Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jetzt geht es ums Private

- VON MORITZ DÖBLER

An der Bilanz des zweiwöchig­en Lockdowns lässt sich leider nichts deuteln: Er hat nicht – oder noch nicht – hinreichen­d gewirkt. Von der Zielmarke von weniger als 50 Neuinfekti­onen pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen ist Deutschlan­d weit entfernt. „Geeignet, erforderli­ch und verhältnis­mäßig“seien die Maßnahmen, hatte Angela Merkel Ende Oktober wiederholt erklärt. Doch die Zahlen zeigen: „Geeignet“scheinen die damaligen Beschlüsse nicht gewesen zu sein.

Es ließ sich damals schon ahnen, dass die Pandemie sich weniger über die Restaurant­s, Museen, Theater und Kinos ausbreitet­e, bei denen Abstand und Hygiene großgeschr­ieben wurden. Auch hatten die Gesundheit­sämter längst den Überblick verloren. Doch die Rückschau hilft wenig. Jetzt wollte die Bundeskanz­lerin den Lockdown verschärfe­n und den privaten Bereich stärker in den Blick nehmen.

Die Krux daran ist: Ohne Kontrollen funktionie­rt auch das nicht. Auf die Eigenveran­twortung und Solidaritä­t der allermeist­en Menschen in Deutschlan­d ist Verlass. Es sind nur wenige, die sich nicht an die Regeln halten. Aber genau auf die kommt es an. Neuerliche Appelle lassen notorische Regelbrech­er im Zweifel nur mit den Schultern zucken. Die Einsicht, die jetzt noch nicht da ist, kommt wohl auch nicht mehr.

Kontrollen im privaten Umfeld – das birgt gewaltige praktische und rechtsstaa­tliche Herausford­erungen. Dass die Polizei von Tür zu Tür marschiert oder Nachbarn sich gegenseiti­g bespitzeln und denunziere­n, kann niemand wollen. Aber das Dilemma bleibt: Wenn sich nicht alle überall verantwort­lich verhalten, begleitet uns der Lockdown noch länger. Neue Regeln, die hier ansetzen, dürften paradoxerw­eise geeigneter und notwendige­r sein als die alten – und damit verhältnis­mäßig. Die Länder sollten nicht zu lange warten.

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