Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jetzt geht es ums Private
An der Bilanz des zweiwöchigen Lockdowns lässt sich leider nichts deuteln: Er hat nicht – oder noch nicht – hinreichend gewirkt. Von der Zielmarke von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen ist Deutschland weit entfernt. „Geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“seien die Maßnahmen, hatte Angela Merkel Ende Oktober wiederholt erklärt. Doch die Zahlen zeigen: „Geeignet“scheinen die damaligen Beschlüsse nicht gewesen zu sein.
Es ließ sich damals schon ahnen, dass die Pandemie sich weniger über die Restaurants, Museen, Theater und Kinos ausbreitete, bei denen Abstand und Hygiene großgeschrieben wurden. Auch hatten die Gesundheitsämter längst den Überblick verloren. Doch die Rückschau hilft wenig. Jetzt wollte die Bundeskanzlerin den Lockdown verschärfen und den privaten Bereich stärker in den Blick nehmen.
Die Krux daran ist: Ohne Kontrollen funktioniert auch das nicht. Auf die Eigenverantwortung und Solidarität der allermeisten Menschen in Deutschland ist Verlass. Es sind nur wenige, die sich nicht an die Regeln halten. Aber genau auf die kommt es an. Neuerliche Appelle lassen notorische Regelbrecher im Zweifel nur mit den Schultern zucken. Die Einsicht, die jetzt noch nicht da ist, kommt wohl auch nicht mehr.
Kontrollen im privaten Umfeld – das birgt gewaltige praktische und rechtsstaatliche Herausforderungen. Dass die Polizei von Tür zu Tür marschiert oder Nachbarn sich gegenseitig bespitzeln und denunzieren, kann niemand wollen. Aber das Dilemma bleibt: Wenn sich nicht alle überall verantwortlich verhalten, begleitet uns der Lockdown noch länger. Neue Regeln, die hier ansetzen, dürften paradoxerweise geeigneter und notwendiger sein als die alten – und damit verhältnismäßig. Die Länder sollten nicht zu lange warten.