Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zusammen wohnen, zusammen leben
NaWoDo ist ein ungewöhnliches Wohnprojekt, dass mit langem Anlauf in Nievenheim umgesetzt worden ist.
NIEVENHEIM Das große Haus mit seiner ansprechenden Architektur am Eingang zum Baugebiet IV in Nievenheim fällt sofort auf. Seit zwei Jahren leben dort Menschen jeder Altersgruppe in einer besonderen Gemeinschaft zusammen. Unter dem Namen „NaWoDo“– Nachbarschaftliches Wohnen in Dormagen ist das Projekt, das 2014 mit Gründung einer Genossenschaft in Planung ging, über Dormagens Stadtgrenzen hinaus bekannt.
„Es ist genauso gekommen, wie ich mir das gewünscht habe“, schwärmt Johannes Thönneßen, Mitinitiator des Projektes. In dem Haus am Latoursgarten 1 wohnen junge Familien mit Kindern sowie Paare und Alleinstehende. „Für die jungen Familien ist es super, weil die sich gegenseitig
„Wir sind alle miteinander vernetzt und wenn jemand Hilfe braucht, ist immer einer zur Stelle“Gabi Damrich Bewohnerin
unterstützen und für die Älteren ist es toll, dass sie nicht alleine sind“, sagt Thönneßen. Jeder hilft jedem, schnell und unkompliziert. In den 23 Wohnungen leben 38 Erwachsene und 16 Kinder. Jeder Mieter hat seinen eigenen, abgeschlossenen Wohnbereich, aber neben einem Gemeinschaftsraum mit Küche, einem Werkraum, einer Tiefgarage und dem großen gemeinsamen Garten gibt es am Haus noch eine Besonderheit: durchgehende Balkone. „Das ist eine Art von gemeinsamer Nutzung, die vielen sehr gut gefällt“, erzählt Thönneßen. Wer mehr Privatsphäre möchte, trennt seinen Bereich mit Blumenkübeln ab. „Und das wird dann auch respektiert.“
Alle Bewohner sind Mitglieder in der Genossenschaft – man bringt sich mit Eigenkapital ein und mietet die Wohnungen mit lebenslangem Mietrecht, Eigentümer bleibt die Genossenschaft. Alle Entscheidungen, die gemeinschaftliche Bereiche betreffen, werden auch gemeinsam getroffen. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, die sich um die unterschiedliche Aufgaben kümmern. Auch gemeinsame Aktivitäten wie Kochen und Ausflüge stehen dabei auf dem Programm – normalerweise. Denn durch Corona können viele dieser Dinge nicht stattfinden. Die
Hilfsbereitschaft untereinander ist jedoch ungebrochen. „Wir sind alle miteinander vernetzt und wenn jemand Hilfe braucht, ist immer einer zur Stelle“, berichtet Bewohnerin Gabi Damrich. Die 70jährige hat sich ganz bewusst entschieden, aus ihrem Einfamilienhaus auszuziehen und bei NaWoDo einzusteigen und bereut ihre Entscheidung nicht. Im Gegenteil. „Die Altersmischung ist sehr gelungen, es ist sehr schön, dass man alle Leute im Haus kennt und die Vielfältigkeit der Charaktere ist toll“, findet sie. Durch die barrierefreie Bauweise habe man die
Möglichkeit, auch sehr lange dort zu wohnen und seine Aktionsfähigkeit zu behalten, sagt sie. „Außerdem ist Haus architektonisch sehr schön und ich habe einen tollen Blick aus meinem Fenster“, lobt sie. An die teilweise längeren Diskussionen und Entscheidungsfindungen für Dinge wie Gartenbepflanzungen musste sie sich erst gewöhnen. „Es wird immer versucht, eine Lösung zu finden, mit der alle einverstanden sind. Das dauert eben manchmal“, erzählt sie. Man müsse die Fähigkeit haben, die Eigenarten der Leute zu tolerieren. „Im Grunde geht es im Leben immer um Toleranz, nicht nur hier.“
Johannes Thönneßen ist stolz darauf, dass die Bewohner so gut miteinander klarkommen und bisher so zufrieden sind. Der 63jährige genießt es vor allem, die Kinder im Haus aufwachsen zu sehen. „Das ist ein Luxus wie ein Großvater zu sein, der noch keine eigenen Enkel hat. Die Kinder kommen vorbei und man hat Spaß, ist aber eben nicht zuständig weil man nicht Eltern ist. Das genieße ich sehr.“
Noch ist dieses Wohnprojekt das einzige in dieser Art in Dormagen. Ob das so bleibt? Ungewiss, denn es hängt immer von der Initiative der Menschen ab. Aber die Stadt kann, wie auch in Nievenheim intensiv geschehen, unterstützen. Es ist der erklärte Wille der Verwaltung, aber auch in weiten Kreisen der Politik, diese Wohnform möglich zu machen. Mit dem Beethoven-Quartier in der Innenstadt sowie dem Malerviertel III (an der Horremer Straße) werden bald große Bau- und Wohngebiete entstehen. Dort soll auch, so Bürgermeister Erik Lierenfeld, eine Vielfalt an unterschiedlichen, kreativen Wohnformen möglich sein und in den Planungsprozessen bereits berücksichtigt werden. Platz genug wäre vorhanden.