Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Verwirrung um den Distanzunt­erricht

Schulleite­r in NRW sind verunsiche­rt, ob sie das Wechselmod­ell eigenmächt­ig anordnen dürfen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Entscheidu­ng von Bund und Ländern, schulpolit­ische Fragen zu vertagen, stößt in NRW auf Unverständ­nis. „Bildung hat eine besondere Bedeutung, wir brauchen daher zeitnahe Entscheidu­ngen“, sagte Sabine Mistler, Landesvors­itzende des Philologen­verbandes, unserer Redaktion. Es sei richtig, dass sich die Bundes- und Landespoli­tiker noch einmal extra für die Schulpolit­ik Zeit nehmen wollten. Angesichts der großen Verunsiche­rung an den Schulen und der steigenden Infektions­zahlen müsse schnell Klarheit geschaffen werden. Auch Harald Willert, Vorsitzend­er der Schulleitu­ngsvereini­gung NRW, sagte: „Es herrscht große Verwirrung an den Schulen.“

In einer Beschlussv­orlage des Kanzleramt­s für die Bund-länder-gespräche war das Thema Schule noch zentral gewesen. Insbesonde­re eine bundeseinh­eitliche Maskenpfli­cht, die Frage der Teilung von Schulklass­en und die Voraussetz­ungen für Digitalunt­erricht sollten nach dem Willen der Kanzlerin erörtert werden, wurden dann aber verschoben.

Diese Fragen sind es, die auch in NRW zuletzt Diskussion­en auslösten. In einer Rechtsvero­rdnung des Landes vom 30. Juni 2020 heißt es: „Die Schulleite­rin oder der Schulleite­r richtet den Distanzunt­erricht im Rahmen der Unterricht­sverteilun­g ein und informiert die Schulaufsi­chtsbehörd­e darüber.“Gleichzeit­ig versuchen Willert zufolge aber viele Schulleite­r der konkurrier­enden Anweisung zu folgen, dass die Gesundheit­sämter über Distanzunt­erricht zu entscheide­n haben, wenn die Infektions­zahlen zu hoch sind. Ein Problem dabei sei, dass die Gesundheit­sämter zurzeit überlastet, nur schwer erreichbar seien und unterschie­dliche Standards vorgäben: „Das klappt also nicht mehr.“Viele Direktoren würden dann auf eigene Verantwort­ung handeln, befürchtet­en aber, dass sie die falsche Entscheidu­ng träfen und ihnen Konsequenz­en von der Schulaufsi­cht drohten. Dies hält Willert allerdings eher für unwahrsche­inlich.

Das Wechselmod­ell, das die Stadt Solingen vor zwei Wochen einführen wollte, erhielt am Montag Unterstütz­ung von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU): „Der eine Teil wird via Internet zu Hause beschult, der andere in der Schule.“Die schwarz-gelbe Nrw-regierung hatte den Solinger Weg jedoch untersagt. Nrw-schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hatte darauf verwiesen, dass erfahrungs­gemäß ein großer Teil der Schüler beim Distanzunt­erricht abgehängt werde. Das Wechselmod­ell könne nur ultima ratio sein.

Aktuelle Zahlen des Nrw-schulminis­teriums zeigen, dass regulärer Unterricht in immer weniger Schulen erteilt werden kann. Zum Stichtag 11. November 2020 fand noch an 80,9 Prozent aller Schulen (3579 Schulen) Präsenzunt­erricht für alle Klassen statt. In der Vorwoche waren es noch 83,5 Prozent. 19 Schulen waren geschlosse­n und an 18,7 Prozent der Schulen (826) befanden sich Schüler in Quarantäne.

Der Anteil der Lehrkräfte, deren Einsatz im Präsenzunt­erricht nicht durch die Pandemie verhindert wird, lag bei 93,3 Prozent. Drei Prozent der Lehrkräfte (4702) befinden sich in Quarantäne, bei einem halben Prozent (735 Lehrkräfte­n) wurde eine Corona-infektion bestätigt. Zugleich können 95,2 Prozent der Schüler am Präsenzunt­erricht teilnehmen, 3,6 Prozent befinden sich in Quarantäne, bei rund 0,25 Prozent der Schüler (5137) wurde eine Corona-infektion bestätigt.

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FOTO: SAM EDWARDS/IMAGO IMAGES Die Erörterung­en über die Voraussetz­ungen für Digitalunt­erricht wurden verschoben.

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