Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Im Stadtrat droht die große Langeweile
ANALYSE Die erste Ratssitzung hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, wozu die klaren Machtverhältnisse führen können. Aber Rot-Grün hat die Möglichkeit, es anders zu machen.
DORMAGEN Ein demokratisches Gemeinwesen kennzeichnet auch ein lebendige Diskussionskultur in den verschiedenen politischen Gremien. Das Ringen um ein Thema und um Mehrheiten für die eigene Idee, hart in der Sache, respektvoll im Ton gehört dazu. Die letzte, mit über sechs Jahren ausgesprochen lange Wahlperiode, war ein Beispiel für das, was auch in der Kommunalpolitik möglich ist: Wechselnde Mehrheiten bei unterschiedlichen Themen, die Bildung und das Scheitern von Koalitionen und von Großen Koalitionen. Es war immer etwas los. Und jetzt? Es droht die große Langeweile.
Die Dormagener haben mit ihrer Stimmabgabe am 13. September die SPD mit einer komfortablen Stimmenmehrheit ausgestattet, der CDU eine kapitale Niederlage beschert und die Grünen so stark gemacht wie noch nie in der Stadt. Die Folge: Statt der zuvor anvisierten und von den Protagonisten vor allem im christdemokratischen Lager erwarteten Schwarz-Grünen Mehrheit ist es jetzt Rot-Grün, das in Dormagen das Sagen hat. 18 plus 6 – mit 24 Stimmen von 44 im Stadtrat, dazu die Stimme des SPD-Bürgermeisters, wird die Koalition aus SPD und
Grünen fünf Jahre lang in Dormagen das tun können, was sie für richtig hält. Das nennt man auch unschön „Durchregieren“.
Und die anderen Fraktionen? Streng genommen sind sie nur schmückendes Beiwerk. Natürlich wird die CDU als zweitstärkste Fraktion ihre Rolle als kritisch-kontrollierende Opposition wahrnehmen, den Finger in die Wunden legen, die sie als solche erkennt. Mit welcher Wirkung? Selbst wenn sie Zentrum, FDP/UWG und die beiden Einzelratsmitglieder hinter sich weiß – stoppen kann sie die Koalition nicht. Bei eigenen Ideen und Anträgen sind CDU und die anderen auf den guten Willen von Rot-Grün angewiesen.
Die erste, konstituierende Sitzung am vergangenen Donnerstag in der Theater (sic!)scheune bot einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommt: dritter Bürgermeister-Stellvertreter, dritter Beigeordneter, Umzug Bürgeramt – bei allen Themen mühte sich die Opposition mit ihren Argumenten. Vergeblich. So wird’s bleiben.
Auf ein solches Szenario bezieht sich auch Joachim Fischer (SPD), der als ältestes Ratsmitglied die Sitzung mit einer Rede hätte eröffnen können, die aber nur schriftlich verteilt wurde. Er sagt darin: „Es ist zu erwarten, dass auf Grund vieler Parteien im neuen Rate der Stadt Dormagen ebenso viele Meinungen vorgetragen werden. Lassen Sie uns damit so umgehen, dass keine Verletzungen entstehen. In Abwandlung einer bekannten Aufmunterung empfehle ich daran zu denken „auch andere Parteien haben ‚hübsche‘ Vorschläge!“
Es liegt an der Koalition, keinen „Machtmissbrauch auf Zeit“zu betreiben. Sondern die politisch mitunter anders denkenden Kollegen Ernst zu nehmen, sich mit deren Themen auseinander zu setzen und auch andere Meinungen als die eigene zuzulassen. Denn ansonsten sieht sich ein nicht unerheblicher Teil der Dormagener nicht berücksichtigt bei dem, was in den nächsten fünf Jahren in Dormagen geschieht. Nur weil das Wahlergebnis so ausgefallen ist, wie es gekommen ist, erlaubt dies keinen egoistischen Automatismus in „Recht haben“und „alles durchsetzen dürfen“.
Den Auftakt der Wahlperiode haben die Beteiligten jedenfalls in den Sand gesetzt. Es war schon peinlich, dass 60, 70 Leute, darunter zum Glück nur wenige Bürger, die nach Knechtsteden gekommen waren, während einer 103 Minuten währenden Sitzungsunterbrechung zum Nichtstun gezwungen wurden. Nur weil es die Fraktionen in den Wochen nicht geschafft haben, sich bei dem anstehenden Wahl-Marathon (Ausschüsse, Gremien und deren Besetzung) zu einigen. Dass das während der Ratssitzung passieren musste, war eine Zumutung und dürfte bei einigen Zweifel ausgelöst haben, ob dort denn politische Akteure am Werk sind, die sich der Bedeutung ihrer Aufgabe bewusst sind.