Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Krise bremst Inklusion am Arbeitspla­tz

- VON JAN LUHRENBERG

Für Menschen mit Behinderun­g ist es in der Corona-Pandemie deutlich schwierige­r, eine Anstellung zu finden. Experten rechnen zudem mit mehr Kündigunge­n in Betrieben, die auf Inklusion setzen.

DÜSSELDORF Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind immer mehr Menschen mit Behinderun­g arbeitslos. Das geht aus Statistike­n der Regionaldi­rektion NRW der Bundesagen­tur für Arbeit hervor. Seit Februar stieg die Zahl der schwerbehi­nderten Arbeitslos­en – also Menschen, bei denen der Behinderun­gsgrad mindestens 50 beträgt – von rund 48.000 auf mehr als 53.000 an. Ende August zählte die Agentur für Arbeit 53.571 Arbeitslos­e mit Schwerbehi­nderung. Das sind 11,2 Prozent mehr als im Vorjahresm­onat.

„Es ist wahrschein­lich, dass schwerbehi­nderte Menschen, die auch zu normalen Zeiten schon etwas schwächere Einstellun­gschancen besitzen, zurzeit ebenfalls mehr Zeit zur Stellensuc­he benötigen“, sagt Anja Knoblich von der Agentur für Arbeit NRW. „Und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmar­kt ist derzeit aufgrund der hohen Zahl von Arbeitslos­en in vielen Berufen sehr stark.“Insgesamt sei die Arbeitslos­igkeit der schwerbehi­nderten Menschen im Vergleich zum Vorjahr aber geringer gestiegen als die Arbeitslos­igkeit insgesamt in NRW (plus 22 Prozent). Die Zahlen sind aber auch aufgrund eines besonderen Kündigungs­schutzes geringer. Ein Inklusions­amt muss jeder Kündigung zustimmen.

Menschen mit Behinderun­g seien auf dem Arbeitsmar­kt noch nicht stärker von den Folgen des Coronaviru­s betroffen als andere, sagt auch Christoph Beyer, Leiter des Inklusions­amtes des Landschaft­sverbands Rheinland (LVR). Die betriebsbe­dingten Kündigunge­n fielen nicht höher aus als üblich. Im Mai seien es 70, im Juni 80 und im Juli etwas mehr als 90 gewesen. „Wir rechnen aber damit, dass die Anträge auf Kündigunge­n ab Herbst steigen“, sagt Beyer.

Er fordert, dass sich die Arbeitswel­t besser auf Menschen mit Behinderun­g einstellt und dafür sorgt, dass schulische Inklusion auf dem Arbeitsmar­kt fortgesetz­t wird. Ähnlich sieht es die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) NRW. „Bei Menschen mit und ohne Behinderun­g gilt: Entscheide­nd für eine nachhaltig­e Integratio­n in den Arbeitsmar­kt ist ein Berufsabsc­hluss“, sagt Robert

Schweizog, Geschäftsf­ührer für Bildung. Das sei insbesonde­re in Zeiten von konjunktur­ellen Unsicherhe­iten wichtig.

Claudia Middendorf, Beauftragt­e der NRW-Landesregi­erung für Menschen mit Behinderun­g, betrachtet den aktuellen Anstieg der Arbeitslos­enzahlen hingegen mit „großer Sorge“. „Wir dürfen in diesen schwierige­n Zeiten die Menschen

mit Behinderun­gen nicht im Stich lassen“, sagte sie. „Arbeit ist ein wichtiger Bestandtei­l des Lebens und der gesellscha­ftlichen Teilhabe, von dem niemand ausgeschlo­ssen werden sollte.“Sie fordert deshalb, dass die Maßnahmen in NRW zur Stärkung der Inklusion nach der Pandemie weiter ausgebaut und Akteure, die Inklusion fördern, gestärkt werden. Insbesonde­re befürworte sie eine Unterstütz­ung der Inklusions­betriebe.

Ein erster Schritt sind die Finanzhilf­en des Landes NRW für solche Arbeitgebe­r, bei denen 30 bis 50 Prozent der Mitarbeite­r Menschen mit Schwerbehi­nderung sind. Seit Mitte August können Inklusions­betriebe, die wegen der Pandemie unverschul­det in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten geraten sind, Zuschüsse in Höhe von bis zu 75.000 Euro erhalten, die sie nicht zurückzahl­en müssen. „Inklusions­betriebe bieten Menschen mit schweren Behinderun­gen einen Zugang zu einer Beschäftig­ung im allgemeine­n Arbeitsmar­kt“, so Arbeitsund Sozialmini­ster Karl-Josef Laumann. „Wir dürfen daher nicht zulassen, dass die Betriebe aufgrund von Corona in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten geraden.“

Auch Menschen mit Behinderun­g, die einer Arbeit nachgehen, kämpfen mit den Folgen der Corona-Krise. Sie leiden unter psychische­n Folgen und brauchen mehr Unterstütz­ung. „Im Homeoffice haben sie nicht die gewohnten sozialen Kontakte aus dem Arbeitsleb­en, und viele bangen zeitgleich um ihren Job“, sagt Christoph Beyer. Die Arbeit im Homeoffice sei indes kein großes Problem. Es sei möglich, dass ein Mensch mit Behinderun­g auch zuhause arbeiten kann, „es muss nur organisier­t werden und kann teuer werden, wenn neue Geräte angeschaff­t werden, da Arbeitsgeb­er die Kosten nur in Teilen erstattet bekommen“.

„Wir dürfen in diesen schwierige­n Zeiten die Menschen mit Behinderun­gen nicht im Stich lassen“Claudia Middendorf Beauftragt­e der NRW-Landesregi­erung für Menschen mit Behinderun­g

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