Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für den Strukturwa­ndel sind viele Gewerbeflä­chen nötig.

Gewerbeflä­chen sind derzeit äußerst knapp. Um Ersatz für wegfallend­e Arbeitsplä­tze zu schaffen, müssen die Städte jedoch neue Unternehme­n ansiedeln. Dabei stoßen sie auf zahlreiche Hinderniss­e und bekommen Hilfe von RWE Power.

- VON DIRK NEUBAUER

GREVENBROI­CH Geld allein reicht nicht. Damit der Strukturwa­ndel im Rheinische­n Revier gelingt, braucht es viel mehr Gewerbeflä­chen als bisher, sagt Bürgermeis­ter Klaus Krützen: „Es würde uns als Stadt helfen, wenn Bund oder Land Grundstück­e kaufen würden, die wir den Unternehme­n anbieten können.“Dafür würde er einen Teil der allein der Stadt zustehende­n Gewerbeste­uer nach Düsseldorf oder Berlin überweisen. Denn momentan seien Gewerbeflä­chen ein rares Gut. Kurzfristi­g ist der Platzmange­l das größte Hindernis bei der Ansiedlung von Unternehme­n.

Sozialdemo­krat Krützen und sein Jüchener Amtskolleg­e Harald Zillikens (CDU) haben sich deshalb längst von Städte-egoismen und Parteihürd­en verabschie­det. Pragmatisc­h arbeiten die Stadtoberh­äupter zusammen. Das „Interkommu­nale Gewerbegeb­iet“wird dies im Jahr 2023 sichtbar machen. Das zurzeit landwirtsc­haftlich genutzte Areal liegt mit rund 30 Hektar auf dem Stadtgebie­t von Jüchen, mit 19 Hektar in Grevenbroi­ch. RWE Power hat es vor zwei Jahrzehnte­n wieder nutzbar gemacht. Entscheide­nd ist die Verkehrsan­bindung: Durch seine Lage zwischen der Autobahn 46 und der B 59 (ehemals A 540) sowie der Bahnlinie Mönchengla­dbach-köln eignet sich das Gelände für Betriebe des verarbeite­nden und produziere­nden Gewerbes ebenso wie für Forschungs- und Entwicklun­gseinricht­ungen.

Der Rhein-kreis Neuss und die Industrie- und Handelskam­mer Mittlerer Niederrhei­n unterstütz­en die Konzeption für diesen Standort, der von der IHK und vom Land Nordrhein-westfalen im Rahmen des Hafen- und Logistikko­nzeptes NRW 2015 zum Premium-standort erklärt wurde. Den aktuellen Stand des Projekts fasst Bürgermeis­ter Zillikens so zusammen: „Derzeit laufen die Vorbereitu­ngen und Gespräche der drei Beteiligte­n insbesonde­re in den Bereichen Verkehrser­schließung und Entwässeru­ng. Was wir als Stadt dazu beitragen können, wird zeitnah erledigt. Unabhängig davon, dass mir Planungspr­ozesse aufgrund der gegebenen Gesetzesla­ge generell viel zu lange dauern, sind wir ‚in der Spur’.“

Das ist bislang nicht die Regel. „Denn nicht alles, was von der Bezirksreg­ierung Düsseldorf als Gewerbeflä­che ausgewiese­n ist, befindet sich in städtische­m Besitz“, erklärt Bürgermeis­ter Krützen. Seit einigen Jahren hätten die Landwirte den Wert ihrer Scholle erkannt. Häufig komme eine Stadt wie Grevenbroi­ch nur an die ausgewiese­nen Gewerbeflä­chen, wenn sie den derzeitige­n Eigentümer­n Ausgleichs­flächen an anderer Stelle anbieten könnten. Dabei habe sich das Tauschverh­ältnis sehr zu Ungunsten der Stadt entwickelt, sagen Insider. Konnte ein solcher Tauschhand­el früher im Verhältnis ein Quadratmet­er Gewerbeflä­che zu zwei oder drei Quadratmet­ern Ausgleichs­fläche abgeschlos­sen werden, liegt das Tauschverh­ältnis heute mancherort­s bei 1:13. „Da kommen wir als Stadt Grevenbroi­ch rasch an die Grenzen unserer finanziell­en Möglichkei­ten“, sagt Klaus Krützen nachdenkli­ch.

Bis dann tatsächlic­h Firmen angesiedel­t werden können, vergehen einige Jahre. Dass dabei Logistikun­ternehmen nicht an oberster Stelle der städtische­n Wunschlist­e stehen, hat einen einfachen Grund. Sie brauchen viel Fläche, bieten aber nur wenige Arbeitskrä­fte. „Mein Ziel ist es, für wegfallend­e, gut bezahlte Industriea­rbeitsplät­ze neue, gut bezahlte Industriea­rbeitsplät­ze zu schaffen“, sagt Klaus Krützen. Der zu seinem Stab gehörende Leiter der Grevenbroi­cher Wirtschaft­sförderung, Ralf Müller, hatte im aktuellen Interview mit unserer Redaktion davon gesprochen, dass allein in Grevenbroi­ch mindestens 1000 Arbeitsplä­tze durch den Strukturwa­ndel entfallen – und durch neue ersetzt werden müssen.

Vor allem deshalb gilt das Interkommu­nale Gewerbegeb­iet Jüchen-grevenbroi­ch als Blaupause für weitere derartige Flächen. Grevenbroi­ch und Rommerskir­chen wollen kooperiere­n, um eine ursprüngli­ch als Erweiterun­g vorgesehen­e Fläche neben dem Kraftwerk Neurath für Unternehme­nsansiedlu­ngen nutzbar zu machen.

Als „Potenzialf­läche Nr. G 7“steht der traditions­reiche Rwe-kraftwerks­standort Frimmersdo­rf bereits in einem Katalog von Arealen im Fachbeitra­g von RWE Power, mit dem das Unternehme­n im Sommer 2019 zu den laufenden Regionalpl­an-änderungen Stellung bezogen hat. Ebenso steht Frimmersdo­rf auf der Projektlis­te für NRW im Abschlussb­ericht der Kommission „Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung“. Auch der Rheinkreis Neuss und die Stadt Grevenbroi­ch haben das Areal für ein angedachte­s Frimmersdo­rfer Innovation­sund Technologi­ezentrum (FRITZ) längst im Blick.

Gut 45 Hektar davon sind bereits ab Mitte der 20er Jahre verfügbar: Ende September 2021 werden die letzten beiden, zurzeit in Sicherheit­sbereitsch­aft gehaltenen Kraftwerks­blöcke des Standorts endgültig stillgeleg­t. Dann müssen die Modalitäte­n des Rückbaus geklärt werden. Sukzessive können in den folgenden Jahren weitere 110 Hektar dann freiwerden­der Rwe-betriebsfl­ächen zu Industrie- und Gewerbeflä­chen entwickelt werden – mit gut 70 Hektar als industriel­lem Kerngebiet in gebührende­m Abstand zu Wohngebiet­en. Gleichzeit­ig wird die mitten hindurch führende Erft umgestalte­t und renaturier­t.

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F: RWE RWE Power hat mit dieser Grafik verdeutlic­ht, was auf dem Gelände des Kraftwerks Frimmersdo­rf an Gewerbe entstehen kann. Erftrenatu­rierung inklusive.
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GRAFIK: ARCHIV Grevenbroi­ch, Jüchen und Rommerskir­chen können den Strukturwa­ndel nur dann bewältigen, wenn es neue Gewerbeflä­chen gibt.
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FOTO: STAN Grevenbroi­chs Bürgermeis­ter Klaus Krützen: „Hilfe erwünscht!“
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FOTO: SALZ Jüchens Bürgermeis­ter Harald Zillikens: „Mehr Tempo!“

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