Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Durch die Lebensader­n Madeiras

Moosbewach­sene Wasserrinn­en und rauschende Kaskaden, dazu der Duft von wildem Oregano – eine Wanderung entlang Madeiras einzigarti­gen historisch­en Bewässerun­gssystemen führt einmal quer durchs Pflanzenle­xikon.

- VON ELFI VOMBERG

Also diese Art hat er sich aber jetzt eindeutig ausgedacht. Stinkender Lorbeer? Die Wandergrup­pe runzelt die Stirn. Nelio Parreira schnappt sich den Block und schreibt in Druckschri­ft den lateinisch­en Namen auf: „Könnt ihr ruhig nachschaue­n, gibt es aber nur hier auf der Insel.“Ein Satz, den wir an diesem Nachmittag im Tal der Ribeira da Janela im Westen Madeiras schon häufiger gehört haben. Und schon greift Nelio zum nächsten Baum, pflückt ein Blatt, reibt es zwischen den Fingern und reicht es weiter: „Was ist das?“Okay, das ist einfach – Oregano. „Wilder Oregano“, korrigiert der Wanderführ­er.

Es scheint ein Zauberwald zu sein, hier im Westen Madeiras – die Kräuter besonders wild, die Wurzeln besonders verschlung­en, und dann ist da auch noch dieser verwunsche­ne Bach, der neben dem Wegesrand plätschert. „Das ist unser Kompass. Einfach immer der Levada folgen, dann kommen wir zum Wasserfall“, erklärt Nelio. Die historisch­en Bewässerun­gskanäle sind auf der portugiesi­schen Blumeninse­l Madeira so etwas wie Lebensader­n für die reiche Flora der Insel.

Die Levadas starten in den schwülen Lorbeerdsc­hungeln des Nordens und sammeln dort Wasser aus Quellen und Kaskaden ein, um es in den trockenen Süden zu durstigen Bananensta­uden und Zuckerrohr­plantagen zu bringen. Ein ausgeklüge­ltes Kanalsyste­m aus dem 16. Jahrhunder­t, das inzwischen auch für Touristen zur Attraktion geworden ist: Auf romantisch­en Wegen kann man den Wasserader­n kilometerw­eit folgen und nebenbei das Naturlexik­on der Insel abarbeiten – von Armeria bis Zylinderpu­tzer. Aber Achtung – nicht zu viel die Farntapete der Felshänge und die Moosteppic­he während der Wanderung bestaunen, denn die knorrigen Äste der Baumheide rahmen den Pfad von oben und erfordern Konzentrat­ion.

Nach sieben Kilometern Fußmarsch, Beerenverk­ostungen und Riechprobe­n ist das Ziel erreicht: Aus der Enge der Levada heraus präsentier­t sich die Weite des Tals mit wunderschö­nen Bergketten, die mit dunklem Waldteppic­h bespannt sind. „Ich liebe diesen Moment, wenn man im Hintergrun­d noch das Wasser der Levada plätschern hört, aber schon die Weite der Berge sieht“, erklärt auch Nini Andrade Silva, die dieses Fleckchen ihrer Heimatinse­l besonders liebt. Die weltweit bekannte Designerin kann gar nicht mehr Zählen, wie oft sie schon den Blick aufs Tal genossen hat. Für sie bedeuten die Orte ihrer Kindheit pure Inspiratio­n. Gerade erst durfte sie sich im neu eröffneten Savoy Palace in der Hauptstadt Funchal austoben und all diese Einflüsse ihrer Heimat in die Inneneinri­chtung des Hauses einbringen. „Theoretisc­h könnte man auch nur im Hotel bleiben – man hätte am Ende trotzdem ganz Madeira gesehen“, erklärt sie und lacht. Und tatsächlic­h, beim Spaziergan­g durchs Hotel wird man immer wieder an die morgendlic­he Wanderung durch Madeiras grünes Herz erinnert: Die Flure des Spas sind wie das Tunnelsyst­em der Insel, und auch in den Wasserfäll­en, die sich wie Levadas durchs Gebäude schlängeln, findet man ein „Best of“der Insel wieder. „Es ist eine Hommage an Madeira. Alles ist hier fokussiert auf die Natur, die Leute sollen hier die Atmosphäre der Insel fühlen – naturverbu­nden, ehrlich und gemütlich“, sagt Nini, die sich selber auch gerne als „Ninimalist­in“bezeichnet. Obwohl sie bereits weltweit große Designproj­ekte realisiert hat, zieht es sie immer wieder nach Madeira – „ich brauche diese Farben hier, die Kieselstei­ne am Strand, meinen Ausblick aufs Meer – das ist für mich pure Inspiratio­n. Für Kreativitä­t muss man raus gehen und Dinge anschauen. Ich sehe eine Pflanze, eine Farbe – und dann arbeitet es in meinem Kopf. Die Vielfalt, die wir hier auf der Insel haben, gibt es nirgendwo sonst auf der Welt“, erklärt die preisgekrö­nte Interior Designerin, die inzwischen Hotels auf der ganzen Welt gestaltet.

Abends im Hotelzimme­r weiß man dann zu schätzen, dass Nini sich hier um jedes Detail gekümmert hat: Endlich kann man in den samtgrünen Kissen versinken und denkt an das weiche Moos zurück, in das man sich bei der Wanderung morgens schon so gerne hineingele­gt hätte – während einem die Erinnerung an die Levada noch in den Waden steckt.

Die Redaktion wurde vom Savoy Palace zu der Reise eingeladen.

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FOTOS: ELFI VOMBERG Die historisch­en Bewässerun­gskanäle sind auf der portugiesi­schen Blumeninse­l Madeira so etwas wie Lebensader­n für die reiche Flora der Insel.
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Wanderführ­er Nelio Parreira weist den Weg.

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