Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
So hilft ein 3D-Modell bei der Solarplanung
Das Solarkataster gilt als veraltet. Weiterhelfen kann „Neuss dreidimensional“– eigentlich eine technische Spielerei.
NEUSS Virtuell über ein dreidimensionales Modell der Stadt zu fliegen und das eigene Häuschen mal aus der Luft zu sehen, mag eine nette Spielerei sein. Doch die Computeranimation „Neuss dreidimensional“, vom städtischen Liegenschaftsbetrieb eigentlich nur für den internen Dienstgebrauch entwickelt aber dann doch vor kurzem öffentlich gemacht, kann mehr – und Hausbesitzern als wichtiges Werkzeug dienen. Wenn diese sich zum Beispiel mit Dachbegrünung, Solarthermie oder der Anschaffung einer Photovolatikanlage beschäftigen möchten.
Das um so mehr, weil das nur für den Zweck energetischer Projekte entwickelte Solarpotenzialkataster der Stadt aus dem Jahr 2013 als veraltet gilt. Es sei immer noch „dienlich“, sagt Roland Gilges, der Abteilungsleiter Energiedienstleistung der Stadtwerke, „wenn man die Zahlen nicht zu ernst nimmt“. Neubaugebiete, ergänzt Tobias Spange von der städtischen Pressestelle, „existieren mit keinem Haus in den Berechnungen“.
Wofür wurde „Neuss dreimensional“gemacht? Zunächst für alle im Rathaus, die mit Stadtplanung und Fragen der Bauordnung zu tun haben. Extern wurde das Werkzeug erst 7144 Mal gestartet, ohne dass Kritik daran laut wurde. „Die Bürger sind wunschlos glücklich“, folgtert Spange.
Was sieht man? Auf der Basis der für Neuss verfügbaren Geoinformationen wurde ein 3D-Modell des gesamten Stadtgebietes samt einem digitalen Geländemodell entwickelt. Es zeigt alle schon eingemessenen Gebäude – zum Teil mit detailliert ausgearbeiteten Fassaden – mit den, so wörtlich, wahren Dachflächen.
Wie kann man das nutzen? Über die Werkzeugbox ist es möglich, im 3D-Modell Messungen anzustellen. Es können nicht nur Punkte, Strecken und Abstände, sowie Höhe und Breite erfasst, sondern auch zweidimensionale Flächen berechnet werden. Das Gebäudevolumen für jedes Gebäude ist per Mausklick auch ablesbar. Anders als das Solarpotenzialkataster zeigt „Neuss dreidimensional“Schrägbilder, die auch den Schattenwurf von Nachbargebäuden deutlich machen. Diese Verschattung kann über die Werkzeugleiste für jeden Tag im Jahr und für jede Uhrzeit simuliert werden.
Wie aktuell sind die Daten? Ziemlich. Die Masse der 90.000 Gebäude ist schon eingepflegt worden, Neubauten werden ohnehin anhand der Bauakten auch virtuell sofort nachgebaut. Das aktuell nutzbare Modell liegt in zwei Qualitätsstufen vor mit unterschiedlichen Geländemodellen in einem 10- und 25-Meter-Raster, das mit 2019 gemachten Luftbildern belegt wurde. „Mit der nächsten Luftbild-Befliegung 2021 wird es eine noch höhere Bildauflösung geben“, sichert Spange zu. Das Modell werde zudem ständig aktualisiert, vor allem bei Dachflächen erfolge das automatisiert.
Wie kommt man vom Modell zur Planung? Hat man durch die Tageszeiten-Animation und den Schattenwurf den Eindruck gewonnen, dass die eigene Dachfläche mehr kann, als den Regen abzuhalten, geht es nicht ohne sachkundige Beratung. Ein wichtiger Ansprechpartner können dabei die Stadtwerke sein. „Die meisten haben schon über Photovoltaik und eigene Stromerzeugung nachgedacht“, weiß Roland Gilges aus vielen Gesprächen. „Viele kommen aber über diesen ersten Gedanken nicht hinaus.“Dabei lasse sich eine Photovoltaikanlage immer wirtschaftlich betreiben.
Welche Varianten stehen zur Verfügung? „Früher wurde auf das Dach geschraubt, was darauf Platz hatte“, sagt Gilges. Ein Grund dafür war die – im Vergleich zu heute – hohe Einspeisevergütung. Heutzutage würde zunächst der tatsächliche Energiebedarf analysiert und die Anlage dann entsprechend dimensioniert. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung ist Teil der Beratungsleistung. Hat man sich zum Bau entschieden, kann man selbst als Investor agieren. . Die Stadtwerke bieten unter dem Motto „Sonnenstrom Neuss“aber auch ein Contracting-Modell an. Das heißt, übersetzt Gilges, dass die Stadtwerke Finanzierung, Wartung und Handwerkerbetreuung übernehmen, der „Dachbesitzer“dafür eine monatliche Pacht bezahlt. Dieser kann aber den auf seinem Dach erzeugten Strom zu 100 Prozent nutzen und überschüssige Energie – gegen Vergütung – ins Netz einspeisen.
Gibt es Alternativen? Eine denkbare Alternative sei die Solarthermie, also die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung mit Sonnenenergie, sagt Gilges Aber die Solarthermie gehe immer mehr zurück, weil sie in Puncto Kosten und Wirtschaftlichkeit nicht so effektiv arbeitet wie etwa die Photovoltaik. Mit Photovoltaik würden sich vor allem Investoren beschäftigen, die ein neues Wohngebäude errichten wollen. Denn die Wärmeerzeugung bei Neubauten muss aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe zur Hälfte über erneuerbare Energieträger abgebildet werden.
Was geht sonst noch? Viele Dächer sind auch geeignet, um begrünt zu werden. Eine Übersicht gibt das Gründachpotenzialkataster der Stadt, die solche Investitionen auch fördert. Aber, sagt Gilges, „man kann ein Dach nur einmal belegen“.