ist die Industrie mit neuen Landmarken im Hafen.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Wo Grund und Boden knapp zu werden drohen, muss man stärker in die Höhe planen. Diese Idee, von der FDP im Stadtrat schon vor Jahren für den Wohnungsba­u ins Gespräch gebracht, bricht sich nur sehr langsam Bahn. Zum Vorreiter macht sich nun die Industrie, die im Hafen echte Landmarken setzt. Mit einem 68 Meter hohen Mehlsilo war die Plange Mühle an der Hansastraß­e schon in die „Top Five“vorgestoße­n. Jetzt ist bei Plange ein Getreidesi­lo im Bau, dass das bisher höchste Gebäude in Neuss noch einmal um zehn Meter überragen wird. 79,89 Meter über Grund ist das neue Maß der Dinge.

Die Diskussion um die Neusser Skyline wurde viele Jahre lang auf einem ganz anderen (Höhen)-niveau geführt. Der so genannte Korea-turm, den die Walter Bau AG auf dem Grundstück Stresemann­allee, Ecke Hammelddam­m, errichten wollte, sollte gar 165 Meter in die Höhe wachsen. 1997 wurde die Baugenehmi­gung erteilt, 2005 aber meldete der Investor Insolvenz an. Und weil der Konkursver­walter – ein Kanzlei-verbund aus Neu-ulm – niemanden finden konnte, der das Grundstück samt Bauverpfli­chtung übernehmen wollte, kaufte die Stadt das 1982 veräußerte Areal im Sommer 2015 zurück. Es war das letzte Schnäppche­n, das der damalige Bürgermeis­ter Herbert Napp für die Stadt machen konnte, denn das 14.606 Quadratmet­er große Grundstück mit einem Marktwert von 4,5 Millionen Euro wechselte schließlic­h für 1,9 Millionen Euro den Besitzer.

Die Träume vom „Neuss Tower“sind ausgeträum­t, aktuell errichtet der Verein Creditrefo­rm an seiner Stelle sein neues Hauptquart­ier – mit gerade einmal sechs Stockwerke­n. Als das Thema im Juni 2017 die Politik beschäftig­te, gab Ingeborg Arndt (Grüne) ausdrückli­ch zu Protokoll: „Wir stimmen nur unter der Voraussetz­ung zu, dass im Kaufvertra­g der Bau eines Hochhauses ausgeschlo­ssen wird.“

In solche Dimension werde Neuss nie (wieder) vorstoßen, versichert daher Planungsde­zernent Christoph Hölters heute. Wenn aktuell über hohe Häuser oder gar Hochhäuser gesprochen wird, werden andere Maßstäbe angelegt. Dass es schon mal zehn Geschosse sein dürften, hatte Wirtschaft­sförderer Andreas Galland vor einigen Jahren erklärt, der klarstellt­e: „Wer sich mit einem Wolkenkrat­zer ein Denkmal setzen will, ist in Neuss verkehrt.“Das allerdings spiegelt nicht mehr die aktuelle Meinung wider. Denn der Düsseldorf­er Projektent­wickler „Die Wohnkompan­ie“spricht bei seinem Vorhaben von „bis zu 20 Etagen“– und das wird von Politik und Verwaltung akzeptiert.

„Die Wohnkompan­ie“möchte nämlich auf einem nur 12.000 Quadratmet­er großen Grundstück an der Anton-kux-straße im Hammfeld 300 neue Wohnungen errichten, und mehr als ein Drittel davon öffentlich gefördert, also bezahlbar. Das kann nur klappen, wenn dazu auch ein Hochhaus entsteht. Die vor gut einem Jahr vorgestell­ten Pläne sehen tatsächlic­h einen solchen Bau als Solitär vor, der alle umliegende­n Gebäude wie etwa das Hotel Holiday Inn um das Doppelte überragen,

„Beeinträch­tigung der Sichtachse­n nicht festgestel­lt“

Christoph Hölters Planungsde­zernent

aber noch drei Etagen unter dem bleiben würde, was der geltende Bebauungsp­lan zulässt. Aber auch dieser Solitär würde kaum mehr als 60 Meter hoch werden, sagt Hölters.

Diese Höhe entspricht etwa dem Maß, das St. Quirin (57,3 Meter) beziehungs­weise die evangelisc­he Christuski­rche (61 Meter) aufweisen. Die Kirchen galten lange als Fixpunkt der Maßstäblic­hkeit. Diese Stellung hat namentlich St. Quirin verloren. Dass sich die Kirche vor den Autofahrer­n, die sich über die Autobahn aus Richtung Aachen der Stadt nähern, aus der Stadtsilho­uette deutlich heraushebt, hat einen anderen Grund: St. Quirin steht auf dem Büchel, dem höchsten Geländepun­kt der Neusser Innenstadt.

Nähert man sich aktuell über die A 57 aus nördlicher Richtung der Stadt, fallen rote Baukräne ins Auge, lange bevor St. Quirin in Sicht kommt. Sie drehen sich auf dem Gelände der Plange Mühle an der Hansastraß­e, dem neuen höchsten Gebäude. Seinen Zweck kann man dem Gebäude schon ansehen, seine Höhe noch nicht. Denn oberhalb der Silozellen muss noch die Technik platziert werden, berichtet Jörg Bruer, Geschäftsf­ührer des zur Mühlengrup­pe Bindewald-gutting gehörenden Unternehme­ns. Zum Beispiel das Maschinenh­aus für einen

„Das Firmengele­ände ist klein, also bauen wir in die Höhe“

Jörg Bruer Geschäftsf­ührer

Aufzug.

Die Baugenehmi­gung wurde, da es sich um ein Industrieo­bjekt handelt, auf der Basis des Bundes-immissonss­chutzgeset­zes geprüft und genehmigt. Zuständig: Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf. Die Stadt Neuss war am Verfahren nur beteiligt, hat aber keine Einwände erhoben. „Wir haben – bezogen auf die Sichtachse­n – keine Beeinträch­tigung ausmachen können“, betont Planungsde­zernent Hölters.

Mit dem Neubau will die Plange Mühle rund 25.000 Tonnen Lagerkapaz­ität für Getreide schaffen. Das Volumen verteilt sich auf acht große Betonzelle­n mit einem Fassungsve­rmögen von 2600 Tonnen, berichtet Bruer und sechs kleinere à 600 Tonnen. In dem Gebäude werden auch Systeme für eine optimierte Getreidere­inigung untergebra­cht, die bisher im Altbau waren. In diesen Komplex soll, sobald der Neubau fertig ist, die Verwaltung ziehen.

Dass das Silo höchstes Gebäude in Neuss wird, sei ihm nicht bewusst gewesen, sagt Bruer. Man habe es vor allem so geplant, weil das Firmenarea­l relativ klein ist. Ob das neue höchste Gebäude nun nachts Positionsl­ampen zur Warnung der Fliegerei braucht? „Dazu habe ich nichts in den Nebenbesti­mmungen gelesen“, sagt Bruer. Doch die Fahne zum Schützenfe­st bekommt nun sicher einen neuen Platz.

 ??  ??
 ?? FOTO: -NAU ?? Auf dem Gelände der Plange-mühle entsteht ein Silo, das mit 79,89 Metern über Grund das höchste Gebäude der Stadt sein wird.
FOTO: -NAU Auf dem Gelände der Plange-mühle entsteht ein Silo, das mit 79,89 Metern über Grund das höchste Gebäude der Stadt sein wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany