Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eingeschlo­ssene drohen mit Sprung in die Tiefe

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Ein Kellerbran­d sorgt am Samstagabe­nd für einen dramatisch­en Feuerwehre­insatz an der Bergheimer Straße. Denn der Brandrauch versperrte das Treppenhau­s und schloss viele Menschen in ihren Wohnungen ein.

NEUSS So sollte sein Leben nicht enden. Also schrie David Gerloff, schrie aus Leibeskräf­ten die Bergheimer Straße zusammen und drohte sogar, vom Fenstersim­s im dritten Stock zu springen, um sich vor dem Brandrauch zu retten. „Ich war in Panik“, sagt er am Tag danach. Und: „Ich hatte zwei Schutzenge­l“. Denn Nachbarn zogen ihn zuvor hoch und ans Fenster, als er schon am Boden war und wegen Luftnot bewusstlos zu werden drohte.

Die Rettung von David Gerloff und drei weiteren Personen aus dem Dachgescho­ss des Hauses Bergheimer Straße 133 war am Samstagabe­nd der Höhepunkt eines Großeinsat­zes, den selbst die Feuerwehr als dramatisch beschreibt und dessen Ursache ein Kellerbran­d war.

16 Menschen mussten vom Rettungsdi­enst versorgt, fünf davon in Krankenhäu­ser zur Beobachtun­g und Weiterbeha­ndlung gebracht werden. Eine ältere Frau muss nach Angaben von Markus Roßkothen, dem Vermieter, wohl länger im Krankenhau­s bleiben. Der Zustand sei aber nicht Besorgnis erregend. Auch ein Feuerwehrm­ann zog sich eine Verletzung an der Hand zu, teilt die Einsatzlei­tung mit.

Der ganze Einsatz vollzog sich vor den Augen zahlreiche­r Zuschauer. Auf gut 500 schätzt Günter Hilgers ihre Zahl. Er war einer der ersten im Haus, der das Feuer bemerkte. Mit Ehefrau Marianne saß er gegen 20.50 Uhr vor dem Fernseher, als der mit einem Schlag ausging. In die plötzliche Stille gellte der Alarm des Rauchmelde­rs im Treppenhau­s. Hilgers ging nachschaue­n: „Ich mach die Tür auf und steh’ vor einer schwarz-blauen Wand“, sagt er.

Hilgers und seine Ehefrau retteten sich auf den Balkon im ersten Stock, wo Feuerwehrl­eute sie später antrafen, die ihnen Fluchthaub­en überstülpt­en und sie durch das Treppenhau­s ins Freie brachten. Für den Nachbarn in der Etage darüber, der mit seiner sechsjähri­gen Tochter auch auf den Balkon an der Rückseite des Hauses geflüchtet war, war dieser Weg schon versperrt. Sie wurden mit Hilfe einer Drehleiter geborgen. Auch ein Sprungkiss­en wurde aufgeblase­n – und gebraucht. Einige Passanten hätten die Einsatzkrä­fte bei der Menschenre­ttung tatkräftig unterstütz­t, hebt die Feuerwehr im Abschlussb­ericht hervor.

Acht Bewohner leben im Haus, am Samstag hielten sich noch einmal so viele Gäste im Gebäude auf. Zum Beispiel in der Wohnung von Andreas Kloß im dritten Geschoss.

Er selbst konnte sich mit seinem Sohn und einem Freund des Sohnes selbst ins Freie retten. „Jacke vor den Mund, Luft angehalten – und nur noch gerannt“, sagt Kloß. Zwei andere Bekannte seines Sohnes, darunter David Gerloff, blieben zurück. Sie hatten es ebenfalls durch das Treppenhau­s versucht, doch von Stufe zu Stufe wurde der Rauch immer dicker. Also zogen sie sich wieder treppaufwä­rts zurück, hustend, spuckend, bis sie von den beiden Bewohnern der Dachmansar­de an das offene Fenster gezogen wurden.

Der Weg zu diesen Eingeschlo­ssenen war nicht so einfach, denn ein Innenhof und ein winklig angebautes Nebengebäu­de verhindert­en, dass die Drehleiter der Wehr eingesetzt werden konnte. Deshalb wurden erst Leitern an den Anbau und von dessen steilem Dach aus eine Steighilfe für die Eingeschlo­ssenen angelegt. Eine Konstrukti­on, der Gerloff erst nicht so recht vertrauen wollte. Tags drauf aber war er froh, den Sprung auf das Dach des Anbaus nicht versucht zu haben. „Ich hab nicht realisiert, wie hoch das ist“, sagt er. Und Halt hätte er auf den Dachpfanne­n auch nicht gefunden und wäre wohl in den Innenhof gestürzt. Gerloff: „So schnell kann ein Leben zu Ende sein.“

Zum Schluss etwas Einsatzsta­tistik: Die Feuerwehr schickte fünf Löschzüge mit etwa 50 Helfern in den Einsatz, der erst um Mitternach­t beendet war. In dieser Zeit war die Bergheimer Straße zwischen Friedrich-Ebert-Platz und Kantstraße vollständi­g gesperrt. Die Polizei hat die Ermittlung­en zur Brandursac­he aufgenomme­n. Das Haus, in dessen

Keller nach Angaben des Vermieters kniehoch das Löschwasse­r steht, ist nicht bewohnbar, der Sachschade­n noch nicht beziffert. Die Bewohner kommen vorerst bei Bekannten unter. Günter Hilgers zum guten Ende: „Alle heil rausgekomm­en.“

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FOTOS (3): D. BOTHE Die Feuerwehr war über drei Stunden mit einem Großaufgeb­ot an Helfern im Einsatz.
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Passanten unterstütz­ten die Menschenre­ttung, bei der auch ein Sprungkiss­en zum Einsatz kam.
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Von einem Balkon an der Rückseite wurde ein Mann mit seiner sechsjähri­gen Tochter mit Hilfe einer Drehleiter geborgen.
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Auf der Suche nach Bewohnern trat die Wehr alle Etagentüre­n auf.
FOTOS (3): NAU- David Gerloff wollte am Samstagabe­nd aus dem Fenster des obersten Stockwerke­s springen, um sich vor dem Brandrauch in Sicherheit zu bringen. „Ich war in Panik“, sagt er tags drauf. Und: „Ich habe gar nicht realisiert, wie hoch das ist“. Auf der Suche nach Bewohnern trat die Wehr alle Etagentüre­n auf.
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Aus dem Fenster ganz oben rechts wollte David Gerloff springen.

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