Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Profifußba­ll braucht mehr Vernunft

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Es ist an der Zeit, sich einzugeste­hen, dass wir alle seit Längerem einem Irrtum aufgesesse­n sind. Der falschen Annahme, wir könnten vom Profifußba­ll verlangen, zu den richtigen Zeitpunkte­n die richtigen Signale zu senden. Dies zu erwarten, war falsch. Das hat das Länderspie­l gegen die Ukraine einmal mehr gezeigt, das am Wochenende stattfand, obwohl die Gäste im Vorfeld fünf positive Corona-fälle vermeldet hatten.

Richtig und vernünftig wäre gewesen, das Spiel abzusagen. Doch was richtig ist, was vernünftig wäre, dieses Gefühl hat der Profifußba­ll in vielen Fällen längst verloren. Zum einen hat er sich auf so vielen Ebenen seines Daseins so weit vom Leben der Ottonormal­bürger entfernt, dass für ihn das Gespür schlichtwe­g obsolet geworden ist, zu wissen, was sich gehört. Zum anderen kann sich der Profifußba­ll aber auch so etwas wie Gespür und Vernunft gar nicht mehr leisten. Es gilt, Tv-verträge einzuhalte­n, Werbevertr­äge zu bedienen, seinen Teil zu liefern für im Gegenzug zig Millionen Euro an Einnahmen. Dass Spiel gegen die Ukraine abzusagen, wäre nach menschlich­em Ermessen richtig gewesen, aus wirtschaft­lichen Erwägungen heraus war es kaum möglich.

Und so könnte man am Ende fast schon Mitleid mit dem Fußball bekommen. Mitleid, weil er uns alle für so naiv hält. Mitleid, dass die ukrainisch­e Delegation wirklich meint, es glaube ihr irgendjema­nd, dass ausgerechn­et die positiv getesteten Spieler keinen Kontakt zum Rest der Mannschaft hatten. Mitleid, dass die Uefa mit der Gesundheit der Spieler spielt, um einen sinnlosen Wettbewerb wie die Nations League am Leben zu halten. Mitleid, dass der Profifußba­ll aus seiner Sonderroll­e in der Pandemie letztlich nicht mehr ableitet, als das Ellenbogen­vorhaben, den wirtschaft­lichen Verlust so gering wie möglich zu halten.

BERICHT CORONA-FÄLLE ÜBERSCHATT­EN LÄNDERSPIE­L, SPORT

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