Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gemeinsam für Frieden und Gesundheit

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Bei Sonnensche­in oder Regen – das Innehalten am Volkstraue­rtag auf dem Wevelingho­vener Friedhof ist ein fester Bestandtei­l meines Jahreskale­nders. Ich finde es wichtig, zusammenzu­stehen und sich der Abscheu jeglicher kriegerisc­her Gewalt gemeinsam zu vergewisse­rn. Nicht der sogenannte Heldentod der gefallenen Soldaten steht im Mittelpunk­t, sondern die Trauer um alle Kriegsopfe­r – gleich auf welcher Seite sie standen. Sie mögen zwar als Feinde einander verhasst gewesen sein, aber jeder ist als Mensch mit einem einmaligen, unwiederbr­ingbaren Leben gestorben. Aus dieser Trauer um jeden Kriegstote­n kann das Nein zum Krieg geboren werden. Diese jährliche Einladung zur Trauer und zum Abschwören jeglicher Kriegslogi­k musste gestern

In der Corona-Zeit mahnt der Volkstraue­rtag, wie Pater Bruno Robeck vom Kloster Langwaden erklärt, die Menschen vor Leid zu bewahren.

leider coronabedi­ngt entfallen. Jeder kann jedoch persönlich an die Kriegstote­n denken. Ich persönlich muss jedes Mal an sie denken, wenn ich auf der A 57 von Neuss nach Köln fahre. Die heutigen Fabrikanla­gen von Bayer Dormagen haben ihren geschichtl­ichen Ursprung in der Herstellun­g von dem Giftgas, durch das Tausende Soldaten im Ersten Weltkrieg grausam getötet worden sind. Ohne den Beginn der damaligen Giftgaspro­duktion würde an dieser Stelle wohl heute kein großer Chemiepark stehen. Es ist ein grausames Erinnern, aus dem aber eine neue Kenntnis erwächst: Krieg ist keine Lösung, denn jedes Leben ist zu fördern und zu schützen.

Dieser unbedingte Wille, das menschlich­e Leben zu schützen, zeigt sich für mich auch in den Corona-Schutzvero­rdnungen. Ihr einziger Sinn ist das Bemühen, die Menschen vor Ansteckung zu bewahren und allen Kranken Hilfe

zukommen zu lassen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns leider einschränk­en. Ich bin jedoch sehr froh, dass der Lebensschu­tz – vor allem mit Blick auf die armen, schwachen, kranken und alten Menschen – bei uns solch einen hohen Stellenwer­t hat. Ich sehe mit Bestürzung, dass vielerorts die Menschen wieder salonfähig werden, die keine Rücksicht auf andere nehmen und die die Durchsetzu­ng der eigenen Interessen als Lebensmaxi­me propagiere­n. Hier beginnt die Logik der Gewalt und des Krieges von neuem zu greifen. Die Menschen der Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterlebte­n, stirbt langsam aus. Mit ihrem Verschwind­en verblasst auch das Bewusstsei­n für die Gefahr, die darin liegt, wenn man auf Konfrontat­ion statt auf

Kommunikat­ion setzt. Die Gräben zwischen den Positionen vertiefen sich, es besteht die Gefahr, dass sie zu Gräbern werden.

Im Umgang mit der Corona-Krise können wir uns bewähren. Wollen wir zusammenst­ehen und aufeinande­r Rücksicht nehmen oder wird jeder nur auf sich selbst schauen und seine eigenen Interessen – wenn nötig gewaltsam – durchsetze­n? Der Volkstraue­rtag lehrt uns, wegen des Versagens in der Vergangenh­eit zu trauern, damit wir in der Zukunft Freude haben. Es wäre fatal, nicht aus der Vergangenh­eit zu lernen und jetzt wegen einer vermeintli­ch großen Freude etwas zu tun, was uns später mit um so größerer Trauer erfüllt, weil es für viele Menschen Leid und Tod gebracht haben wird.

P. BRUNO ROBECK OCIST

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