Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Römerstraße in Gnadental entdeckt
Bei Ausgrabungen am Grüner Weg wurde vermutlich ein Teilstück der Via Prätoria freigelegt. Das liegt allerdings außerhalb des von Constantin Koenen gefundenen Römerlagers, das jetzt als Bodendenkmal geschützt werden soll.
Bei Ausgrabungen am Grüner Weg wurde vermutlich ein Teilstück der Via Prätoria freigelegt, das außerhalb des Römerlagers liegt.
GNADENTAL Vor über 120 Jahren hat Constantin Koenen das Römerlager in Gnadental ausgegraben, das heute zu den bedeutendsten Anlagen seiner Art gehört. Doch erst jetzt soll das Areal als Bodendenkmal eingetragen und unter Schutz gestellt werden. Das hat viele Neusser überrascht, die das längst „erledigt“glaubten, und viele Anwohner aufgeschreckt. Sie fragen nach sie persönlich betreffenden Auswirkungen einer solchen Unterschutzstellung, die nach Ansicht von Archäologen wie Gunnar Franke räumlich noch zu eng gefasst ist. Denn am Grüner Weg und damit knapp außerhalb der geplanten Schutzzone hat er mit seinem Team von der Firma „Fundort“eine Römerstraße freigelegt – jahrtausendealte Karrenspuren inclusive.
Von ihrer Machart, ihrem Verlauf und ihrer Breite her könnte es sich bei der Straße um die Via Prätoria handeln, die das Römerlager als Hauptstraße durchzog und da, wo Franke jetzt fündig wurde, durch die „Porta Principalis sinistra“, das befestigte Lagertor, verlassen hatte. Die Kölner Straße ein paar Meter weiter folge nicht exakt dem Verlauf dieser Römerstraße, gibt Franke zu bedenken, der nach diesem Fund auch annehmen muss, dass Koenens Daten zu dem von ihm vermessenen Lager nicht in allen Details stimmen – was angesichts der damaligen Möglichkeiten nachvollziehbar sei. Eine Winzigkeit gedreht – und Fund und Lagergrenzen passen wieder überein.
Die aktuelle Grabung erfolgt, weil die Kanalisation am Grüner Weg erneuert werden muss. Das ruft die Archäologen auf den Plan, die vor der „Porta Principalis“Spuren eines zivilen Dorfes außerhalb der Lagermauern sowie weitere Überbleibsel von Vorgängerlagern aus den letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende vermuten. Auch deshalb sind Experten wie Franke der Ansicht, dass eigentlich nicht nur das Koenenlager in seinen angenommenen wie dokumentierten Grenzen unter Schutz gestellt gehört, sondern, dem Verlauf der Römerstraße nördlich folgend, das gesamte Gebiet bis fast zum Alexianerplatz.
Das aber ist nicht geplant, denn letztlich entspricht die Stadt mit der Eintragung des Lagers vor allem einer Auflage der Unesco, berichtet Planungsdezernent Christoph Hölters. Die verlangt eine förmliche Unterschutzstellung nach Landesrecht,
bevor der Niedergermanische Limes und damit auch das Koenenlager den Status eines Weltkulturerbes bekommen könn(t)en.
Faktisch steht die Schutzwürdigkeit und damit auch ein wissenschaftliches Interesse an all dem, was da ist und noch sein könnte, außer Frage. Die Ausgrabungen Koenens aus den Jahren 1897 bis 1900 sowie zahlreiche moderne Ausgrabungen und Notbergungen hätten erwiesen, dass im Boden noch zahlreiche bedeutende Reste dieses wichtigen römischen Militärstandortes erhalten sind, heißt es in der Begründung für das nun angeschobene
Verfahren. Das sei in der Vergangenheit vor allem wegen des hohen verwaltungstechnischen Aufwandes zurückgestellt worden.
So betont Hölters denn auch: „Für die Anrainer ändert sich faktisch nichts.“Nach Denkmalrecht unterliegt jede Veränderung schon jetzt einem präventiven Verbot, musste jeder Eingriff – etwa bei Bauvorhaben – genehmigt und die Fläche in diesem Quartier archäologisch begutachtet werden.
Für Bauwillige bedeutet das jetzt und in Zukunft: Zeitverzug – und höhere Kosten. Denn die Arbeit der Archäologen müssen sie – in zumutbarem Rahmen – aus eigener Tasche bezahlen. Das stört Anwohner und auch den Cdu-stadtverordneten Stefan Müller. Er argumentiert: „Die Bewahrung des geschichtlichen Erbes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“– und hat eine Petition aufgesetzt. Rund 300 Unterzeichner unterstützen seine so ans Land gerichtete Bitte, sich stärker finanziell an archäologischen Verursachergrabungen zu beteiligen.
Dass ein Bodenfund neue Bauvorhaben nicht ausschließt, machen Infrastruktur und Tiefbaumanagement der Stadt am Grüner Weg vor. Das Stück Römerstraße 1,30 Meter
unter dem heutigen Straßenniveau, ein fester, zur Fahrbahnmittte hin leicht gewölbter und heute noch tragfähiger Weg von fast zehn Metern Breite, sei in einem erstaunlich guten Zustand, sagt Dagmar Albus. Die Archäologin kartiert die Grabung derzeit und hofft, noch die beiderseits verlaufenden Gräben ausfindig zu machen – und alles, was da früher hineingekehrt wurde oder gefallen ist. Aber sie weiß auch: „Wir sind die Letzten, die das hier sehen und berühren, bevor es verschwindet.“Denn dass die Römerstraße weggebaggert wird, ist beschlossene Sache. Der Kanalbau geht vor.