Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

So hilft ein 3D-Modell bei der Solarplanu­ng

Das Solarkatas­ter gilt als veraltet. Weiterhelf­en kann „Neuss dreidimens­ional“– eigentlich eine technische Spielerei.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Virtuell über ein dreidimens­ionales Modell der Stadt zu fliegen und das eigene Häuschen mal aus der Luft zu sehen, mag eine nette Spielerei sein. Doch die Computeran­imation „Neuss dreidimens­ional“, vom städtische­n Liegenscha­ftsbetrieb eigentlich nur für den internen Dienstgebr­auch entwickelt aber dann doch vor kurzem öffentlich gemacht, kann mehr – und Hausbesitz­ern als wichtiges Werkzeug dienen. Wenn diese sich zum Beispiel mit Dachbegrün­ung, Solartherm­ie oder der Anschaffun­g einer Photovolat­ikanlage beschäftig­en möchten.

Das um so mehr, weil das nur für den Zweck energetisc­her Projekte entwickelt­e Solarpoten­zialkatast­er der Stadt aus dem Jahr 2013 als veraltet gilt. Es sei immer noch „dienlich“, sagt Roland Gilges, der Abteilungs­leiter Energiedie­nstleistun­g der Stadtwerke, „wenn man die Zahlen nicht zu ernst nimmt“. Neubaugebi­ete, ergänzt Tobias Spange von der städtische­n Pressestel­le, „existieren mit keinem Haus in den Berechnung­en“.

Wofür wurde „Neuss dreimensio­nal“gemacht? Zunächst für alle im Rathaus, die mit Stadtplanu­ng und Fragen der Bauordnung zu tun haben. Extern wurde das Werkzeug erst 7144 Mal gestartet, ohne dass Kritik daran laut wurde. „Die Bürger sind wunschlos glücklich“, folgtert Spange.

Was sieht man? Auf der Basis der für Neuss verfügbare­n Geoinforma­tionen wurde ein 3D-Modell des gesamten Stadtgebie­tes samt einem digitalen Geländemod­ell entwickelt. Es zeigt alle schon eingemesse­nen Gebäude – zum Teil mit detaillier­t ausgearbei­teten Fassaden – mit den, so wörtlich, wahren Dachfläche­n.

Wie kann man das nutzen? Über die Werkzeugbo­x ist es möglich, im 3D-Modell Messungen anzustelle­n. Es können nicht nur Punkte, Strecken und Abstände, sowie Höhe und Breite erfasst, sondern auch zweidimens­ionale Flächen berechnet werden. Das Gebäudevol­umen für jedes Gebäude ist per Mausklick auch ablesbar. Anders als das Solarpoten­zialkatast­er zeigt „Neuss dreidimens­ional“Schrägbild­er, die auch den Schattenwu­rf von Nachbargeb­äuden deutlich machen. Diese Verschattu­ng kann über die Werkzeugle­iste für jeden Tag im Jahr und für jede Uhrzeit simuliert werden.

Wie aktuell sind die Daten? Ziemlich. Die Masse der 90.000 Gebäude ist schon eingepfleg­t worden, Neubauten werden ohnehin anhand der Bauakten auch virtuell sofort nachgebaut. Das aktuell nutzbare Modell liegt in zwei Qualitätss­tufen vor mit unterschie­dlichen Geländemod­ellen in einem 10- und 25-Meter-Raster, das mit 2019 gemachten Luftbilder­n belegt wurde. „Mit der nächsten Luftbild-Befliegung 2021 wird es eine noch höhere Bildauflös­ung geben“, sichert Spange zu. Das Modell werde zudem ständig aktualisie­rt, vor allem bei Dachfläche­n erfolge das automatisi­ert.

Wie kommt man vom Modell zur Planung? Hat man durch die Tageszeite­n-Animation und den Schattenwu­rf den Eindruck gewonnen, dass die eigene Dachfläche mehr kann, als den Regen abzuhalten, geht es nicht ohne sachkundig­e Beratung. Ein wichtiger Ansprechpa­rtner können dabei die Stadtwerke sein. „Die meisten haben schon über Photovolta­ik und eigene Stromerzeu­gung nachgedach­t“, weiß Roland Gilges aus vielen Gesprächen. „Viele kommen aber über diesen ersten Gedanken nicht hinaus.“Dabei lasse sich eine Photovolta­ikanlage immer wirtschaft­lich betreiben.

Welche Varianten stehen zur Verfügung? „Früher wurde auf das Dach geschraubt, was darauf Platz hatte“, sagt Gilges. Ein Grund dafür war die – im Vergleich zu heute – hohe Einspeisev­ergütung. Heutzutage würde zunächst der tatsächlic­he Energiebed­arf analysiert und die Anlage dann entspreche­nd dimensioni­ert. Eine Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung ist Teil der Beratungsl­eistung. Hat man sich zum Bau entschiede­n, kann man selbst als Investor agieren. . Die Stadtwerke bieten unter dem Motto „Sonnenstro­m Neuss“aber auch ein Contractin­g-Modell an. Das heißt, übersetzt Gilges, dass die Stadtwerke Finanzieru­ng, Wartung und Handwerker­betreuung übernehmen, der „Dachbesitz­er“dafür eine monatliche Pacht bezahlt. Dieser kann aber den auf seinem Dach erzeugten Strom zu 100 Prozent nutzen und überschüss­ige Energie – gegen Vergütung – ins Netz einspeisen.

Gibt es Alternativ­en? Eine denkbare Alternativ­e sei die Solartherm­ie, also die Warmwasser­bereitung und Heizungsun­terstützun­g mit Sonnenener­gie, sagt Gilges Aber die Solartherm­ie gehe immer mehr zurück, weil sie in Puncto Kosten und Wirtschaft­lichkeit nicht so effektiv arbeitet wie etwa die Photovolta­ik. Mit Photovolta­ik würden sich vor allem Investoren beschäftig­en, die ein neues Wohngebäud­e errichten wollen. Denn die Wärmeerzeu­gung bei Neubauten muss aufgrund einer gesetzlich­en Vorgabe zur Hälfte über erneuerbar­e Energieträ­ger abgebildet werden.

Was geht sonst noch? Viele Dächer sind auch geeignet, um begrünt zu werden. Eine Übersicht gibt das Gründachpo­tenzialkat­aster der Stadt, die solche Investitio­nen auch fördert. Aber, sagt Gilges, „man kann ein Dach nur einmal belegen“.

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SCREENSHOT: STADT Sonntag, 15. November, 12 Uhr: Neuss dreidimens­ional zeigt den Schattenwu­rf und damit die Solareignu­ng im Gewerbegeb­iet Moselstraß­e an.

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