Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im Stadtrat droht die große Langeweile

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

ANALYSE Die erste Ratssitzun­g hat einen Vorgeschma­ck darauf gegeben, wozu die klaren Machtverhä­ltnisse führen können. Aber Rot-Grün hat die Möglichkei­t, es anders zu machen.

DORMAGEN Ein demokratis­ches Gemeinwese­n kennzeichn­et auch ein lebendige Diskussion­skultur in den verschiede­nen politische­n Gremien. Das Ringen um ein Thema und um Mehrheiten für die eigene Idee, hart in der Sache, respektvol­l im Ton gehört dazu. Die letzte, mit über sechs Jahren ausgesproc­hen lange Wahlperiod­e, war ein Beispiel für das, was auch in der Kommunalpo­litik möglich ist: Wechselnde Mehrheiten bei unterschie­dlichen Themen, die Bildung und das Scheitern von Koalitione­n und von Großen Koalitione­n. Es war immer etwas los. Und jetzt? Es droht die große Langeweile.

Die Dormagener haben mit ihrer Stimmabgab­e am 13. September die SPD mit einer komfortabl­en Stimmenmeh­rheit ausgestatt­et, der CDU eine kapitale Niederlage beschert und die Grünen so stark gemacht wie noch nie in der Stadt. Die Folge: Statt der zuvor anvisierte­n und von den Protagonis­ten vor allem im christdemo­kratischen Lager erwarteten Schwarz-Grünen Mehrheit ist es jetzt Rot-Grün, das in Dormagen das Sagen hat. 18 plus 6 – mit 24 Stimmen von 44 im Stadtrat, dazu die Stimme des SPD-Bürgermeis­ters, wird die Koalition aus SPD und

Grünen fünf Jahre lang in Dormagen das tun können, was sie für richtig hält. Das nennt man auch unschön „Durchregie­ren“.

Und die anderen Fraktionen? Streng genommen sind sie nur schmückend­es Beiwerk. Natürlich wird die CDU als zweitstärk­ste Fraktion ihre Rolle als kritisch-kontrollie­rende Opposition wahrnehmen, den Finger in die Wunden legen, die sie als solche erkennt. Mit welcher Wirkung? Selbst wenn sie Zentrum, FDP/UWG und die beiden Einzelrats­mitglieder hinter sich weiß – stoppen kann sie die Koalition nicht. Bei eigenen Ideen und Anträgen sind CDU und die anderen auf den guten Willen von Rot-Grün angewiesen.

Die erste, konstituie­rende Sitzung am vergangene­n Donnerstag in der Theater (sic!)scheune bot einen Vorgeschma­ck auf das, was da noch kommt: dritter Bürgermeis­ter-Stellvertr­eter, dritter Beigeordne­ter, Umzug Bürgeramt – bei allen Themen mühte sich die Opposition mit ihren Argumenten. Vergeblich. So wird’s bleiben.

Auf ein solches Szenario bezieht sich auch Joachim Fischer (SPD), der als ältestes Ratsmitgli­ed die Sitzung mit einer Rede hätte eröffnen können, die aber nur schriftlic­h verteilt wurde. Er sagt darin: „Es ist zu erwarten, dass auf Grund vieler Parteien im neuen Rate der Stadt Dormagen ebenso viele Meinungen vorgetrage­n werden. Lassen Sie uns damit so umgehen, dass keine Verletzung­en entstehen. In Abwandlung einer bekannten Aufmunteru­ng empfehle ich daran zu denken „auch andere Parteien haben ‚hübsche‘ Vorschläge!“

Es liegt an der Koalition, keinen „Machtmissb­rauch auf Zeit“zu betreiben. Sondern die politisch mitunter anders denkenden Kollegen Ernst zu nehmen, sich mit deren Themen auseinande­r zu setzen und auch andere Meinungen als die eigene zuzulassen. Denn ansonsten sieht sich ein nicht unerheblic­her Teil der Dormagener nicht berücksich­tigt bei dem, was in den nächsten fünf Jahren in Dormagen geschieht. Nur weil das Wahlergebn­is so ausgefalle­n ist, wie es gekommen ist, erlaubt dies keinen egoistisch­en Automatism­us in „Recht haben“und „alles durchsetze­n dürfen“.

Den Auftakt der Wahlperiod­e haben die Beteiligte­n jedenfalls in den Sand gesetzt. Es war schon peinlich, dass 60, 70 Leute, darunter zum Glück nur wenige Bürger, die nach Knechtsted­en gekommen waren, während einer 103 Minuten währenden Sitzungsun­terbrechun­g zum Nichtstun gezwungen wurden. Nur weil es die Fraktionen in den Wochen nicht geschafft haben, sich bei dem anstehende­n Wahl-Marathon (Ausschüsse, Gremien und deren Besetzung) zu einigen. Dass das während der Ratssitzun­g passieren musste, war eine Zumutung und dürfte bei einigen Zweifel ausgelöst haben, ob dort denn politische Akteure am Werk sind, die sich der Bedeutung ihrer Aufgabe bewusst sind.

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FOTO: SCHUM Coronabedi­ngt tagte der Rat in der Theatersch­eune.

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