Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Verwirrung um den Distanzunterricht
Schulleiter in NRW sind verunsichert, ob sie das Wechselmodell eigenmächtig anordnen dürfen.
DÜSSELDORF Die Entscheidung von Bund und Ländern, schulpolitische Fragen zu vertagen, stößt in NRW auf Unverständnis. „Bildung hat eine besondere Bedeutung, wir brauchen daher zeitnahe Entscheidungen“, sagte Sabine Mistler, Landesvorsitzende des Philologenverbandes, unserer Redaktion. Es sei richtig, dass sich die Bundes- und Landespolitiker noch einmal extra für die Schulpolitik Zeit nehmen wollten. Angesichts der großen Verunsicherung an den Schulen und der steigenden Infektionszahlen müsse schnell Klarheit geschaffen werden. Auch Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW, sagte: „Es herrscht große Verwirrung an den Schulen.“
In einer Beschlussvorlage des Kanzleramts für die Bund-länder-gespräche war das Thema Schule noch zentral gewesen. Insbesondere eine bundeseinheitliche Maskenpflicht, die Frage der Teilung von Schulklassen und die Voraussetzungen für Digitalunterricht sollten nach dem Willen der Kanzlerin erörtert werden, wurden dann aber verschoben.
Diese Fragen sind es, die auch in NRW zuletzt Diskussionen auslösten. In einer Rechtsverordnung des Landes vom 30. Juni 2020 heißt es: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter richtet den Distanzunterricht im Rahmen der Unterrichtsverteilung ein und informiert die Schulaufsichtsbehörde darüber.“Gleichzeitig versuchen Willert zufolge aber viele Schulleiter der konkurrierenden Anweisung zu folgen, dass die Gesundheitsämter über Distanzunterricht zu entscheiden haben, wenn die Infektionszahlen zu hoch sind. Ein Problem dabei sei, dass die Gesundheitsämter zurzeit überlastet, nur schwer erreichbar seien und unterschiedliche Standards vorgäben: „Das klappt also nicht mehr.“Viele Direktoren würden dann auf eigene Verantwortung handeln, befürchteten aber, dass sie die falsche Entscheidung träfen und ihnen Konsequenzen von der Schulaufsicht drohten. Dies hält Willert allerdings eher für unwahrscheinlich.
Das Wechselmodell, das die Stadt Solingen vor zwei Wochen einführen wollte, erhielt am Montag Unterstützung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Der eine Teil wird via Internet zu Hause beschult, der andere in der Schule.“Die schwarz-gelbe Nrw-regierung hatte den Solinger Weg jedoch untersagt. Nrw-schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte darauf verwiesen, dass erfahrungsgemäß ein großer Teil der Schüler beim Distanzunterricht abgehängt werde. Das Wechselmodell könne nur ultima ratio sein.
Aktuelle Zahlen des Nrw-schulministeriums zeigen, dass regulärer Unterricht in immer weniger Schulen erteilt werden kann. Zum Stichtag 11. November 2020 fand noch an 80,9 Prozent aller Schulen (3579 Schulen) Präsenzunterricht für alle Klassen statt. In der Vorwoche waren es noch 83,5 Prozent. 19 Schulen waren geschlossen und an 18,7 Prozent der Schulen (826) befanden sich Schüler in Quarantäne.
Der Anteil der Lehrkräfte, deren Einsatz im Präsenzunterricht nicht durch die Pandemie verhindert wird, lag bei 93,3 Prozent. Drei Prozent der Lehrkräfte (4702) befinden sich in Quarantäne, bei einem halben Prozent (735 Lehrkräften) wurde eine Corona-infektion bestätigt. Zugleich können 95,2 Prozent der Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen, 3,6 Prozent befinden sich in Quarantäne, bei rund 0,25 Prozent der Schüler (5137) wurde eine Corona-infektion bestätigt.