Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mit aller Macht
Im Corona-winter traut sich keiner klar zu sagen: „Ich will regieren.“Warum nur?
Corona bestimmt Politik und Alltag überall auf der Welt. In den USA wurden allein am Sonntag rund 139.000 neue Infizierte gemeldet. Und dennoch spielt sich dort gerade ein Schauspiel ab, das man jedem Drehbuchautor aus seinem Skript streichen würde. Ein Us-präsident, der eindeutig die Wahl verloren hat, gesteht seine Niederlage nicht ein, klammert sich an die Macht. Was ein Schaden für die amerikanische Präsidial-demokratie. In Deutschland hatte die Idee, das Kanzleramt nicht zu verlassen, bislang nur Altkanzler Gerhard Schröder - und ließ sie in einem denkwürdigen Tv-auftritt aufblitzen. Es braucht kein Schauspiel dieser Art. Aber über all den Berliner Kandidaten-debatten schwebt derzeit etwas Wolkiges.
Bei aller politischen Strategie und Taktik: Warum sagt mitten in der Pandemie keiner laut, dass er sich die Macht zutraut? Spd-kanzlerkandidat Olaf Scholz ist damit gerade allein auf weiter Flur. Bei der Union wiederholt derjenige, der in den Umfragen meilenweit vor allen anderen liegt, mantraartig sein Platz sei in Bayern. Warum sagt CSU-CHEF Markus Söder eigentlich nicht deutlich, dass er sich das Amt grundsätzlich zutraut – egal, wer der neue CDU-CHEF wird? Auch bei den Cdu-kandidaten wird man nicht ganz schlau: Norbert Röttgen möchte CDU-CHEF und eventuell Kanzlerkandidat werden, Friedrich Merz am liebsten wohl gleich Kanzler und Armin Laschet ist offenbar sehr gern Nrw-ministerpräsident. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn träumt dagegen schon seit 2018 davon, CDU-CHEF zu werden - darf es aber gerade nicht sagen. Auch bei den Grünen wagt keiner den Schritt nach vorne - Robert Habeck und Annalena Baerbock wollen sich vor allem nicht auseinander dividieren lassen. Stattdessen alles partnerschaftlich teilen. Ein Team im Amt eines Regierungschefs? Da könnte dann zumindest einer dem anderen sagen, wann wirklich Schluss ist.