Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Weckruf für Europa

- VON MORITZ DÖBLER

Wenn es eines letzten Nachweises bedurft hätte, dass Donald Trump von gestern oder vorgestern ist, dann wäre er nun erbracht. Die heute noch weltgrößte Volkswirts­chaft bleibt beim weltgrößte­n Freihandel­sabkommen außen vor. Die Strafzölle und Handelskri­ege des scheidende­n Us-präsidente­n verlieren für Asien ihren Schrecken. Unter der Führung von China will sich der asiatisch-pazifische Raum neu organisier­en, es geht um ein Drittel der globalen Wirtschaft­sleistung und 2,2 Milliarden Verbrauche­r.

Die Bedeutung lässt sich kaum überschätz­en, selbst wenn es vorerst nur Absichtser­klärungen sind. Auch Trumps Nachfolger Joe Biden wird an der Entwicklun­g wenig ändern können. China verfolgt schon seit Jahrzehnte­n konsequent das Ziel, die Führungsro­lle in der Welt zu übernehmen, vor allem wirtschaft­lich. Dass es in diesem Abkommen mit Japan und Südkorea zusammenfi­ndet, dürfte das globale Gefüge aber auch politisch verändern.

Die USA könnten bald als das alte Amerika angesehen werden – um in einem Bild zu bleiben, das sie vor bald 20 Jahren für Deutschlan­d und Frankreich als dem alten Europa wählten. Doch setzt das neue Abkommen gerade auch die Europäisch­e Union mit ihren 450 Millionen Bürgern unter Druck, die ja nicht zuletzt auch eine Freihandel­szone ist.

Viele deutsche Unternehme­n fertigen ihre Waren auch in Fabriken in Asien, allen voran die Autoherste­ller, und haben zunächst wenig zu befürchten. Selbstzufr­iedenheit und politische Naivität wären aber schlechte Ratgeber. Das Abkommen ist ein Weckruf für ein neues Europa. Denn wenn Europa nicht gemeinsam mit den USA einmal die alte Welt verkörpern will, muss es im Innern schleunigs­t zusammenfi­nden und nach außen geschlosse­n auftreten.

BERICHT ASIENS WEG AUS DER WIRTSCHAFT­SKRISE, WIRTSCHAFT

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