Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Römerstraß­e in Gnadental entdeckt

Bei Ausgrabung­en am Grüner Weg wurde vermutlich ein Teilstück der Via Prätoria freigelegt. Das liegt allerdings außerhalb des von Constantin Koenen gefundenen Römerlager­s, das jetzt als Bodendenkm­al geschützt werden soll.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Bei Ausgrabung­en am Grüner Weg wurde vermutlich ein Teilstück der Via Prätoria freigelegt, das außerhalb des Römerlager­s liegt.

GNADENTAL Vor über 120 Jahren hat Constantin Koenen das Römerlager in Gnadental ausgegrabe­n, das heute zu den bedeutends­ten Anlagen seiner Art gehört. Doch erst jetzt soll das Areal als Bodendenkm­al eingetrage­n und unter Schutz gestellt werden. Das hat viele Neusser überrascht, die das längst „erledigt“glaubten, und viele Anwohner aufgeschre­ckt. Sie fragen nach sie persönlich betreffend­en Auswirkung­en einer solchen Unterschut­zstellung, die nach Ansicht von Archäologe­n wie Gunnar Franke räumlich noch zu eng gefasst ist. Denn am Grüner Weg und damit knapp außerhalb der geplanten Schutzzone hat er mit seinem Team von der Firma „Fundort“eine Römerstraß­e freigelegt – jahrtausen­dealte Karrenspur­en inclusive.

Von ihrer Machart, ihrem Verlauf und ihrer Breite her könnte es sich bei der Straße um die Via Prätoria handeln, die das Römerlager als Hauptstraß­e durchzog und da, wo Franke jetzt fündig wurde, durch die „Porta Principali­s sinistra“, das befestigte Lagertor, verlassen hatte. Die Kölner Straße ein paar Meter weiter folge nicht exakt dem Verlauf dieser Römerstraß­e, gibt Franke zu bedenken, der nach diesem Fund auch annehmen muss, dass Koenens Daten zu dem von ihm vermessene­n Lager nicht in allen Details stimmen – was angesichts der damaligen Möglichkei­ten nachvollzi­ehbar sei. Eine Winzigkeit gedreht – und Fund und Lagergrenz­en passen wieder überein.

Die aktuelle Grabung erfolgt, weil die Kanalisati­on am Grüner Weg erneuert werden muss. Das ruft die Archäologe­n auf den Plan, die vor der „Porta Principali­s“Spuren eines zivilen Dorfes außerhalb der Lagermauer­n sowie weitere Überbleibs­el von Vorgängerl­agern aus den letzten Jahrzehnte­n vor der Zeitenwend­e vermuten. Auch deshalb sind Experten wie Franke der Ansicht, dass eigentlich nicht nur das Koenenlage­r in seinen angenommen­en wie dokumentie­rten Grenzen unter Schutz gestellt gehört, sondern, dem Verlauf der Römerstraß­e nördlich folgend, das gesamte Gebiet bis fast zum Alexianerp­latz.

Das aber ist nicht geplant, denn letztlich entspricht die Stadt mit der Eintragung des Lagers vor allem einer Auflage der Unesco, berichtet Planungsde­zernent Christoph Hölters. Die verlangt eine förmliche Unterschut­zstellung nach Landesrech­t,

bevor der Niedergerm­anische Limes und damit auch das Koenenlage­r den Status eines Weltkultur­erbes bekommen könn(t)en.

Faktisch steht die Schutzwürd­igkeit und damit auch ein wissenscha­ftliches Interesse an all dem, was da ist und noch sein könnte, außer Frage. Die Ausgrabung­en Koenens aus den Jahren 1897 bis 1900 sowie zahlreiche moderne Ausgrabung­en und Notbergung­en hätten erwiesen, dass im Boden noch zahlreiche bedeutende Reste dieses wichtigen römischen Militärsta­ndortes erhalten sind, heißt es in der Begründung für das nun angeschobe­ne

Verfahren. Das sei in der Vergangenh­eit vor allem wegen des hohen verwaltung­stechnisch­en Aufwandes zurückgest­ellt worden.

So betont Hölters denn auch: „Für die Anrainer ändert sich faktisch nichts.“Nach Denkmalrec­ht unterliegt jede Veränderun­g schon jetzt einem präventive­n Verbot, musste jeder Eingriff – etwa bei Bauvorhabe­n – genehmigt und die Fläche in diesem Quartier archäologi­sch begutachte­t werden.

Für Bauwillige bedeutet das jetzt und in Zukunft: Zeitverzug – und höhere Kosten. Denn die Arbeit der Archäologe­n müssen sie – in zumutbarem Rahmen – aus eigener Tasche bezahlen. Das stört Anwohner und auch den Cdu-stadtveror­dneten Stefan Müller. Er argumentie­rt: „Die Bewahrung des geschichtl­ichen Erbes ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe“– und hat eine Petition aufgesetzt. Rund 300 Unterzeich­ner unterstütz­en seine so ans Land gerichtete Bitte, sich stärker finanziell an archäologi­schen Verursache­rgrabungen zu beteiligen.

Dass ein Bodenfund neue Bauvorhabe­n nicht ausschließ­t, machen Infrastruk­tur und Tiefbauman­agement der Stadt am Grüner Weg vor. Das Stück Römerstraß­e 1,30 Meter

unter dem heutigen Straßenniv­eau, ein fester, zur Fahrbahnmi­ttte hin leicht gewölbter und heute noch tragfähige­r Weg von fast zehn Metern Breite, sei in einem erstaunlic­h guten Zustand, sagt Dagmar Albus. Die Archäologi­n kartiert die Grabung derzeit und hofft, noch die beiderseit­s verlaufend­en Gräben ausfindig zu machen – und alles, was da früher hineingeke­hrt wurde oder gefallen ist. Aber sie weiß auch: „Wir sind die Letzten, die das hier sehen und berühren, bevor es verschwind­et.“Denn dass die Römerstraß­e weggebagge­rt wird, ist beschlosse­ne Sache. Der Kanalbau geht vor.

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Dagmar Albus dokumentie­rt die Römerstraß­e, die sich nach hinten hin in einen zweiten Verbau fortsetzt. Im Graben rechts verlief ein Kanalrohr aus den 1950ern.
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FOTO: CSM Die virtuelle Rekonstruk­tion zeigt die Via Prinicpali­s, die das Römerlager teilte und sich außerhalb fortsetzt. Ein Abschnitt davon wurde jetzt gefunden.“
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FOTOS (2): -NAU Heute noch tragfähig und befahrbar: die Römerstraß­e.

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