Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Laschet-berater: Zweite Welle verliert an Dynamik

Das Robert-koch-institut meldet neue Höchststän­de. Trotzdem sieht ein Epidemiolo­ge positive Anzeichen. Die Wirtschaft ruft nach Hilfen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Zwei Wochen nach Inkrafttre­ten der schärferen Corona-maßnahmen hat Deutschlan­d gestern den höchsten Stand an Corona-neuinfekti­onen verzeichne­t. Wie das Robert-koch-institut mitteilte, meldeten die Gesundheit­sämter 23.542 neue Fälle binnen 24 Stunden. Ein Viertel davon, 5873, entfiel auf NRW – das bevölkerun­gsreichste Bundesland ist bei den Infektione­n weiter überrepräs­entiert.

Bezogen auf 100.000 Einwohner, gab es in NRW in der vergangene­n Woche 165 Neuinfekti­onen. Am höchsten liegt der Wert in Herne (341), danach folgen Duisburg (258) und der Kreis Düren (254). Die Zahlen werden Auswirkung­en auf die Runde der Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin am Montag haben, bei der über eine Verlängeru­ng der Maßnahmen über November hinaus diskutiert werden dürfte.

Der Münsterane­r Epidemiolo­ge André Karch, der die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung berät, sagte unserer Redaktion: „Trotz der schwer zu interpreti­erenden Datenlage deutet einiges darauf hin, dass die Dynamik der Infektions­ausbreitun­g sich verlangsam­t hat.“Dass schon eine Umkehr stattgefun­den habe, sei aber eher unwahrsche­inlich, so Karch: „Sollten wir uns in einer Seitwärtsb­ewegung befinden, wäre vorerst mit keiner Entspannun­g zu rechnen, weil wir erst in den kommenden Tagen, mit einiger Verzögerun­g, die schweren Verläufe der vergangene­n Wochen und damit eine höhere Belegung der Intensivbe­tten sehen werden.“

Die aktuellen Einschränk­ungen seien im Vergleich zum Frühjahr deutlich differenzi­erter und weniger intensiv, sagte Karch. Deshalb habe man von vornherein davon ausgehen müssen, dass der Effekt relativ betrachtet kleiner ausfalle. Dementspre­chend werde es schwierige­r, direkt eine Veränderun­g zu messen.

Wirtschaft­svertreter haben einen ganz anderen Blick: Der Hauptgesch­äftsführer von Unternehme­r NRW, Johannes Pöttering, nannte die Maßnahmen „extrem schmerzhaf­t für die betroffene­n Unternehme­n und ihre Beschäftig­ten“. Es sei richtig gewesen, dass die Politik sofort erhebliche Unterstütz­ung zugesagt habe. „Diese zugesagten Hilfen müssen nun aber auch zügig zur Auszahlung kommen“, warnte Pöttering. „Gleichzeit­ig brauchen wir Strategien mit Maßnahmen, die den Betrieben Perspektiv­en und möglichst hohe Planungssi­cherheit bis ins Frühjahr bieten.“

Der Verbandsch­ef lobte, dass Schulen, Kitas und Grenzen geöffnet blieben. „Es darf jetzt keine Verschärfu­ngen geben, die zusätzlich unsere Industrie abwürgen.“Beides müsse gelingen: „Ansteckung­en vermeiden und so viel wirtschaft­liche Normalität wie möglich gewährleis­ten.“

Pötterings Wunsch, die Schulen so lange wie möglich offenzuhal­ten, wird von den zuständige­n Politikern geteilt: „Noch nie waren sich alle Kultusmini­ster so einig, dass kein flächendec­kendes Wechselmod­ell eingeführt wird“, sagte Nrw-schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) im Landtag. Darauf habe sich die Kultusmini­sterkonfer­enz am Freitag geeinigt. Die Schulen im Frühjahr bundesweit zu schließen, sei die „schlechtes­te Entscheidu­ng“gewesen, „die wir treffen konnten“, sagte Gebauer. Eine Rechtsvero­rdnung in NRW erlaube es aber Schulleite­rn, bei hohen Infektions­zahlen nur für ihre Schule einen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunt­erricht anzuordnen. Stadtweite Wechselmod­elle wie in Solingen seien hingegen auch weiterhin nicht erlaubt. Leitartike­l, Politik

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