Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eingeschlossene drohen mit Sprung in die Tiefe
Ein Kellerbrand sorgt am Samstagabend für einen dramatischen Feuerwehreinsatz an der Bergheimer Straße. Denn der Brandrauch versperrte das Treppenhaus und schloss viele Menschen in ihren Wohnungen ein.
NEUSS So sollte sein Leben nicht enden. Also schrie David Gerloff, schrie aus Leibeskräften die Bergheimer Straße zusammen und drohte sogar, vom Fenstersims im dritten Stock zu springen, um sich vor dem Brandrauch zu retten. „Ich war in Panik“, sagt er am Tag danach. Und: „Ich hatte zwei Schutzengel“. Denn Nachbarn zogen ihn zuvor hoch und ans Fenster, als er schon am Boden war und wegen Luftnot bewusstlos zu werden drohte.
Die Rettung von David Gerloff und drei weiteren Personen aus dem Dachgeschoss des Hauses Bergheimer Straße 133 war am Samstagabend der Höhepunkt eines Großeinsatzes, den selbst die Feuerwehr als dramatisch beschreibt und dessen Ursache ein Kellerbrand war.
16 Menschen mussten vom Rettungsdienst versorgt, fünf davon in Krankenhäuser zur Beobachtung und Weiterbehandlung gebracht werden. Eine ältere Frau muss nach Angaben von Markus Roßkothen, dem Vermieter, wohl länger im Krankenhaus bleiben. Der Zustand sei aber nicht Besorgnis erregend. Auch ein Feuerwehrmann zog sich eine Verletzung an der Hand zu, teilt die Einsatzleitung mit.
Der ganze Einsatz vollzog sich vor den Augen zahlreicher Zuschauer. Auf gut 500 schätzt Günter Hilgers ihre Zahl. Er war einer der ersten im Haus, der das Feuer bemerkte. Mit Ehefrau Marianne saß er gegen 20.50 Uhr vor dem Fernseher, als der mit einem Schlag ausging. In die plötzliche Stille gellte der Alarm des Rauchmelders im Treppenhaus. Hilgers ging nachschauen: „Ich mach die Tür auf und steh’ vor einer schwarz-blauen Wand“, sagt er.
Hilgers und seine Ehefrau retteten sich auf den Balkon im ersten Stock, wo Feuerwehrleute sie später antrafen, die ihnen Fluchthauben überstülpten und sie durch das Treppenhaus ins Freie brachten. Für den Nachbarn in der Etage darüber, der mit seiner sechsjährigen Tochter auch auf den Balkon an der Rückseite des Hauses geflüchtet war, war dieser Weg schon versperrt. Sie wurden mit Hilfe einer Drehleiter geborgen. Auch ein Sprungkissen wurde aufgeblasen – und gebraucht. Einige Passanten hätten die Einsatzkräfte bei der Menschenrettung tatkräftig unterstützt, hebt die Feuerwehr im Abschlussbericht hervor.
Acht Bewohner leben im Haus, am Samstag hielten sich noch einmal so viele Gäste im Gebäude auf. Zum Beispiel in der Wohnung von Andreas Kloß im dritten Geschoss.
Er selbst konnte sich mit seinem Sohn und einem Freund des Sohnes selbst ins Freie retten. „Jacke vor den Mund, Luft angehalten – und nur noch gerannt“, sagt Kloß. Zwei andere Bekannte seines Sohnes, darunter David Gerloff, blieben zurück. Sie hatten es ebenfalls durch das Treppenhaus versucht, doch von Stufe zu Stufe wurde der Rauch immer dicker. Also zogen sie sich wieder treppaufwärts zurück, hustend, spuckend, bis sie von den beiden Bewohnern der Dachmansarde an das offene Fenster gezogen wurden.
Der Weg zu diesen Eingeschlossenen war nicht so einfach, denn ein Innenhof und ein winklig angebautes Nebengebäude verhinderten, dass die Drehleiter der Wehr eingesetzt werden konnte. Deshalb wurden erst Leitern an den Anbau und von dessen steilem Dach aus eine Steighilfe für die Eingeschlossenen angelegt. Eine Konstruktion, der Gerloff erst nicht so recht vertrauen wollte. Tags drauf aber war er froh, den Sprung auf das Dach des Anbaus nicht versucht zu haben. „Ich hab nicht realisiert, wie hoch das ist“, sagt er. Und Halt hätte er auf den Dachpfannen auch nicht gefunden und wäre wohl in den Innenhof gestürzt. Gerloff: „So schnell kann ein Leben zu Ende sein.“
Zum Schluss etwas Einsatzstatistik: Die Feuerwehr schickte fünf Löschzüge mit etwa 50 Helfern in den Einsatz, der erst um Mitternacht beendet war. In dieser Zeit war die Bergheimer Straße zwischen Friedrich-Ebert-Platz und Kantstraße vollständig gesperrt. Die Polizei hat die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen. Das Haus, in dessen
Keller nach Angaben des Vermieters kniehoch das Löschwasser steht, ist nicht bewohnbar, der Sachschaden noch nicht beziffert. Die Bewohner kommen vorerst bei Bekannten unter. Günter Hilgers zum guten Ende: „Alle heil rausgekommen.“