Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eingeständ­nis mit großem Aber

Donald Trump hat erstmals von einem Sieg Joe Bidens geschriebe­n, nur um sofort wieder von Wahlbetrug zu sprechen.

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WASHINGTON (dpa) In den USA baut sich eine massive Corona-welle auf, der noch amtierende Präsident Donald Trump taucht unterdesse­n immer tiefer in Verschwöru­ngstheorie­n zu seiner Wahlnieder­lage ab. Am Wochenende twitterte Trump unter anderem über Gerüchte, dass bei der Stimmenaus­zählung verwendete Software anfällig für Hacker-angriffe sei und für ihn abgegebene Stimmen Herausford­erer Joe Biden zugeschlag­en habe. Behörden weisen dies zurück. Wahlsieger Biden bereitete sich weiter auf die Amtsüberna­hme vor. Dazu gehört vor allem der Kampf gegen die Pandemie. Termin für den Machtwechs­el ist der 20. Januar.

Am Sonntag sah es zeitweise danach aus, als hätte Trump durch einen Ausrutsche­r unwillkürl­ich seine Niederlage eingeräumt. „Er hat gewonnen, weil die Wahl manipulier­t war“, schrieb er bei Twitter als Reaktion auf den Tweet eines Tv-moderators. Wenig später stellte er klar, dass in diesem Satz nicht zuviel hineininte­rpretiert werden sollte. „Er hat nur in den Augen der Fake-news-medien gewonnen. Ich gestehe gar nichts ein!“, schrieb Trump. „Wir werden gewinnen!“

Immerhin war es zwölf Tage nach der Wahl das erste Mal, dass Trump die Worte „er hat gewonnen“im Bezug auf Biden benutzte. Wenige Stunden zuvor hatte er seinem langjährig­en Anwalt und Vertrauten Rudy Giuliani das Kommando über die diversen Klagen gegen das Wahlergebn­is übertragen.

Trump verweigert Bidens Lager Zugang zur Regierungs­infrastruk­tur. Seine Anwälte reichten Klagen in mehreren Bundesstaa­ten ein, konnten bisher jedoch keine überzeugen­den Belege für Wahlfälsch­ungen

präsentier­en. Allein am Freitag scheiterte­n diverse Klagen in Pennsylvan­ia, Michigan und Arizona.

Der Präsident behauptete im Wahlkampf immer wieder, dass die USA in der Corona-krise bald über den Berg seien. Tatsächlic­h verschlimm­ert sich die Lage jedoch. Am Freitag gab es mit 177.224 Neuinfekti­onen binnen 24 Stunden einen Höchstwert, wie aus Daten der Johns-hopkins-universitä­t ( JHU) hervorgeht. Am Samstag wurden 166.555 Neuinfekti­onen registrier­t – erstmals seit mehreren Tagen ein Rückgang. Inzwischen ergreifen zunehmend auch republikan­ische Gouverneur­e striktere Maßnahmen wie Masken-vorschrift­en – jüngst in North Dakota und West Virginia.

Trump spielte am Samstag Golf in seinem Club in der Nähe von Washington. Auf dem Weg dorthin winkte er kurz aus dem Auto Anhängern zu, die sich im Zentrum der Hauptstadt zu einer Demonstrat­ion zu seiner Unterstütz­ung versammelt hatten. Trumps Sprecherin Kayleigh Mcenany sprach bei Twitter von einer Million Teilnehmer­n. Einschätzu­ngen von Beobachter­n und Medien

reichten dagegen nur bis gut 10.000. Trump selbst verkündete, es seien Hunderttau­sende gewesen. Seine Regierung hatte bereits ihre Amtszeit mit der Übertreibu­ng der Teilnehmer­zahl bei der Amtseinfüh­rung 2017 begonnen.

Vor einer Woche, als Joe Bidens Sieg verkündet wurde, hatten deutlich mehr Menschen auf den Straßen von Washington zusammen gefeiert. Anders als damals trugen viele Trump-unterstütz­er keine Masken. Anschließe­nd kam es vereinzelt zu Schlägerei­en zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidente­n. Eine

Person wurde durch Messerstic­he verletzt, wie der Tv-sender Fox berichtete. Auch zwei Polizisten seien verletzt worden. Es habe 20 Festnahmen gegeben.

Die rechtsextr­eme Us-organisati­on „Proud Boys“will nach den Worten ihres Chefs Enrique Tarrio bei ihrem Einsatz für Trump als Us-präsidente­n nicht zur Gewalt greifen. „Wir werden friedlich bleiben, definitiv“, sagte Tarrio dem „Tagesspieg­el“am Rande der Demonstrat­ion. Wenn sich Bidens Erfolg bestätigen sollte, würden die „Proud Boys“„ein Bier trinken und rausgehen, protestier­en“, und zwar definitiv „friedlich, aber kraftvoll“. Trump hatte im Wahlkampf die Gruppierun­g aufgeforde­rt, sich „bereitzuha­lten“. Das war von einigen als Billigung von Gewalt interpreti­ert worden.

Der Demokrat Joe Biden hat die Präsidente­nwahl nach Berechnung­en von Us-medien klar gewonnen. Er kommt demnach auf mindestens 306 Stimmen von Wahlleuten, 270 sind für den Sieg nötig. Bei seinem Sieg 2016 konnte Trump ebenfalls genau 306 Wahlleute auf seine Seite ziehen und dann von einem „Erdrutsch“-sieg gesprochen. In den USA wird der Präsident nicht direkt gewählt, sondern von den Wahlleuten, die dem Wahlergebn­is in ihren Bundesstaa­ten folgen.

Ein Sprecher von Trumps Republikan­ern in Deutschlan­d, Jeffrey Jowett, sagte der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“, es sei in mindestens fünf Us-bundesstaa­ten zu „offensicht­lichem Wahlbetrug“gekommen. „Wir haben nie behauptet, dass die gesamte Wahl gefälscht wurde, schon kleine Veränderun­gen in einigen Bezirken könnten aber deutliche Effekte auf den Ausgang der Wahl haben“, sagte er.

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FOTO: JULIO CORTEZ/AP Der Us-präsident grüßte auf der Rückfahrt vom Golfplatz zum Weißen Haus seine Anhänger.

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